Vom Über-Mobilismus zur Schleife der Wahrheit Mobilität scheint ein wunderbar einfacher Megatrend zu sein: Alle bewegen sich immer mehr, in fast allen Lebensbereichen – Urlaub, Freizeit, Alltag, Reisen. Wir sind „immer mehr unterwegs“, auch im planetaren Maßstab. Dort allerdings nicht immer als freie Wahl: Die größten Mobilitätsströme sind Flüchtlingsströme. Den stärksten planetaren Migrationsschub lösten jene 500 Millionen Chinesinnen und Chinesen aus, die in den vergangenen 15 Jahren vom Land in die Städte zogen. Im Megatrend Mobilität steckt auch der Kult der ständigen Bewegung und Beschleunigung, wie ihn die italienischen Futuristen schon vor 100 Jahren betrieben: Die „rasende Revolution“ sollte das Ständige und Stehende überwinden. Auch Zukunftsbilder handeln fast immer von Beschleunigungen: Raketen, fliegende Autos, Reisen ins All. Die Pandemie und ihre Nachwirkungen haben uns nun auf paradoxe Weise die Grenzen dieser Linearität des Mehr vor Augen geführt. Plötzlich, im Stillstand, wurde uns klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Das leere Venedig erzählte die Geschichte des Overtourism. Die stillstehenden Flughäfen wiesen uns darauf hin, dass unsere Mobilität längst zur Hypermobilität geworden ist. Zu einer Mobilität des Stillstands. Wenn alle Menschen reisen, stehen alle im Stau – oder verzweifeln im Chaos der überfüllten Flughäfen, wie im Sommer 2022. Daraus entsteht ein gewaltiger gesellschaftlicher Konflikt um die Zukunft der Mobilität, verschärft noch durch die Klimakrise. Ausgetragen wird er heute immer noch sehr stark auf technischem Terrain, etwa in der Frage des Antriebsstrangs von Autos oder in graduellen technischen Veränderungen von Flugzeugen. Zunehmend greift der Konflikt aber auch ins Gesellschaftliche über. So entwickelt sich zum Beispiel in der Stadtplanung eine neue, autobefreite Stadt-Evolution. |