| | | | | 26. April 2024 | | Deutscher Alltag | | | |
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| | | | | es könnte sein, dass Terry Pratchetts Tod ein Gottesbeweis ist. Wenn man daran glaubt â oder die Idee zumindest für cool hält â, dass Gott bestimmte Menschen bei sich haben möchte (âder Herr hat sie/ihn abberufenâ), dann könnte man als Pratchett-Leser durchaus verstehen, dass jemand im Himmel, vielleicht der bibliophile heilige Hieronymus, im März 2015 zum Herrn sprach: âEs ist Zeit, dass Terry Pratchett zu uns kommt.â Jedenfalls starb der am 12. März vor neun Jahren, nachdem er in 41 Romanen eine Welt entworfen hatte, die deutlich besser ist als die, die ein anderer geschaffen hat: eine Scheibe, keine Kugel; mit echter Zauberei und keiner Tagesthemen-Moderatorin, die ein banales Wetterfoto als âmagisches Bildâ bezeichnet; eine Welt, in der es Zwerge (die man auch so nennen darf), Trolle aus Granit sowie viele Hilfsgötter und die Unsichtbare Universität mit einem Orang-Utan als Bibliothekar gibt. Ich habe in diversen Kolumnen, gefühlt auch seit 41 Jahren (bald istâs genug), Pratchetts Scheibenwelt öfter erwähnt. Wenn Sie immer noch kein Buch von ihm gelesen haben, sind Sie selbst schuld. Wie ich jetzt auf Pratchett komme? Ich habe dieser Tage den 39. Scheibenwelt-Roman wieder gelesen. Er heiÃt âSnuffâ, in der deutschen Fassung âSteife Priseâ. Allerdings sollte man, wenn man das kann und mag, Pratchett in der Sprache lesen, in der er geschrieben hat, weil seine Bücher, wie manche anderen von mäÃig verrückten Engländern und Amerikanern wie Pratchett, Bukowski oder, andere Baustelle, Ezra Pound, zwar übersetzbar, aber nur schwer übertragbar sind. Die Handlung von âSnuffâ spielt hier keine Rolle, es reicht, wenn man weiÃ, dass in dem Buch der gute, alte Sam Vines, Kommandeur der Polizei von Ankh-Morpork, ein übles Komplott zur Versklavung von Goblins aufdeckt, die als Zwangsarbeiter von korrupten Richtern, bösen Landadligen und niederbayerischen Freie-Wähler-Funktionären (Letzteres habe ich gerade dazu erfunden) verkauft werden. In dem Buch habe ich zwei schöne Sätze gefunden, die ihr Urheber, der leicht putineske Lord Vetinari, eine Art Fürstbürgermeister von Ankh-Morpork, über den Gebrauch von Drogen sagt: âIch habe keinen besonderen Einwand dagegen, dass Leute Substanzen zu sich nehmen, dank derer sie sich besser oder zufriedener fühlen, oder sie kleine tanzende lila Feen sehen oder möglicherweise sogar ihren Gott. Es ist ihr eigenes Gehirn, und die Gesellschaft hat keine Ansprüche darauf, solange sie in dem Zustand keine Maschinen bedienen.â Lord Vetinari wäre in unserer Kugelwelt möglicherweise ein Freund von Robert Habeck oder wenigstens FDP-Mitglied, aber sicher kein Ministerpräsident in Bayern. Der nämlich erhebt Ansprüche auf die Gehirne bayerischer Bürgerinnen und Bürger. Einerseits halte ich den Hype um die verbürokratisierte grün-gelbe Cannabis-Teillegalisierung für, nun ja, Hype. Die Gesellschaft wird dadurch weder besser noch freier, auch wenn dies Menschen in jenem kleiner werdenden Milieu glauben, in dem man auch 2025 noch einmal Grüne im Bund wählt und das Hanfgesetz für einen wichtigen Schritt auf dem Weg in die Moderne hält. Seltsam übrigens, fast ankh-morporkisch, mutet das Argument an, die Tatsache, dass so viele trotz des bisherigen Cannabis-Verbots gekifft hätten, belege, dass das Verbot nicht funktioniert habe. Dem folgend könnte man überlegen, die Gesetze gegen Diebstahl, Betrug oder Beleidigung auch zu liberalisieren und solche Straftaten nur noch im Umkreis von Schulen zu verbieten, weil ja so häufig gegen diese Gesetze verstoÃen wird. Sie haben also nicht funktioniert. Andererseits steht wegen des Hanfgesetzes auch nicht der Untergang des Abendlandes bevor, zu dem man Bayern durchaus zählen kann, und sei es nur, weil es sich bei Altötting eindeutig nicht um Morgenland handelt. Nun gibt allerdings Markus Söder, der hiesige Lord Vetinari, vor, dass das Abendland bedroht sei. Er tut das nicht etwa, weil er es wirklich glaubt, sondern weil er annimmt, die Mehrzahl der CSU-Wähler könnte das entweder glauben, oder man könnte es sie, wenn man nur häufig genug über das Hanfgesetz schimpft, glauben machen. Wenn Markus Söder das Gefühl hat, es gäbe zu einem bestimmten Zeitpunkt genug Menschen, die etwas nicht gut finden, dann wird er sich an die Spitze nahezu jeder Bewegung setzen, auch wenn sich die Richtung der Bewegung manchmal um 180 Grad ändert â wer vorher Chef des Teams Vorsicht war, wird dann eben Chef des Teams Freiheit. Hauptsache, man bleibt Chef. Jedenfalls darf man in Bayern fast nirgends unüberwacht und an sehr vielen Plätzen nur unter Strafandrohung kiffen. Der Chef, der die Scheibenwelt nicht kennt, wohl aber Darth Vader, will das so. In München, manche werden sich noch erinnern, wurde man zu Lockdown-Zeiten nahezu verhaftet, wenn man allein auf einer Bank im Englischen Garten saÃ. In Zukunft wird man, wenn man allein mit einem Joint auf einer Bank im Englischen Garten sitzt, auch nahezu verhaftet. Die Delikte sind sehr unterschiedlich, der bayerische Weg, mit ihnen umzugehen, allerdings bleibt gleich. Vom Alpenverein kennt man das Motto: Der Weg ist das Ziel. Wäre München Ankh-Morpork, würde über dem Innenministerium stehen: âVia destinatum estâ. Der Innenminister wäre ein Verwandter des Bibliothekars der Unsichtbaren Universität. Und Lord Maggus Vetinari würde in der Zirbelstube der Staatskanzlei lila Feen tanzen lassen. Aber München ist ja nicht Ankh-Morpork. Leider. | |
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| | | | | | | | | | Und was ist mit Cannabis als Parfum? | | Kein Gras auf der Wiesn, in Biergärten und im Englischen Garten - das gibt die bayerische Staatsregierung vor. Damit ist aber noch lange nicht alles geregelt. | | | |
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