| Willkommen zum Chefredakteurs-Newsletter! Im Browser öffnen. | | | | 9.November 2018, 11:00 Uhr | | | Thema der Woche: Autonomes Fahren | | | | Die Vorstellung, dass Autos künftig ohne Fahrer durch unsere Straßen rollen und ständig Fahrgäste durch die Gegend fahren, statt nutzlos am Straßenrand zu stehen, beflügelt die Fantasie von Zukunftsforschern, Stadtplanern, Autobauern und Startup-Gründern. Vor allem in Deutschland trifft diese Idee der Zukunft aber auch auf eine gehörige Portion Skepsis. Müssen wir uns wirklich fürchten? | | Birgit Primer über: Pure Fakten | | Menschen sind Gewohnheitstiere. Deshalb akzeptieren sie mehr oder weniger klaglos, dass auf der ganzen Welt pro Jahr 1,25 Millionen Menschen durch Verkehrsunfälle ums Leben kommen. 95 Prozent davon durch menschliches Versagen. Massenunfälle mit vielen Toten und Verletzten auf Autobahnen produzieren weniger Schlagzeilen, als ein autonom fahrendes Uber-Modell, das einen Crash produziert, bei dem ein Mensch stirbt – so tragisch auch jeder Einzelfall ist: Menschen können Menschen verzeihen. Robotern nicht. Das ist verständlich, aber auf Dauer rein sachlich nicht logisch. Wenn das autonome Fahren funktioniert, können etwa 95 Prozent der Verkehrsunfälle verhindert werden. Macht weit über eine Millionen Tote weniger. | | Birgit Priemer über: Puren Spaß | | | | Wer schon einmal mit einem autonom fahrenden Auto wie dem Audi A7 piloted driving concept mitfahren durfte, der durchlebt eine ganze Palette von Gefühlen – speziell, wenn es auf einer Rennstrecke auch noch richtig schnell voran geht. Das Auto trägt die Verantwortung, selbst wenn aus Sicherheitsgründen noch jemand am Steuer sitzt. Würden Bobby oder Jack (so die Namen der Audi-Prototypen) nicht rechtzeitig vor der Kurve abbremsen, dann gäbe es kein Entrinnen mehr. Locker machen, tief Luft holen, Treiben lassen. Bei Lichte betrachtet ist es wie eine Fahrt auf der Achterbahn – auch da gibt der Mensch beim Zustieg die Kontrolle ab. Und beides macht – genau: Richtig Spaß! | | Birgit Priemer über: Pure Geschäfte | | Was ist es eigentlich, was so viele neue Player wie Didi, Uber oder auch Zulieferer wie Continental, ZF und Bosch in das neue Geschäft der Robotaxis investieren lässt? Klar – Geld! Wer ein Auto nicht mehr selbst steuern muss, hat viel Zeit, andere Dinge zu tun. Im Internet surfen, bei Amazon bestellen, neue digitale Abos abschließen, Klamotten shoppen und, und, und. Die Fahrt in einem autonom fahrenden Shuttle kostet zehn bis 20 Cent pro Kilometer. Kunden sind aber laut der Beratungsgesellschaft MHP bereit, bis zu 50 Cent pro Kilometer zu zahlen. Die Differenz gilt es nun zu monetarisieren. Das ruft viele Player auf den Plan. | | Birgit Priemer über: Pure Einsparmöglichkeiten: | | | | Autonom fahrende Autos sparen teure Taxifahrten. Krankenkassen wie die AOK geben um die 50 Millionen Euro im Jahr für bemannte Taxifahrten aus, damit ihre Versicherten Arztpraxen oder Krankenhäuser erreichen können. Auch diese Ausgaben könnten drastisch reduziert werden. Im Angesicht des sich abzeichnenden Ärztemangels auf dem Land könnten die kleinen Kapseln zu rollenden Sprechzimmern werden, wo Arzthelferinnen an bestimmten Plätzen schon mal Rezepte ausgeben – für Gehbehinderte leicht zu erreichen. Gerade für die boomende Gesundheitsbranche zeichnen sich hier viele neue Möglichkeiten ab. Angst vor dem Roboter? Nein danke! By the way: Roboter können mittlerweile 3D-Implantate bei Menschen einsetzen – ohne das es dabei Probleme gab. | | PS: | | Viele klassische Autohersteller wie Mercedes, BMW, aber auch Honda und Toyota arbeiten an beidem: Reinen Robotaxis ohne Lenkrad, aber auch klassischen Automodellen, bei denen der Fahrer selbst entscheidet, wer das Steuer übernimmt. 2035 soll der Anteil autonomer Fahrzeuge gemessen an der Gesamtflotte in Deutschland bei 17 bis maximal 42 Prozent liegen. Es bleibt also genug Platz für verantwortungsbewusste Autofahrer, die das Steuer nicht aus der Hand geben wollen. Das ist natürlich ihr gutes Recht. | | | | Jochen Knecht über: Illusionen | | Panik vor der autonomen Zukunft? Muss sicher niemand haben. Respekt aber schon. Und wahrscheinlich fahren wir alle mit einer soliden Skepsis am besten. Warum? Weil es einfach zu verlockend ist, sich von dem mitreißen zu lassen, was Ingenieure, Entwickler, Stadtplaner und Startup-Grüner aus ihren autonomen Hüten zaubern. Autos, die von künstlicher Intelligenz gesteuert, schneller, komfortabler und sicherer ihr Ziel finden, als es heute möglich ist. Technologie, die den Menschen die Zeit zurückgibt, die sie heute im Pendlerstau verbringen. Zack, rosarote Wölkchen, her mit der Zukunft. Wenn’s denn mal so einfach wäre. | | Jochen Knecht über: Das Ende des ÖPNV | | | | Denn auch wenn ich Fan der Technologie bin, die rund ums autonome Fahren entwickelt, erfunden und verknüpft wird, muss ich deutlich auf die Euphoriebremse treten. Warum? Weil die Gefahr besteht, dass autonome Autos und Peoplemover den öffentlichen Nahverkehr killen. Feste Abfahrtszeiten, vollgestopfte Busse, versiffte Waggons, unbequeme Sitzbänke und Verkehrsverbünde, die grundsätzlich dort aufhören, wo es für Landeier spannend wird. Warum zum Teufel sollen sich das künftig Fahrgäste noch antun, wenn sie stattdessen in wohltemperierte autonome Kleinbusse steigen können, die modern eingerichtet sind, kostenlose WLAN-Hotspots an Bord haben und im Idealfall auch gleich die Lieblingsmusik des zusteigenden Fahrgasts dudeln. Also: Tschüss, Linienbus! Verhindern ließe sich so eine Entwicklung nur dann, wenn sich Verkehrsverbünde, Stadtplaner und die Treiber der autonomen Mobilitätsdienste zusammentun um einen individualisierten öffentlichen Nahverkehr zu schaffen. Das Problem: Jungen Mobilitäts-Startups geht es in erster Linie nicht darum, hochverzahnte Verkehrssysteme zu schaffen, sondern Marktanteile zu erobern. | | Jochen Knecht über: Mehr Staus trotz autonomen Autos | | | | 7 bis 10 Quadratmeter braucht so ein Auto an Parkfläche. Auf dem Land kein Problem, in den immer schneller wachsenden Ballungszentren oder den globalen Megacities aber ein extrem relevantes Thema. Parkplätze sind toter Raum, den sich eine dicht bebaute Großstadt längst nicht mehr leisten kann. Abhilfe sollen autonome Autos schaffen, die mehr oder weniger gar nicht parken, sondern immer unterwegs sind: Passagier im Büro abliefern, dann einen Patienten zur Dialyse fahren und gegen Mittag eine Pizza ausliefern. Um die Menschen so mobil zu halten wie heute braucht es in der autonomen Zukunft nur noch 20-30% der Autos, sagen Experten. Eine Studie von Boston Consulting kommt aber zum genau umgekehrten Ergebnis: Statt die Anzahl der Autos zu reduzieren, könnte der Verkehr sogar noch zunehmen. Warum? Weil autonome Autos im Zweifel Opfer ihres eigenen Erfolges werden: Bei Fahrten, die kürzer sind als ungefähr sechs Kilometer werden sich Nutzer vermutlich eher für autonome Taxis oder Shuttles mit geringer Kapazität entscheiden, statt den ÖPNV zu nutzen, meint die Studie. Das Ergebnis: die Zahl der Autos auf den Straßen erhöht sich. | | Also schade um die schöne autonome Zukunft? Natürlich nicht. Denn die Chance autonomer Verkehrssysteme liegen auf der Hand, wir sollten die Sache nur mit Maß und Verstand angehen. Heißt: Regeln schaffen und alle existierenden Verkehrsmittel miteinander verzahnen. Nur dann, werden wir die Autos aus den Städten raus und mehr Mobilität in die unterversorgten Flächen bekommen! | | | | Jetzt reinhören: Moove - der New-Mobility-Podcast | | | | Unser Gast in Folge 2 ist Peter Wouda, der als Design Director im VW Future Center heute die Volkswagen von übermorgen entwirft und deshalb genau genommen jeden Tag durch eine Welt von Oldtimern nach Hause fährt. Zum Podcast | | | | Den MOOVE-Letter können Sie unter www.auto-motor-und-sport.de/newsletter-bestellen/ abonnieren. Im MOOVE-Letter erwarten Sie künftig wöchentlich Ein-, Aus- und Ansichten rund ums Thema Mobilität sowie die neue Moove-Podcast-Serie. | | | | | | | | | | | | | |
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