Liebe/r Leser/in, der Gewaltexzess von Stuttgart, der Wirecard-Wahnsinn, das spektakuläre BGH-Urteil gegen Facebook – die vergangenen Tage erzählten unglaubliche Geschichten. Wir beleuchten sie in diesem Heft, dieses Editorial möchte ich allerdings mit einer Story aus unserer Redaktion beginnen. Seit dem 13. März arbeiten wir im Homeoffice. Dass der FOCUS monatelang ausschließlich in virtueller Zusammenarbeit, also mit leeren Redaktionsräumen, entstehen könnte, hätte ich vor Corona für kaum möglich gehalten. Von einem Tag auf den anderen zwang meine VirusInfektion jedoch die gesamte Belegschaft zu einer rein digitalen Produktion von zu Hause aus. Eine Software half uns dabei besonders: Sie heißt „Microsoft Teams“, und der Chef dieses Milliarden-Unternehmens, einst gegründet von Bill Gates, war in dieser Woche auf virtueller Deutschlandreise. Er heißt Satya Nadella und bekam vor 14 Tagen gegen Mitternacht eine Mail von meinem Kollegen Jörg Harlan Rohleder. Er fragte den Visionär, ob er ihn exklusiv begleiten und sprechen könne. Er sagte Ja – lesen Sie ein Stück Zukunft ab Seite 48. In den ersten Bundesländern beginnen die Schulferien und damit auf eine Art gefühlt auch dieses so verrückte Jahr 2020 noch einmal neu – die Landkreise Gütersloh und Warendorf gehen dagegen geschlossen in den Lockdown. 19 Städte, sieben Gemeinden auf 2289 Quadratkilometern – 642.778 Einwohner, die mir aufrichtig leidtun! Sie erfahren in diesen Sommertagen, dass Corona kein Virus von gestern ist. Sie erfahren am eigenen Leib, wie fragil die Freiheit nach dem ersten Lockdown in Wahrheit ist. Und wir Deutschen erfahren Entsetzliches über die Arbeitsbedingungen in Fleischfabriken und die Überforderung der Politik, wenn sich einige wenige, wie im Fall des Großmetzgers Clemens Tönnies, nicht an die Regeln halten. Der Ausbruch von Covid-19 im Kreis Gütersloh mit mehr als 1500 Infizierten trifft NRW-Ministerpräsident Armin Laschet besonders hart. Denn der CDU-Politiker hatte früher als viele seiner Ministerpräsidenten-Kollegen für Lockerungen geworben. Im Dezember möchte sich der Aachener zum Vorsitzenden der CDU wählen lassen, mit dem Ziel, im kommenden Jahr als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl zu gehen. Ob Armin Laschet dem Amt gewachsen ist, entscheidet sich gerade in der Region um Gütersloh. Wie Europa durch die Krise kommt, wird das große Thema von Angela Merkel in den nächsten Monaten sein, denn am 1. Juli übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Es beginnt das letzte Kapitel ihrer politischen Biografie. Auch deshalb ist die ewige Kanzlerin (seit 2005) die Titelfigur dieser Ausgabe. Und wie immer Sie, liebe Leserinnen und Leser, oder ich zu Angela Merkel und ihrer Politik stehen – die Mehrheit der Deutschen vertraut ihr, auch im 15. Jahr ihrer Amtszeit. Nach einer Umfrage des Instituts Kantar im Auftrag des FOCUS bewerten mehr als zwei Drittel der Deutschen Merkels Einsatz gegen die Ausbreitung des Virus mit den Noten „gut“ oder „sehr gut“. Diese hohe Zustimmung markiert eine Wende, nachdem die Beliebtheit Merkels seit der Flüchtlingskrise 2015 auf einen Tiefpunkt gesunken war. Auch die Union profitiert von der neuen Popularität: Rund 40 Prozent würden bei einer Bundestagswahl derzeit CDU und CSU wählen. Ich glaube, dieses Comeback ist darauf zurückzuführen, dass die Bundesregierung unser Land bislang ganz erfolgreich durch die Pandemie gelenkt hat. Und auch wenn wir von den Geschehnissen in Gütersloh schockiert sind und eine zweite Corona-Welle jederzeit möglich ist: Im Gegensatz zu anderen Nationen sind uns die hohen Opferzahlen und ein Zusammenbruch des Gesundheitssystems erspart geblieben, genauso wie ein Hundert-Prozent-Lockdown mit wochenlangen Ausgangssperren wie in Spanien oder Italien. Deshalb wird Deutschland wohl als eines der ersten Länder wieder gewohnte Kräfte erreichen und wirtschaftlich boomen. Bundesbankpräsident Jens Weidmann sieht bereits das Schlimmste überstanden: „Der Tiefpunkt dürfte hinter uns liegen.“ In der Tat, die Stimmung in den Chefetagen hat sich im Juni von ihrem Einbruch erholt. Der Geschäftsklimaindex kletterte auf 86,2 Zähler – „der stärkste jemals gemessene Anstieg“, sagt der Präsident des Ifo-Instituts Clemens Fuest. Für diese positive Stimmung steht exemplarisch die Initiative #AufbruchZukunft von Hubert Burda Media, die ich Ihnen in den vergangenen Wochen an dieser Stelle bereits vorgestellt habe, weil sie mir am Herzen liegt. Es gibt Tausende Unternehmen in Deutschland, die genau in diesen Tagen unsere Wirtschaft retten und neu denken, die frische Ideen und Geschäftsmodelle für die Zeit nach der Pandemie entwickeln. Wie Sie wissen, hat FOCUS vor einigen Wochen den neuen Innovationspreis „Ideen, die bewegen“ ins Leben gerufen, der mit insgesamt einer Million Euro dotiert ist. Mit dem Preis wollen wir innovative Gründer und Unternehmer auszeichnen, die für den Aufbruch während bzw. nach der Corona-Krise stehen. Zahlreiche Bewerbungen sind bereits bei uns eingegangen, zum Beispiel die von Julian Teicke. Der Chef des Start-ups Wefox möchte Internetnutzern die Hoheit über ihre Daten zurückgeben. Teicke hat dafür eine Stiftung gegründet, die eine App entwickeln soll, mit der User ihre Daten kontrolliert an Unternehmen weitergeben und damit sogar Geld verdienen können. Haben auch Sie eine vielversprechende Idee oder entwickeln Sie gerade ein neues Geschäftsmodell? Bewerben Sie sich unter www.focus-innovationspreis.de. Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge! |