Liebe Frau Do, übermorgen beraten wieder die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin virtuell über die Corona-Lage. Gestern Abend wurde die Beschlussvorlage der Länder öffentlich. Der „Lockdown light“ soll bis zum 20. Dezember verlängert, private Treffen reduziert und Böllern an Silvester verboten werden. Ausnahmen für Familienfeiern soll es nach dem Willen der Länder für die Weihnachtsfeiertage geben. Der Präsenzunterricht soll weitgehend erhalten bleiben, in Hotspots mit hohen Infektionszahlen und an weiterführenden Schulen soll es aber Einschränkungen geben. Jan Drebes hat mehr Details. Wenn die bisherigen Maßnahmen allerdings nicht hinreichend gewirkt haben (hier die aktuellen Daten), stellt sich für mich die Frage, ob sie nicht streng genug waren oder ob es die falschen waren. Die Wahrheit dürfte, wie immer, dazwischen liegen, aber es scheint mir deutlich geworden zu sein, dass es der private Bereich ist, den wir gemeinsam besser in den Griff bekommen müssen. Wir werden in dieser Woche noch viel über die Maßnahmen diskutieren – schreiben Sie mir gerne, was Sie denken (den Link finden Sie unten). Dass Kommunen gerade in NRW wegen der Corona-Lasten immer stärker unter Druck kommen und gezwungen sind, neue Schulden aufzunehmen, hat Chefreporter Christian Schwerdtfeger recherchiert. Es handelt sich meist um kurzlaufende Liquiditätskredite, also so etwas wie den Dispo, den Sie von Ihrem Girokonto kennen (allerdings zu besseren Konditionen…). Der Vergleich passt, denn mit den Finanzspritzen auf Pump wird die Lösung der Probleme vertagt, aber nicht gelöst. Erhellend dazu ist auch das Interview mit dem Präsidenten des Bundesrechnungshofs, Kay Scheller, das unsere Berliner Korrespondentin Birgit Marschall geführt hat und in dem er nachdrücklich für die Schuldenbremse eintritt. Nicht gelöst wurde bisher auch die Aufgabe, einen angemessenen Frauenanteil in den Führungsetagen der Unternehmen zu erreichen. Die bisherigen weichen Vorgaben der Bundesregierung wurden häufig umgangen. Mich erinnert das an Justin Trudeau. Als der kanadische Premier frisch ins Amt kam, antwortete er auf die Frage, warum er gleich viele Männer und Frauen ins Kabinett berufe: „Weil es 2015 ist.“ Fünf Jahre später ist unserer Wirtschaftschefin Antje Höning der Geduldsfaden gerissen. Bislang hatte sie eine Frauenquote strikt abgelehnt, aber jetzt stellt sie sich in ihrem Leitartikel unmissverständlich hinter die Groko-Einigung in dieser Frage: „Die Zeit der Ausreden ist vorbei.“ Unterstützung kommt für diese Position übrigens auch von Ökonomen wie Michael Hüther, dem Leiter der arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), wie Antje Höning und Kerstin Münstermann, die Leiterin unserer Berliner Parlamentsredaktion, herausgefunden haben. Die Grünen legen auf die Frauenquote in ihren Reihen schon lange wert, auch wenn es am Ende nur einen Kanzlerkandidaten – oder eben eine Kanzlerkandidatin – geben kann. Den Parteitag der Grünen, die bei der Bundestagswahl 2021 erstmals beherzt nach der Macht greifen wollen, beschreibt unser Berliner Korrespondent Holger Möhle als ein digitales „Kammerspiel im Retrolook“. In seinem Leitartikel analysiert er die Partei, die nach 40 Jahren ihre Flügel erkennbar gestutzt hat, um die Mitte der Gesellschaft zu erreichen. Als junger politischer Journalist habe ich kaum für möglich gehalten, dass es einmal Frieden zwischen Realos und Fundis geben könne. Mit 17 habe ich in einem Leserbrief argumentiert, die neue Kraft sei zwar eine willkommene Herausforderung für die etablierten Parteien, aber: „Die Grünen sollten sich nicht mausern, sie sollen bleiben, bis man sie nicht mehr braucht.“ Nun, ich lag falsch, gemausert haben sie sich. Ob man sie in der Bundesregierung oder sogar an deren Spitze im Kanzleramt braucht, entscheiden Sie in knapp einem Jahr. Kurzfristiger, nämlich jetzt steht die Entscheidung an, wie Sie in die neue Woche starten. An deren Mitte werden wohl weiterreichende Corona-Maßnahmen verkündet. Ich bin fest entschlossen, fröhlich zu sein – jetzt erst recht. Sind Sie dabei? Herzlich Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |