Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, blickt mit Sorge auf die Konjunktur in Deutschland. Die jüngsten Daten seien „bedenklich“, sagte Krämer dem FOCUS. In der Industrie ist das Neugeschäft im August um 5,8 Prozent weggesackt, im Inland sogar um 10,9 Prozent. Wie schlimm ist die Lage? Alle hatten erwartet, dass die Aufträge fallen würden, weil die Zahl im Vormonat durch ungewöhnlich viele Großaufträge aufgebläht war. Bedenklich ist aber, dass die Auftragseingänge auch ohne diese Großaufträge stark gefallen sind. Von der ersehnten Konjunkturerholung ist weit und breit nichts zu sehen. Wieso? Da ist zunächst die Wirtschaftsschwäche in China. Darüber hinaus haben viele westliche Unternehmen die zurückliegenden Zinsanhebungen der Notenbanken noch nicht verdaut. Außerdem halten sich viele deutsche Unternehmen bei Investitionen zurück, weil sich die Standortbedingungen seit vielen Jahren verschlechtern, ohne dass die Bundesregierung entschieden gegensteuert. Auch bei den Verbrauchern ist die Stimmung im Keller. Vor dem wichtigen Weihnachtsgeschäft sind das keine guten Aussichten, oder? Das Umfeld für das Weihnachtsgeschäft ist schwierig. Es dauert länger, bis die Konsumenten Vertrauen fassen und positiv darauf reagieren, dass die Löhne seit einiger Zeit wieder schneller steigen als die Verbraucherpreise. Was heißt das für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr? Der Fall wichtiger Frühindikatoren wie der Auftragseingänge deutet darauf hin, dass die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte bestenfalls stagniert. Die Bundesregierung erwartet laut SZ für 2025 ein Wachstum von 1,1 Prozent. Teilen Sie diese Zuversicht? Ich erwarte nur ein Mini-Plus von 0,5 Prozent. Die Unternehmen sind sehr verunsichert, weil sich mit Blick auf die Standortprobleme keine durchgreifende Besserung abzeichnet. Außerdem dürfte die chinesische Wirtschaft weiter schwächeln. |