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| | | | | Guten Tag, an diesem Samstag werde ich an meine GroÃmutter denken, die vor genau hundert Jahren, am 18. April 1920, auf einem preuÃischen Gutshof zur Welt kam und eine treue, durchaus kritische, aber meist enthusiastische Leserin der Süddeutschen Zeitung war. Sie trug den schönen Vornamen Marie Alexandrine. Das Schicksal, man könnte auch etwas weniger pathetisch sagen, der Zufall hatte sie nach dem Krieg nach Allensbach am Bodensee verschlagen, wo sie als Alleinerziehende meinen Onkel und meine Mutter groÃzog und dann, als die Enkelkinder da waren, ein Mittelpunkt der Familie blieb. In meiner Erinnerung sitzt meine Oma, die bestens informierte Marie Alexandrine, auf dem Sofa oder im Garten ihrer Wohnung am See und fragt mich mit diesem leicht schelmischen Blick: Na, was hast du denn Lustiges erlebt? Sie mochte vor allem die heiteren Geschichten hören, sehr gerne auch Geschichten aus ihrer Lieblingszeitung, der SZ. Sie schätzte das Streiflicht, das Feuilleton, die politischen Porträts auf der Seite Drei, die Wochenend-Beilage und alles intelligent Vermischte, und was sie besonders liebte: Wenn eine Autorin oder ein Autor eher mit einem Augenzwinkern statt einem Stirnrunzeln schrieb. Wenn sie lachen konnte, dann lachte sie aus ganzem Herzen, auch über ihre eigenen Geschichten aus einem nicht ganz undramatischen Leben, das auch ein Stück deutsche Geschichte war. In den letzten beiden Jahren, sie starb mit 92, lieà zu ihrem groÃen Bedauern ihre Sehkraft sehr nach, trotz Lupe konnte sie die SZ nicht mehr lesen. Deshalb las ich ihr manchmal besondere Artikel am Telefon vor. Schade, dass es damals noch keine Podcasts gab, meine Oma wäre der allergröÃte Fan gewesen, und sie hätte mit Sicherheit regelmäÃig dem Schauspieler Axel Milberg gelauscht, der gerade auf seinem âliterarischen Balkonâ für die SZ Romane und Kurzgeschichten lebendig werden lässt. Eine wahre Freude, in diesen Zeiten. Was hätte meine GroÃmutter wohl an diesem Wochenende in der Süddeutschen gerne gelesen, oder vielmehr: Welche Geschichten hätte ich ihr vorgelesen? Auf jeden Fall die Seite Drei meiner Kollegin Julia Huber über die Familie Gabelsberger, die als Spargelbauern nun sehen müssen, wie sie ohne ihre bewährten Saisonarbeiter aus Osteuropa die Ernte aus dem Boden bekommen. Die neuen âSpitzenkräfteâ, die jetzt als Erntehelfer einspringen, kommen teilweise von der Uni, manche arbeiten aus Solidarität, andere, um in der Krise noch die Miete zahlen zu können. In diesen Zeiten ist Improvisationstalent gefragt, so wie bei der Familie Gabelsberger in Abensberg: Spargelstechen ist durchaus ein Handwerk, für das man Fingerspitzengefühl braucht, vor allem aber Ausdauer â und dann darf man sich bei der Arbeit noch den einen oder anderen Spruch anhören. Hätte meiner preuÃischen GroÃmutter in ihrer zweiten Heimat am Bodensee gut gefallen, sie mochte Spargel sehr, am liebsten mit viel Butter und den guten Kartoffeln von der Insel Reichenau. Vorgelesen hätte ich ihr auch den Essay von Christina Berndt aus dem Gesellschaftsteil. Ihr regelmäÃiger Schlaf war ihr heilig, deshalb ging meine Oma immer nach den Tagesthemen ins Bett, auf die âgeruhsame Nachtâ hoffend, die ihr Ulrich Wickert gewünscht hatte. Christina Berndt schildert in ihrem Text âAb ins Bettâ, warum es den Menschen heute so schwerfällt, zur Ruhe zu kommen und wie man zufriedener und gesünder lebt, indem man sich etwas mehr Schlaf gönnt â am besten ohne blinkende Geräte, auf denen die neuesten amerikanischen Serien laufen. Und selbstverständlich hätte ich ihr keineswegs das Interview mit dem Filmemacher und Autor Alexander Kluge vorenthalten, das unser Feuilleton-Redakteur Lothar Müller geführt hat. Bei Kluge geht es um vieles, was die Generation meiner GroÃmutter sehr bewegt hat: Um die Kriegsjahre und den Frühling 1945 kurz vor der Kapitulation, als der Himmel voller Flieger war und die Menschen komplett am Boden. Weil Kluge ein origineller Denker ist, beantwortet er auch die Frage, ob man mit Viren eigentlich eine Art Frieden schlieÃen kann und wie man eine Gesellschaft wieder repariert. Dieses Gespräch, bei dem von der Oper bis zum Kasperletheater mit Donald Trump vieles zur Sprache kommt, glänzt auf so vielen Ebenen â das muss man sich selbst vorlesen, wenn gerade keine GroÃmutter da ist. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und genug Ruhe, um sich bestens unterhalten zu lassen. Christian Mayer Christian Mayer Ressortleiter, Gesellschaft+Wochenende
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| | | | | | | neu | | Der SZ-Magazin-Podcast | | Unter dem Titel "Freie Radikale" schrieb Teresa Bücker im SZ-Magazin ihre Kolumne über bessere Ideen für unsere Gesellschaft. Für jene Fragen, die offen geblieben sind, gibt es jetzt den Gesprächspodcast mit der Autorin. Jeden Donnerstag gibt es eine neue Folge auf SZ-Magazin.de, in Spotify, iTunes und allen gängigen Podcast-Apps. | | |
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