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5 nach 12 - Was ist heute wichtig? Das Mittags-Update von WELT-Chefredakteur Ulf Poschardt
Sehr geehrte Damen und Herren,
Gütersloh wird dicht gemacht: Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) verhängt nach dem Ausbruch des Coronavirus in einem Schlachthof des Fleischbetriebs Tönnies über den gesamten Kreis Gütersloh einen Lockdown. „Wir führen wieder eine Kontaktbeschränkung wie im März ein“, sagte Laschet am heutigen Vormittag. Der Lockdown solle bis zum 30. Juni gelten, bis dahin werden unter anderem Sport in geschlossenen Räumen und zahlreiche Kulturveranstaltungen verboten. Fitnessstudios würden im Kreisgebiet ebenso geschlossen wie Kinos, Bars, Galerien, Schlösser, Burgen, Saunen. Restaurants können geöffnet blieben. Es handele sich bei dem Ausbruch in dem Tönnies-Schlachthof um das bisher größte einzelne Infektionsgeschehen in Nordrhein-Westfalen und Deutschland, sagte Laschet. Von 6.140 getesteten Tönnies-Mitarbeitern seien 1.553 mit dem Corona-Virus infiziert, dazu gebe es einige Infektionen im familiären Umfeld. Bis zum 30. Juni werde man dann mehr Klarheit haben, inwieweit sich das Virus womöglich auch bei Menschen, die nicht bei Tönnies arbeiten, ausgebreitet habe, so Laschet. Bisher gebe es hier nur 24 nachgewiesene Infektionen. Die Behörden werden die Tests in der Bevölkerung zudem massiv ausweiten, betonte der Regierungschef. Wer will, könne sich sofort testen lassen.
Jenseits von Güterloh. Die Zahl der bestätigten Coronavirus-Fälle in Deutschland steigt um 503 auf 190.862, wie Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) zeigen. „Aus 137 Kreisen wurden in den letzten Tagen keine Fälle übermittelt“, ergänzte RKI-Chef Lothar Wieler auf einer Pressekonferenz in Berlin. Die Lage in Europa sei stabil, die Pandemie breite sich weltweit aber weiter aus. Den Zeitpunkt zum Umdenken sieht er nicht gekommen. „Wir waren wegen der Maßnahmen erfolgreich“, so Wieler. „Die Lockerungen werden nicht folgenlos bleiben.“ Er glaubt, dass die Hygiene-Regeln noch mehrere Monate gelten werden. Seine Hoffnung sei aber, dass sich dadurch auch die Grippelast minimiert und empfahl die Grippe-Impfung. Wieler betonte, dass die Pandemie ein dynamisches Geschehen sei. Für den erhöhten R-Wert seien lokale Ausbrüche wie in Gütersloh verantwortlich.

Derweil in München. Die Staatsanwaltschaft München hat den zurückgetretenen Chef des Finanzdienstleisters Wirecard festgenommen. Markus Braun habe sich am Montagabend gestellt, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Er werde im Laufe des Tages der Ermittlungsrichterin vorgeführt, die über eine Haft entscheide. Braun, der am vergangene Woche von seinem Vorstandsposten zurückgetreten war, wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, die Bilanzsumme und die Umsätze von Wirecard durch vorgetäuschte Einnahmen aufgebläht zu haben. In dem Bilanzskandal geht es um mutmaßliche Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Wirecard hatte Anfang der Woche eingeräumt, dass die Milliardensumme, die angeblich auf Treuhandkonten in Südostasien verbucht war, sehr wahrscheinlich nicht existiere. „Praktisch alle Kontrollinstanzen, am Markt und aufseiten des Staates haben in diesem Fall versagt. Dass ein Konzern wie Wirecard in den Dax aufsteigen konnte, ist für den Wirtschaftsstandort eine gewaltige Blamage“, schreibt mein Kollege Daniel Zwick. Besonders bitter sei das Versagen der deutschen Behörden: „Ihre Ermittlungen waren viel zu langsam, sie waren zu zögerlich und sie haben dem Unternehmen und seinem Wirtschaftsprüfer EY viel zu lange vertraut. Vielleicht fehlten ihnen auch die (gesetzlichen) Mittel, um wirklich herauszufinden, was faul ist im Hause Wirecard. Auch das wäre tragisch.“
 
Damals im Bendler-Block. Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses in der sogenannten Berateraffäre um die Bundeswehr liegt vor und WELT konnte das Papier einsehen. Auf mehr als 100 Seiten kritisieren die Vertreter der Oppositionsparteien das System um externe Beratungs- und Unterstützungsleistungen deutlich. Dieses hatte insbesondere mit der Amtsübernahme der früheren Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Einzug ins Wehrressort gehalten. Von der Leyen wird in dem Dokument explizit belastet.  Zwar hätte es einen großen Bedarf für IT-Beratung bei der Bundeswehr gegeben, aber ein verlässliches Kontrollsystem für die zunehmenden Firmenaufträge sei zu keiner Zeit installiert worden, heißt es in dem Dokument. Insofern sei „das faktische Komplettversagen“ des Ministeriums im Umgang mit Beratung und Unterstützung „nicht nur ein Problem der Arbeitsebene, sondern auch Dr. von der Leyen zuzurechnen“. Was sonst noch in dem Bericht steht und welche Konsequenzen die Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses haben, erfahren Sie hier.
 
Jetzt zum Hören. In der frischen Folge unseres Podcasts "Gegen den Corona-Koller" geht es um die Suche nach einem Impfstoff. Die ersten klinischen Studien laufen, Forscher setzen auf eine neue Technologie und viel Geld fließt. Wie geht es weiter, wie funktioniert eine Impfung mit Erbgut, und wo ist bei allem die Grenze zum ethisch Vertretbaren – unser Wissenschafts-Redakteur Jens Lubbadeh gibt Antworten.
 
Ich wünsche Ihnen einen Tag voller Sonnenschein,

Ihr



Ulf Poschardt


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