 |  | LITERATUR | |
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| Liebe Leserinnen und Leser, |
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die Thomas-Mann-Festspiele erreichen ihren Höhepunkt, den 150. Geburtstag des Schriftstellers. Wir haben in unserem Feuilleton zu ihnen beigetragen, von Texten über den 100. Erscheinungstag des „Zauberberg“ über die Besprechung der fabelhaften Biographie, die Tilmann Lahme vorgelegt hat, bis zum Gespräch über die überseeischen Familienbeziehungen im gar nicht so norddeutschen Hause Mann . Nimmt man die Feier in Lübeck hinzu, auf der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Festrede hält, so könnte man fast davon sprechen, Thomas Mann sei der offizielle Staatsdichter der Deutschen. Das entspricht seiner Selbstbeschreibung als einem „geborenen Repräsentanten“.  | Jürgen Kaube | Herausgeber. | |
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| Dieser Eindruck könnte aber täuschen. So sehr es eine Mann-Verehrung gibt, so sehr gab es von Beginn seiner literarischen Laufbahn an auch eine nicht ablassende Kritik am Schriftsteller. Teils richtete sie sich auf seine intellektuellen Ausflüge. In seinen „Betrachtungen eines Unpolitischen“ hatte Mann auf mitunter abstoßende Weise ins Horn des deutschen Nationalismus gestoßen und als „Kultur“ vergoldet, was Großmachtsphantasie und Beleidigtsein durch die Freiheit der anderen war. Später ließ er dieselbe Kultur samt Deutschland im „Doktor Faustus“ zur Hölle fahren, obwohl es unklar blieb, inwiefern die Nationalsozialisten „faustische“ Charaktere waren. Währenddessen schuf er einen Kanon der großen Geister, in dem das Mittelalter nur durch seine Rezeption bei Richard Wagner, das Barock gar nicht vertreten war und in dem weder Shakespeare und E.T.A. Hoffmann noch Georg Büchner oder auch nur ein einziger französischer Schriftsteller vorkamen. Von den englischen nur – George Bernard Shaw. Dafür Dutzende Mal Goethe, Schiller, Fontane und „Dostojewski – mit Maßen“.
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Unsere Empfehlungen in dieser Woche:
Wozu wir seine Bücher lesen: Andreas Platthaus zum Hundertfünfzigsten von Thomas Mann
Zwölf Fragen, eine Lösung: Im Juni geht es im Literaturrätsel um Figuren im Werk Thomas Manns.
Der aktuelle Tiefstand eines immer geschwätziger werdenden Zeitgeistes: Wolfgang Kemp über den öffentlichen Sprachgebrauch
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Auch literarische Kritik an Thomas Mann wurde vielfach geübt. Berühmt ist die Verachtung Vladimir Nabokovs, der den „Tod in Venedig“ eine Eselei nannte, Mann einen „universitären Gipskopf“ und der, als jemand Proust, Joyce und Mann in einem Atemzug nannte, protestierte: „Was zum Teufel hat dieser schwerfällige, konventionelle Ausbund an Abgedroschenheit zwischen zwei heiligen Namen zu suchen?“ Nabokovs Vorwurf war, Mann habe keine Einbildungskraft, sondern simuliere Wirklichkeit, indem er durchschnittliche Eindrücke und Vorstellungen „aus der öffentlichen Leihbibliothek allgemeiner Wahrheiten“ in persönlicher Färbung und mittels geläufiger Psychologie wiedergebe.
Heute macht Mann seinen Lesern Schwierigkeiten nicht nur durch seine mitunter sehr übersichtlichen Unterscheidungen (Nord/Süd, Leben/Tod, blauäugig/dunkeläugig, Geist/Natur, Kaufleute/Künstler etc.), sondern auch durch den Anspielungsreichtum seiner Romane und Erzählungen. Was wird da an Bildungsgut nicht alles über den Lesern mit der Unterstellung abgeworfen, sie verstünden schon, was gemeint ist! Wer Wagners Opern, Schuberts Lieder und Goethes Dichtungen nicht kennt, findet nur schwer oder nur eingeschränkt einen Zugang. Franz Kafka ist hier der erzählerische Gegenpol Manns.
Insofern mag Mann ein „geborener Repräsentant“ gewesen sein: für eine Zeit, an die seine Romane wie kaum andere erinnern, die aber verschwunden ist oder jedenfalls verblasst. Spricht das gegen ihn? Nur, wenn man das Festhalten von Vergänglichem überflüssig findet. Durch seine Koketterie und Selbstbezüglichkeit, sein Bildungsgepränge und seine aufdringliche Leitmotivik hindurch, ist er der Autor der „Buddenbrooks“ und des „Zauberbergs“, des „Erwählten“ und der „Betrogenen“, der seine Leser in den besten Stunden nicht nur vergessen lässt, wo sie gerade sind, sondern auch alle seine Schwächen.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Jürgen Kaube
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P.S.: Unter den richtigen Einsendungen zum Literaturrätsel im Mai haben wir ein Exempülar von Kai Sinas Studie „Was gut ist und was böse – Thomas Mann als politischer Aktivist“ verlost. Gewonnen hat Frederick Gillessen aus Düsseldorf. Wir gratulieren!
Und nächstes Mal vielleicht Sie? Hier geht es zum neuen Literaturrätsel.
Passend zum 150. Geburtstag Thomas Manns stellt auch unser neues Spiel „Wortmalerei“ an diesem Freitag eine Aufgabe, die auf den Schauplatz eines seiner berühmtesten Romane anspielt. Hier geht es darum, in höchstens fünf Prompts eine KI ein vorgegebenes Bild nachgestalten zu lassen. Vielleicht haben Sie ja Lust?
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| | | Im Juni geht es im Literaturrätsel um Figuren im Werk Thomas Manns. Das Lösungswort allerdings klingt nur so, als bezeichne es eine Person. Setzen Sie aus Einzelbuchstaben von zwölf Antworten die Lösung zusammen und gewinnen Sie mit etwas Glück ein Buch! |
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| | | Der aktuelle Tiefstand eines immer geschwätziger werdenden Zeitgeistes: Wolfgang Kemp findet nichts Gutes am öffentlichen Sprachgebrauch. |
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