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MOOVE-Letter, Jochen Knecht
 

14.Dezember 2018, 16:49 Uhr

 
 

Manches wollen wir, manches nicht…

 
Start-ups in der Mobilitätsszene, Volocopter
 

Chefredakteurin Birgit Priemer über bisweilen fragwürdige Mobilitätskonzepte, etwa in Form zunehmender Flugbewegungen am Himmel – sei es in Form von Drohnen oder Flugtaxis.

 
 
 

Nachdenken. Gut nachdenken!
Die Mobilität der Zukunft verschafft uns die unterschiedlichsten neuen Transportmittel: Robotaxis, E-Scooter, Lastenfahrräder, Ridehailing- und Carsharing-Konzepte – oder, weltweit in immer größerem Umfang, auch in Form von Drohnen und Lufttaxis.

 

Klar, es gibt immer mehr Menschen auf dieser Welt, Platz wird ein immer kostbareres Gut. Deshalb macht es viel Sinn, über Alternativen nachzudenken. Und zwar gut nachzudenken, schließlich haben neue Konzepte, selbst wenn die Idee noch so gut klingt, auch ihre Folgen. Beispiel Uber. Rund 80 000 Autos des Fahrvermittlungsdienstes in New York sorgen dafür, dass die Menschen den öffentlichen Nahverkehr zunehmend ignorieren und sich lieber in ein entsprechendes Taxi setzen – mit der Folge, dass der Verkehr in Manhattan und Co noch dichter wird als er eh schon ist. Macht das Sinn? Nicht wirklich.

 

Auch am Himmel dürfte es künftig enger zugehen. Es gibt immer mehr Konzepte für autonome Flugdrohnen – beispielsweise in Form des Volocopters, der bereits Ende September 2017 mit dem Modell X2 eine fünfjährige Testphase gestartet hat. „Wir wollen unseren Volocopter auch Privatpersonen anbieten. Jeder sollte die Möglichkeit haben, damit zu fliegen“, erklärt Co-Founder der Volocopter GmbH, Alexander Zosel auf dem diesjährigen auto motor und sport-Kongress zur Mobilität der Zukunft.

 
Volocopter Alexander Zosel
 

Die Vorteile der Drohnenfliegerei
Das vollelektrische, in diesem Fall bemannte Fortbewegungsmittel könnte viele Einsatzmöglichkeiten haben: Aus Sicht des ADAC zum Beispiel als Alternative zu Rettungseinsätzen von Helikoptern. 500 000 Euro investiert der Club in eine Machbarkeitsstudie, die über eineinhalb Jahre gehen soll. Dadurch wollen die Rettungshelfer herausfinden, ob sie bestimmte Unfallstellen, die besonders in den Bergen oft schwer erreichbar sind, schneller anfliegen können. Keine Frage: Alle Konzepte, die helfen könnten, Menschenleben zu retten, verdienen Respekt.

 
ADAC Volocopter Drohne Rettungseinsatz
 

Drohnen machen auch dann Sinn, wenn sie helfen, den Verkehr zu entlasten – zum Beispiel auf Werksgelände. Zulieferer ZF beispielsweise hat mittlerweile die behördliche Genehmigung für automatisierte Drohnenflüge auf dem Werksgelände erhalten. Ein Prototyp fliegt Ersatzteile wie Sensoren und Steuerkarten vom Zentrallager zu dezentralen Werkstätten. Warum auch extra ein Auto mit Verbrennungsmotor einwerfen, wenn die meisten Ersatzteile weniger als zwei Kilogramm wiegen, per Drohne also leicht zu transportieren sind – und es stört nicht den öffentlichen Flugverkehr. Der Himmel bleibt quasi unberührt.

 
Drohne ZF werksgelände Warentransport
 

Fragwürdiger wird die Sache schon, wenn Drohnen für den Transport von Alltagsgütern wie Lebensmittel, Blumensträuße und Fertigpizza genutzt werden – es bleibt schließlich das Risiko von Abstürzen oder auch Zusammenstößen. Besonders bei der Nutzung von Privatpersonen beobachtet die Polizei immer häufiger gefährliche Situationen. Letztes Jahr gab es in Deutschland 70 brenzlige Begegnungen von Drohnen mit Flugzeugen oder Helikoptern – doppelt so viele wie im Jahr zuvor.

 

Füße oder Fahrrad, statt Drohnen?
Und ganz ehrlich – kann man für solche Alltagswege nicht lieber das Fahrrad nutzen oder zu Fuß gehen? In arabischen Metropolen wie Dubai, wo es zugegebenermaßen extrem heiß werden kann, sicher nicht. Die Roads and Transport Authority (RTA) möchte bis zum Jahr 2030 ein Viertel aller Reisenden in autonomen Vehikeln durch die Vereinigten Arabischen Emirate transportieren – sowohl auf dem Boden als auch in der Luft. Das Bruchsaler Unternehmen Volocopter ist da ganz vorne mit dabei – und versteht sich mittlerweile als eine Art Uber der Lüfte. Das Lufttaxi, so die Vision der Firmengründer, soll dabei kein Transportmittel der Elite sein. 10 000 Fluggäste könnten täglich auf einer einzigen Punkt-zu-Punkt-Verbindung gefördert werden.

 

Aber was ersetzen wir durch die hektischen Aktivitäten am Himmel? Den Bus? Die Bahn? Möglicherweise Seilbahnen, die geräuschlos und umweltfreundlich auch viele Passagiere transportieren, wie wir in südamerikanischen Städten wie Bogota bereits gut beobachten können?

 

Neue Mobilitätskonzepte machen Sinn, wenn sie für saubere Luft sorgen und helfen, viele Menschen umweltfreundlich und platzsparend zu transportieren. Und natürlich, wenn sie Menschenleben retten. Insofern macht das ADAC-Projekt genauso Sinn, wie der Einsatz im gewerblichen Bereich auf Betriebsgeländen. Keinen Sinn machen sie, wenn sie zu Hunderten am Himmel hängen und dabei noch den offiziellen Flugverkehr stören. Den Mythos neuer Mobilitätskonzepte müssen wir täglich kritisch hinterfragen – und auf Sinnhaftigkeit überprüfen. Sonst kommen wir vom Regen in die Traufe – mit dem Nachteil, dass wir nicht einmal mehr ungestört den blauen Himmel genießen können.

 
 
 

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