die schärfste Waffe der hierzulande besonders mächtigen Moralisten wird meist eher wie eine Keule eingesetzt: die Bezichtigung Andersdenkender als rechte Verfassungsfeinde. Der Schweizer Philosoph Hermann Lübbe hat schon in den 1980er Jahren gezeigt, wie politischer Moralismus im Rechtsstaat zur Waffe machthungriger Interessengruppen wird, die ihre Wertvorstellungen der Allgemeinheit aufzwingen wollen. Auf welcher Seite des politischen Spektrums die zuhause sind, ist bekannt. Doch die politische Deutungshoheit des links-grünen Milieus beginnt zu bröckeln, stellt Cicero-Autor Thomas Mayer anhand aktueller Fälle fest. Erstaunlich wenig bröckelt bisher die Fassade des Bundeskanzlers mit seiner allein auf so genannten Erinnerungslücken beruhenden Argumentation im Cum-Ex-Skandal. Eine Frau, die besonders hartnäckig daran bohrte, nämlich die Kölner Staatsanwältin Anne Brorhilker, ist nun durch den grünen Justizminister in Nordrhein-Westfalen ausgebremst worden. Ein erstaunlicher Vorgang, der dazu führen könnte, dass weniger über die Verbindungen von Scholz zu einem angeklagten Hamburger Bankier herauskommt. Erstaunlich ist auch, dass die christdemokratischen Koalitionspartner der NRW-Grünen das hinnehmen. Schließlich hatten sie im Landtagswahlkampf noch vor genau dem gewarnt, was jetzt eingetreten ist, wie mein Kollege Daniel Gräber in Erinnerung ruft. Im weltpolitischen Windschatten des Ukrainekrieges hat Aserbaidschan in einem kurzen Militärschlag die in mehreren Kriegen umkämpfte Enklave Berg-Karabach auf seinem Staatsgebiet nun endültig einverleibt. Die dortige Regierung, international nicht anerkannt, aber während mehr als drei Jahrzehnten de facto unabhängig, beziehungsweise unter Armeniens Vorherrschaft stehend, hat sich selbst aufgelöst. Die meisten ethnischen Armenier in Berg-Karabach verlassen ihre Heimat Richtung Armenien. Sieger ist nicht nur der Machthaber Ilham Alijew in Baku, sondern auch die mit ihm verbündete Türkei von Recep Tayyip Erdogan. Sie profitiert vom schwindenden Einfluss Russlands in der Region und den zahlreichen Problemen des Irans, schreibt Kamran Bokhari. Wenn Sie Cicero-Abonnent sind, können Sie sich schon auf die Lektüre des Oktober-Heftes freuen. Falls nicht, sollten Sie Abonnent werden oder das Heft am Kiosk erwerben. Unser Autor Felix Huber hat ein Manifest wider die Endzeitstimmung derjenigen verfasst, die als „Letzte Generation“ auch eine Art Sprecherrolle für die Jugend beanspruchen. Huber, 19 Jahre jung, fordert einen Abschied von den Ideologien und die Zuwendung zu einem zupackenden Realismus. Cicero-Chefradakteur Alexander Marguier, dessen eigene Jugend ihm angesichts heutiger Krisen im Rückblick wie „ein harmloses Bällebad“ vorkommt, glaubt trotz allem, dass junge Menschen allen Grund dazu haben, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Vielleicht gilt das ja sogar auch für nicht mehr ganz so junge Menschen. Ihr Ferdinand Knauß, Redakteur |