als Grüner muss man sich derzeit in einem Zustand permanenter kognitiver Dissonanz befinden. Einerseits ist man mit sinkenden Umfragewerten und wachsendem Unmut über die desaströse grüne Wirtschaftspolitik konfrontiert, andererseits muss man sich selbst und der Welt weiter einreden, man sei insgesamt auf dem richtigen Weg und müsse allenfalls an der einen oder anderen Stellschraube noch ein wenig drehen, und dann klappte schon alles mit Energiewende und gleichzeitiger Wohlstandssicherung. Die normative Kraft des Kontrafaktischen beschwor auch Ricarda Lang am Sonntagabend im ARD-Sommerinterview. Die grüne Co-Vorsitzende bekräftigte trotz Umfragetiefs und unübersehbarem wirtschaftlichen Niedergang ihr munteres „Weiter so“: Wir brauchen noch mehr Windräder, die Energiewende werde Jobs schaffen, und am Aufstieg der AfD sind andere schuld. Ich habe mir das Interview tatsächlich bis zum Ende angesehen. Dabei hält sogar der neue Chef des Weltklimarats nichts von Untergangsszenarien rund um den Klimawandel. Eine sehr vernünftige Einstellung. Denn eindimensionale Berichterstattung und Panik-Populismus – wie von Ricarda Lang im Sommerinterview zelebriert – dominieren die Klimadebatte viel zu sehr. Mein Kollege Ben Krischke über das Vereinfachende, das Postfaktische, das Biblische. Was macht eigentlich die Brandmauer, steht die noch? Friedrich Merz löste jüngst eine heftige Diskussion über den Umgang seiner Partei mit der AfD auf kommunaler Ebene aus. Die Empörung fällt jedoch auffällig schwach aus, wenn die CDU mit den Linken kooperiert. Linke Radikale sind offenbar bessere Radikale als rechte. Cicero-Autor Hugo Müller-Vogg über die löchrige Brandmauer gegen links. Noch einmal zum Thema Wirtschaft: Die Deloitte-Studie „Deutschland 2030 – Wachstumschancen für Deutschland“ gibt einen Eindruck von den Herausforderungen und Chancen der nächsten Jahre. Und die liegen vor allem in den Bereichen Demografie, Digitalisierung und Innovation. Im Interview mit Ilgin Seren Evisen erklärt Deloitte-Chefökonom Alexander Börsch mögliche Szenarien. Er meint: „Produktivität und Wachstum sollten weit oben auf der Agenda stehen.“ Aber die nächste industrielle Revolution findet wohl ohne Deutschland statt: bei KI kommen nicht nur die entscheidenden Innovationen aus den USA, die Deutschen werden auch zunehmend zu unkritischen Konsumenten. So wird das nichts mit der Wertschöpfung im eigenen Land. Der Datenanalyse- und KI-Experte Jan Schoenmakers wundert sich: Deutschland sucht nicht einmal den Anschluss. Am Freitag fand in St. Petersburg der zweite Russland-Afrika-Gipfel statt. Wer die Partnerschaft mit Afrika vertiefen und afrikanische Staatschefs möglicherweise auch davon abhalten möchte, derzeit nach Russland zu reisen, sollte darauf verzichten, mit erhobenem Zeigefinger Völkerrecht zu erklären. Der Afrika-Experte Stefan Liebing und der Wirtschaftswissenschaftler Andreas Freytag warnen in ihrem lesenswerten Gastbeitrag: Deutsche Werte exportieren wir nicht mit Belehrungen. Ihr Ingo Way, Leiter Online-Redaktion |