Mein Problem dabei: Sobald Jahresausblicke in der Vergangenheit konkret wurden, waren sie meistens falsch. Und zwar sehr falsch. Insbesondere solche Auguren, die Prognosen für den Punktestand großer Aktienindizes am Ende des kommenden Jahres abgeben, verfehlen regelmäßig den Zielbereich derart weit, dass es fast schon beschämend ist. Der viel zitierte Affe, der einen Pfeil auf eine mit verschiedenen Punkteständen bestückte Dart-Scheibe wirft, würde in den meisten Fällen wohl besser abschneiden. Ich werde also an dieser Stelle einen Teufel tun, ein konkretes Kursziel für DAX und Co. abzugeben. Um es ganz deutlich zu sagen: Kurzfristige Gesamtmarktprognosen sind sinnlos, egal um welchen Markt es sich handelt. Allerdings gibt es einen Indikator, der in der Vergangenheit eine exzellente Trefferquote bei Langfrist-Renditeprognosen (auf Sicht von zehn bis 15 Jahren) gehabt hat. Den wollen wir uns heute mal näher anschauen. Betrachten Sie längere Zeiträume Es handelt sich um das zyklisch adjustierte KGV nach Shiller (in den USA CAPE genannt für Cyclically Adjusted Price Earnings; in Deutschland auch Shiller-KGV oder KGV10). Für Geldanlage-Report-Leser ist diese Kennzahl alles andere als neu. Ich habe in der Vergangenheit schon öfters darüber geschrieben, z.B. hier, hier oder auch hier. (Zu unserer Schande muss ich hier auf externe Portale verlinken, weil wir aus rechtlichen Gründen unser eigenes Archiv nicht mehr online haben). Nochmal kurz zur Wiederholung, um was es beim Shiller-KGV geht. Fast alle von Ihnen dürften das KGV kennen, das Kurs-Gewinn-Verhältnis, das anzeigt mit dem Wievielfachen des jährlichen Nettogewinns eine Aktie bzw. ein Unternehmen derzeit an der Börse bewertet wird. Je niedriger das KGV, umso günstig und damit - zumindest theoretisch - auch attraktiver bewertet ist eine Aktie. Nun kann man dieses KGV natürlich auch für einen Aktienindex errechnen, z.B. für den S&P 500 in den USA. Man nimmt hierfür einfach die Gesamtmarktkapitalisierung aller enthaltenen Unternehmen und teilt diese durch den Gesamtnettogewinn, den diese Firmen im betreffenden Jahr erzielt haben. Auch hier gilt theoretisch: Je niedriger dieses KGV ausfällt, je günstiger und damit attraktiver bewertet, ist der betreffende Index. Leider ist das aber nur theoretisch richtig: Tatsächlich ist es so, dass die Unternehmensgewinne von Jahr zu Jahr derart extrem schwanken (können), dass dieses simple Markt-KGV keinerlei Aussagekraft für die künftig in diesem Markt erzielbare Rendite hat - und zwar weder für das kommende Jahr noch für die kommenden zehn oder 15 Jahre. Wenn Sie also z.B. im Internet lesen, dass der S&P 500 auf Basis der Konsensschätzungen für 2017 ein KGV von 16,8 hat (ich verzichte jetzt mal auf den Link zu der Seite, auf der ich diesen Wert gefunden habe), können Sie das einfach ignorieren. Die Aussagekraft einer solchen Angabe ist gleich null. Der US-Professor, Wirtschaftsnobelpreisträger und Bestsellerautor Robert Shiller (und einige andere auch) haben diesen angeblichen Zusammenhang zwischen aktuellem Markt-KGV (oder gar den Schätzungen für das Markt-KGV des kommenden Jahres) und zukünftiger Rendite nämlich für die vergangenen rund 200 Jahre am US-Aktienmarkt untersucht und keinerlei Zusammenhang gefunden. Das heißt, egal ob das aktuelle Markt-KGV bei 45 oder bei 5 liegt, für die zukünftige Entwicklung des betreffenden Index lassen sich daraus keine Rückschlüsse ziehen. Der Grund dafür sind die zyklischen Schwankungen der Konjunktur, die so stark ausfallen können, dass die Unternehmensgewinne im Extremfall von einem Rekordwert in einem Jahr zu einem Verlust im nächsten Jahr führen können. Das hat sich am deutlichsten bei der Finanzkrise 2009 gezeigt, als die Gewinne der im S&P 500 gelisteten Firmen im zweiten Quartal sogar negativ geworden waren (was u.a. mit den Milliardenabschreibungen und den daraus resultierenden Verlusten der Banken zu tun hatte). In den Quartalen davor und danach war das Markt-KGV aus dem gleichen Grund extrem hoch. Nach der obigen Logik hätte man also zu der Zeit keinesfalls Aktien kaufen sollen. Tatsächlich war es aber ja in der Praxis, das die meisten Aktienmärkte weltweit in dieser Phase ihre Tiefs ausgebildet haben (auch der S&P 500 und im übrigen auch der DAX), also genau da der richtige Zeitpunkt für einen Einstieg gewesen wäre. Also hat Shiller hat getestet, was passiert, wenn man versucht, diese zyklischen Schwankungen zu glätten. Sein Ansatz: Man ermittelt das Markt-KGV nicht auf Basis der Unternehmensgewinne in den zurückliegenden vier Quartalen (oder des erwarteten Gewinns im kommenden Jahr o.ä.), sondern man zieht die durchschnittlichen Unternehmensgewinne der letzten zehn Jahre heran und vergleicht diese mit der Gesamtmarktkapitalisierung. Zyklische Schwankungen sollten so keine Rolle mehr spielen. Dieser Ansatz erwies sich als Durchbruch: Es stellte sich heraus, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Höhe des zyklisch adjustierten KGVs eines Marktes und der zukünftig in diesem Markt erzielbaren Rendite gibt. Norbert Keimling von der StarCapital AG hat diesen Zusammenhang auch für andere, internationale Aktienmärkte gefunden. Hier die zentrale Graphik: Quelle: staticseekingalpha Sie ist folgendermaßen zu interpretieren: Jeder Punkt auf der Graphik stellt das zyklisch adjustierte KGV eines nationalen Marktes in einem bestimmten Jahr dar. Auf der x-Achse können Sie das zyklisch adjustierte KGV ablesen, das der betreffende Markt in diesem Jahr hatte und auf der y-Achse die Rendite, die mit Aktien aus dem betreffenden nationalen Aktienmarkt in den darauf folgenden zehn bis 15 Jahren erzielt werden konnte. Die eingezeichnete schwarze Kurve gibt eine Art Mittelwert wider. Für alle Märkte entsteht dabei ein ähnliches Bild: Je niedriger das zyklisch adjustierte KGV im Jahr X umso höher ist die durchschnittliche Rendite, die sich in den kommenden zehn bis 15 Jahren erzielen lässt - und umgekehrt. Das heißt prinzipiell gilt für uns als Anleger: Wir sollten in solche nationalen Aktienmärkte investieren, die aktuell sehr niedrige zyklisch adjustierte KGVs haben und solche nationalen Aktienmärkte meiden, die sehr hohe zyklisch adjustierte KGVs haben. Wie sieht das nun aktuell in der Praxis aus. Auf dem Blog von Meb Faber, dem CIO von Cambria Investment Management, habe ich diesen Überblick gefunden: Quelle Die Werte basieren auf dem Stichtag 30.09.2016 (Ende drittes Quartal) und geben nicht die reine CAPE-Ratio wider, sondern eine Mischung aus zyklisch adjustiertem KGV (CAPE), Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV), Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV) und der Dividenden-Rendite wider. Faber hält diese Kombination aus verschiedenen Gründen für internationale Märkte für noch aussagekräftiger. Die dahinter stehende Idee ist aber die gleiche. Auffällig sind die extremen Unterschiede bei den Bewertungen. Teilweise relativieren die sich dadurch, dass bestimmte (kleinere) Märkte sehr von einzelnen, großen Unternehmen aus bestimmten Bereichen geprägt sind. In Dänemark beispielsweise sind im OMX Copenhagen 20 Firmen aus Wachstumsbranchen wie z.B. Biotechnologie, Pharma und Windkraft hoch gewichtet, weshalb ein gewisser Bewertungsaufschlag gerechtfertigt ist. Trotzdem bleiben selbst dann sehr hohe Bewertungsdifferenzen. Prinzipiell lässt sich gut erkennen, dass die Bewertungsniveaus in Märkten aus Ländern und in Regionen, die derzeit mit Krisen zu kämpfen haben, besonders niedrig sind, beispielsweise in Südeuropa, Osteuropa oder auch Brasilien und der Türkei. Genau diese Länder sollten Sie als Anleger also übergewichten. Deutschland liegt derzeit auf Platz 26 von 43, ist also teurer als der Durchschnitt. Sehr teuer ist u.a. auch die USA. Zwar gilt auch für die Vereinigten Staaten, dass ein gewisser Bewertungsaufschlag auf Grund der Struktur des Marktes (im S&P 500 befinden sich viele hoch gewichtete Wachstumsunternehmen wie Alphabet (ehemals Google), Amazon oder Facebook) gerechtfertigt ist, aber sicher nicht in diesem Umfang. Selbst wenn man das reine zyklisch adjustierte KGV nimmt, das mit derzeit 28,1 deutlich niedriger ist als der obige Wert von 42, lässt sich daraus eine implizierte jährliche zukünftige Rendite für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre von minus(!) 1,1 Prozent ableiten. Das zyklisch adjustierte KGV nach Shiller liegt derzeit satte 68 Prozent über seinem historischen Durchschnittswert von 16,7. Noch höher lag es nur 1929 (unmittelbar vor dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise) und 1997-2001 während der inzwischen berühmt gewordenen Internet-Spekulationsblase. Beides Mal folgten in den Jahren danach verheerende Kursverluste. Funktioniert das Shiller-KGV nicht mehr? Bei genauerer Betrachtung fällt freilich auf, dass das zyklisch adjustierte KGV nach Shiller im S&P 500 bereits seit Anfang der 90er-Jahre oberhalb dieses historischen Durchschnitts von 16,7 liegt (mit nur einer kurzen Unterbrechung während der Krisenjahre 2008/2009). Kritiker werfen daher ein, dass ein Anleger, der auf das Shiller-KGV achtet und beispielsweise nur in Zeiträumen investiert ist, in denen die Kennzahl unterhalb des Durchschnittswerts liegt, den gigantischen Bullenmarkt der 90er-Jahre quasi komplett verpasst hat. Darauf geht Faber in diesem Artikel ein. Er gibt darin zu, dass Anleger, die nach der oben beschriebenen simplen Strategie investiert haben, im US-Markt 780 Prozent an Performance haben liegen lassen, wenn sie Ende 1992 ausgestiegen sind als das Shiller-KGV auf 20 gestiegen war. Von 1993 bis Oktober 2016 haben US-Aktien im Durchschnitt neun Prozent Rendite pro Jahr erbracht - und das obwohl sie 1993 bereits überdurchschnittlich hoch bewertet waren. Faber führt das auf eine seltene Anomalie zurück. Auch in der Vergangenheit habe es solche einzelnen Ausreißer nach oben immer wieder gegeben. Trotzdem seien sie sehr unwahrscheinlich bzw. selten. Anleger, die investiert geblieben seien, hätten zwar tatsächlich diese hohen Renditen erzielt. Das sei aber einfach großes Glück gewesen. Er vergleicht das mit einem Tourist, der in Las Vegas im Casino Black Jack spielt, bereits 19 auf der Hand hat, sich trotzdem noch eine zusätzliche Karte geben lässt und tatsächlich eine 2 zieht. In diesem Fall gewinnt er zwar das Spiel, trotzdem hatte er nüchtern betrachtet durch diese Aktion sein Chance-Risiko-Verhältnis aber trotzdem massiv verschlechtert, nämlich von einer Gewinnchance von ca. 70 Prozent auf fast null. Dieses Beispiel dürfte freilich Kritiker, die ohnehin nicht an die Aussagekraft des zyklisch adjustierten KGVs glauben, auch nicht überzeugen. Sehr einleuchtend ist aber die Gegenrechnung, die Faber aufmacht. Die Frage ist ja, was die Anleger stattdessen mit ihrem Geld gemacht haben, wenn sie es nicht in Aktien aus dem S&P 500 investiert haben. Hier hat er beispielsweise errechnet, dass Anleger, die in 10-jährige oder 30-jährige US-Staatsanleihen investiert haben, ebenfalls eine sehr ansehnliche Rendite erzielen konnten. Diese liegt im Falle der 30jährigen Staatsanleihen sogar gar nicht so weit unterhalb der des S&P 500. Betrachtet man das ganze risikoadjustiert (Sharp-Ratio) lagen beide Strategien sogar in etwa gleich auf: Quelle Der Hintergrund: In den letzten 20 Jahren haben unter dem Strich nicht nur die Aktienmärkte sondern auch die Anleihenmärkte sehr gut performt. Noch beeindruckender ist aber ein anderer Vergleich: Was, wenn die Anleger, die 1993 aus dem S&P 500 ausgestiegen sind, stattdessen in die 25 Prozent der am niedrigsten bewerteten weltweiten Aktienmärkte auf Basis des Shiller-KGVs investiert hätten (heute wären das Tschechien, Portugal, Russland, Italien, Polen, Spanien, Brasilien, Ägypten, die Türkei, Österreich und Norwegen)? Hier das Ergebnis (rote Linie): Quelle Sie hätten damit tatsächlich den S&P 500 noch um vier Prozent per anno geschlagen und unter dem Strich eine Rendite von 2.521 Prozent eingefahren statt den 781 Prozent, die mit dem S&P 500 möglich waren: Quelle MEIN FAZIT: Ich kann Ihnen nicht sagen, welche Aktienmärkte im kommenden Jahr besonders gut oder besonders schlecht performen werden. Entsprechend habe ich auch keine Ahnung, wo der DAX oder der Dow Jones oder der S&P 500 Ende 2017 stehen werden. Das kann niemand. Was man unter Zuhilfenahme des zyklisch adjustierten KGVs nach Shiller aber mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen kann ist, welche Aktienmärkte in den kommenden zehn bis 15 Jahren eher gut und welche eher schlecht performen werden. Die höchsten Renditen sind für die Märkte zu erwarten, die sich derzeit in Krisensituationen befinden, z.B. Tschechien, Portugal, Russland, Italien, Polen, Spanien, Brasilien, Ägypten, die Türkei, Österreich und Norwegen. Eine sehr niedrige oder sogar negative Rendite ist für US-Aktien zu befürchten. Deutschland dürfte im hinteren Mittelfeld liegen. Auf keinen Fall glauben schenken sollten Sie den Marktauguren, die einfach die gute Performance von US-Aktien in den letzten Jahren in die Zukunft fortschreiben und von Renditen von neun Prozent per anno und mehr ausgehen. Diese Anleger könnten in den kommenden Jahren ein böses Erwachen erleben. Insbesondere aufpassen sollten Anleger, die in Wachstumswerte investieren. Denn in den letzten acht bis zehn Jahren haben Wachstumswerte Valueaktien massiv outperformt. Die Geschichte zeigt aber, dass über lange Zeiträume hinweg Valueaktien die klar bessere Rendite erbracht haben. Eine so lange Überrendite-Phase für Wachstumsaktien im Vergleich zu Value-Aktien ist historisch einmalig. Umso heftiger könnte das Pendel in den kommenden Jahren in die andere Richtung ausschlagen. Eine Tendenz in diese Richtung gibt es, u.a. mit dem Comeback von Rohstoffen, in den letzten Monaten bereits. Welche Produkte und Aktien Sie konkret kaufen sollten, um in einem solchen Marktumfeld erfolgreich zu sein, erfahren Sie in meinem Premium-Brief Trend-Trader (www.trend-trader.de), in dem ich künftig den Fokus bei der Aktienauswahl noch stärker auf eine Kombination aus Trend und Value legen werde. Darüber hinaus stelle ich Ihnen darin auch die interessantesten ETFs vor mit denen Sie leicht die oben genannten Länder abdecken können, ohne dabei das Risiko von Investments in Einzelwerten aus diesen Regionen eingehen zu müssen. Hinweispflicht nach §34b WpHG: Die Geldanlage-Report-Redaktion ist in den genannten Wertpapieren / Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels nicht investiert. Es liegt daher kein Interessenskonflikt vor. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar. |