# 02: Wir trauern um Fritz Wolf .
Unser lieber Kollege Fritz Wolf ist gestorben. Der Journalismus verliert einen klugen und kenntnisreichen Publizisten und Medienkritiker – wir verlieren einen engagierten Mitstreiter und Freund, der an vielen nr-Tagungen mitgewirkt und unseren Newsletter bereichert hat. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie. Fritz wird uns sehr fehlen. Im Folgenden eine Würdigung von epd medien:
Denker des Dokumentarischen. Zum Tod des Publizisten Fritz Wolf
“Gute Ansichten sind wertlos. Es kommt darauf an, wer sie hat.” Genau. Oder nicht? Mit Fritz Wolf, Kritiker und Gesprächspartner von Gnaden, konnte man auch über die Aphorismen des Wiener Publizisten Karl Kraus trefflich streiten. Er hatte seine “Fackel” gelesen. Andere konnten sich über Jazz mit ihm austauschen oder mit ihm über Politik und Kultur reden.
Es sieht so aus, als habe dabei jede und jeder immer etwas zum Bedenken mitgenommen. Vor allem aber konnte man mit ihm, der so viele Jahre für epd medien schrieb, große Studien zum Dokumentarfilm im Fernsehen für die Otto-Brenner-Stiftung verfasste und lange sein Blog “#wolfsiehtfern” pflegte, natürlich über Filme sprechen. Über Formen des Dokumentarischen theoretisieren und die tausendunderste Produktion besprechen, die er selbstverständlich immer schon mehrfach gesehen hatte, bevor sie auf einem Wettbewerbszettel stand. Backgroundinfos schienen bei ihm ihr natürliches Zuhause zu finden. Er teilte sie großzügig.
Akademisch ausgebildet als Germanist und Dramaturg, trat Fritz 1979 eine Stelle als Kulturredakteur bei der “Deutschen Volkszeitung” an, einem Vorgängerblatt der heutigen Wochenzeitung “Der Freitag”. Dort war er 1988 und 1989 auch stellvertretender Chefredakteur. Ab 1993 arbeitete er dann als freier Journalist im Düsseldorfer “Medienbüro”, das er zusammen mit Kolleginnen und Kollegen betrieb; von 2000 bis 2002 setzte ihn das “Handelsblatt” als Literaturredakteur für die damalige Wochenendbeilage ein. Bei epd medien wurde er mit klugen, scharf beobachtenden Leitartikeln und Kritiken zum prägenden Autor, im Hörfunk war er als Medienkritiker für die Kulturmagazine von WDR und Deutschlandfunk tätig.
Mehr als ein Vierteljahrhundert engagierte sich Fritz auch in der Aus- und Weiterbildung sowie als Juror in Preisjurys. Beim traditionellen “Bergfest”, das alljährlich zur Halbzeit der Grimme-Jurywoche in Marl stattfindet, war er in seinem Element, obwohl er auf Festtagsreden gern verzichtete und den Vereinnahmungen durch Lobbyisten aus den Fernsehsendern widerstand. Er schob lieber die Kolleginnen und Kollegen in den Vordergrund, manchmal buchstäblich, brachte Filmemacherinnen und Filmemacher mit Jurys ins Gespräch, sorgte umsichtig für die angeregte Debatte. Noch im Morgengrauen war dabei sein Einordnungsvermögen wach, blieb sein Urteil kritisch.
Ähnlich präsent war er auch in der legendären Kellerbar des – inzwischen wegen Insolvenz abgewickelten – Hagener Journalistenzentrums Haus Busch. Während so mancher selbst ernannte Starjournalist direkt nach Ende des Kursprogramms wieder zu vermeintlich wichtigeren Aufgaben entschwand, blieb Fritz – vorzugsweise bei einem Glas Rotwein – immerzu nahbar, ansprechbar für Volontäre, die sich auch an seinem österreichischen Charme und Witz erfreuen konnten. Mit seiner Herkunft ging er selbstironisch um: “Ich bin einer der vielen Österreicher, die hier in den Medien herumgespenstern”, sagte er, als er im Jahr 2000 – zusammen mit Sybille Simon-Zülch – den Bert-Donnepp-Preis für Medienpublizistik erhielt.
Eine der letzten Dokumentationen, die er für uns besprochen hat, war “Der Ast, auf dem ich sitze” von Luzia Schmid. Eine Dokumentation, wie Fritz sie liebte: ein Film, in dem es der Autorin um etwas ging und in dem es ihr gelang, die Ungerechtigkeiten eines Steuersystems wie dem der Schweiz verständlich herauszuarbeiten. Auch dank seinem Einsatz wurde der Film kürzlich mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet.
Jedem bedeutete Fritz Wolf auf je andere Weise sehr viel. Am 29. August ist er nach schwerer Krankheit im Alter von 74 Jahren gestorben. Wir werden ihn, der nicht nur gute Ansichten hatte, sondern ein guter Mensch war, sehr vermissen. Die Redaktion
Aus epd medien 36/21 vom 10. September 2021 – https://www.epd.de/fachdienst/epd-medien/schwerpunkt/tagebuch/denker-des-dokumentarischen-zum-tod-des-publizisten
# 03: nr21-Webinare mit Verleihung der Verschlossenen Auster / Get-together in Hamburg am 2.10. .
Am Fr./Sa., 1./2. Oktober findet die zweite nr21-Webinarreihe statt. Eigentlich hatten wir vor, Euch bei einer nachgeholten Jahreskonferenz im Herbst wiederzusehen. Die Pandemie erlaubt jedoch weiterhin keine Veranstaltungen in dieser Größenordnung – daher haben wir uns für ein weiteres Online-Treffen entschieden. Diesmal mit einem besonderen Höhepunkt: der Verleihung der Verschlossenen Auster an den Informationsblockierer des Jahres.
Es wird aber auch eine kleine Offline-Veranstaltung geben: Am Samstag, 2. Oktober, um 16 Uhr möchten wir Euch – nicht zuletzt zur Feier des 20. Bestehens von netzwerk recherche – bei einem Get-together im designxport, Hongkongstraße 8, in Hamburg treffen. Die dortigen Elbarkaden sind draußen, aber unter Dach. Wir können uns also bei fast jedem Wettercoronakonform im Freien treffen. Für Getränke und die traditionelle Jahreskonferenz-Currywurst ist gesorgt!
Als Referenten bereits zugesagt haben ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf, Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen und die Autorinnern Ronja von Wurmb-Seibel und Theresa Breuer. Sie werden über die Situation in Afghanistan und die Rettungsaktionen für von den Taliban verfolgten Menschen berichten.
Zum Thema “Recherchieren rund um die Bundestagswahl” sprechen wir mit Robin Alexander (Welt) sowie den Hauptstadtstudio-Reporterinnen Julie Kurz (ARD) und Winnie Heescher (ZDF).
“Haben wir als vierte Gewalt versagt?” fragen wir unter anderem die Klima-Expert:innen Sara Schurman und Toralf Staud. Elena Erdmann und Lars Koppers verraten uns “10 Fakten zu Coronadaten, die jeder Rechercheur kennen sollte”. Ann-Katrin Müller (Der Spiegel) und Caroline Walter (Panorama) sprechen zum Thema “Wie umgehen mit Fake News und Verschwörungserzählungen über Medien?”. Wer die Verschlossene Auster bekommt, wird erst auf der Veranstaltung bekanntgegeben.
Am Vorabend (Freitag, 1. Oktober) finden die nr-Mitgliederversammlung statt – und die traditionelle Cryptoparty: Jochim Selzer vermittelt Euch dort Techniken zur Datenverschlüsselung.
Für die Online-Veranstaltungen sind Registrierungen erforderlich, für das Get-together bitten wir um eine unverbindliche Voranmeldung.
Programm und Anmeldung:
https://netzwerkrecherche.org/termine/konferenzen/jahreskonferenzen/nr-jahreskonferenz-2021/
# 04: nr-Stipendien abgeschlossen .
Paranusskerne sind beliebt, gelten als “Superfood”. Besonders die Deutschen lieben die reichhaltigen Nüsse, ihre Einfuhrmenge hat sich während der vergangenen zehn Jahre fast verdreifacht. Doch unter welchen Bedingungen werden die Früchte geerntet? Reporter Fabian Franke und Fotograf Martin Zinggl reisten in den bolivianischen Regenwald – und trafen dort auf minderjährige Erntehelfer. Das Projekt wurde mit einem nr-Stipendium aus Mitteln der Olin gGmbH gefördert und ist im August in der taz am Wochenende erschienen.
Minderjährige Erntehelfer in Bolivien: Die Jungen ohne Kindheit
In Bolivien helfen Minderjährige bei der Paranussernte. Was einige als “Kinderarbeit” anklagen, ist für andere überlebenswichtig.
Von Fabian Franke. – taz, 14.08.2021
https://taz.de/Minderjaehrige-Erntehelfer-in-Bolivien/!5783939/
Im August 2018 brannte in Treuenbrietzen in Brandenburg der Wald – tagelang brennt es, am Ende sind 400 Hektar Kiefernwald verkohlt. Eine Hälfte gehört der Stadt Treuenbrietzen, die andere Hälfte ist Privatwald. Während die private Genossenschaft ganz traditionell aufforstet – mit Kiefern in Reih und Glied – experimentiert Stadtförster Henke mit naturnahen Methoden. Eine großartige Chance, um Antworten auf die Frage zu finden, wie unsere Wälder in Zukunft aussehen sollen. Reporter David Krenz und Fotograf David Weyand haben mit einem nr-Stipendium aus Mitteln der Olin gGmbH gefördert zwei Jahre lang recherchiert und im August unter anderem im Magazin GEO dazu veröffentlicht.
Neuwald – Wissenschaft
https://www.david-weyand.de/portfolio/waldumbau-wissenschaft/
Hannes ist 13 Jahre alt, als er endlich alle Probleme hinter sich lassen kann: die vielen Schulwechsel, die Psychiatrien, den sexuellen Missbrauch, seine schwer traumatisierte Mutter und den alkoholsüchtigen Vater. Das Jugendamt ermöglicht Hannes, sich ein neues Leben aufzubauen – weit weg von zu Hause, in Kirgistan. Doch als es ihm endlich gut geht, kommt eine schlechte Nachricht: Das Jugendamt bricht die Maßnahme ab. Gegen seinen Willen muss Hannes zurück nach Deutschland! Wenige Monate später ist er tot. In ihrer siebenteiligen Audio-Dokumentation “Hannes soll kein Russe werden” haben die beiden Reporter Baran Datli und Anton Stanislawski zwei Jahre lang das Leben von Hannes recherchiert, mit einem nr-Stipendium aus Mitteln der Stiftung Mercator gefördert. Sie decken verheerende Lücken im System der Jugendhilfe auf und zeigen, wie sehr wir als Gesellschaft versagen, Kindern wie Hannes eine Perspektive zu bieten.
Hannes soll kein Russe werden (Original Podcast)
Geschrieben von: Anton Stanislawski ; Baran Datli. Gesprochen von: Vreni Frost ; Tobias Nath. – Spieldauer: 7 Std. (gratis)
https://www.audible.de/pd/Hannes-soll-kein-Russe-werden-Original-Podcast-Hoerbuch/B0992K5Q7P
# 05: The New Sector: Medienprojekte gesucht! .
Überall in Europa entstehen unabhängige, gemeinwohlorientierte Medien, die der Medienkrise trotzen. Sie widmen sich zum Beispiel der investigativen Recherche, dem Fact Checking oder der lokalen Community und bereichern so die Medienlandschaft. Mit unserem Projekt “The New Sector” machen wir diese lebendige journalistische Gründerszene in ihrer Gesamtheit nun sichtbar – mit einer Europakarte.
Dabei möchten wir natürlich auch die Medienprojekte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz angemessen abbilden, die in den vergangenen Jahren entstanden sind. Viele haben sich bereits an unserer Erhebung beteiligt – vielen Dank dafür! Aber wir wollen ein noch vollständigeres Bild zeichnen und würden uns daher sehr freuen, wenn Sie uns fünf Minuten Ihrer Zeit schenken könnten, um unsere kleine Umfrage auszufüllen. Wir freuen uns darauf!
Zur Umfrage:
https://newsector.typeform.com/to/dRjQBOJn
Weitere Informationen zum Projekt unter
http://www.thenewsector.org
# 06: SEED-Newsletter Nr. 9 erscheint bald – jetzt abonnieren .
Weltweit wird nach Wegen gesucht, wie der unter Druck geratenen Journalismus stabilisiert werden kann. Unser nächster SEED-Newsletter zum Nonprofitjournalismus wird deshalb international: Wir schauen nach Großbritannien, wo “The People’s Newsroom” den Community-Journalismus stärken möchte. Wir blicken nach Australien, wo – wie auch in Deutschland – über den gemeinnützigen Journalismus diskutiert wird. Und wir stellen den “Local Journalism Sustainability Act” vor, der über Steueranreize den Lokaljournalismus stärken möchte und derzeit im US-Kongress beraten wird.
Um keine Ausgabe zu verpassen, kann der SEED-Newsletter hier abonniert werden:
https://nrch.de/seedabo
# 07: German Editor beim GIJN .
Die Kooperation mit dem Global Investigative Journalism Network ist erfolgreich gestartet. Anna Poth hat den neuen Posten eines “German Editor” beim Global Network übernommen.
Die deutsche Vertretung wird in Zukunft auf unserer Website zu finden sein. Neben Ratgebern, Tipps und Tools, lassen sich dort auch aktuelle Top-Artikel aus der ganzen Welt lesen und weiterverbreiten.
Einen großen Erfolg feierte GIJN diesen Monat durch die Rettung unzähliger Medienschaffenden aus Afghanistan. Besonders viele Anfragen erreicht das GIJN Team über Twitter und Facebook. Ein weiterer Fokus liegt in den nächsten Wochen auf den Veröffentlichungen der Guide-Serie “Organized-Crime”.
Anna Poth beim GIJN
https://gijn.org/about/staff-member/anna-poth/
# 08: SciCAR-Konferenz: Where science meets computer-assisted reporting .
Die 5. SciCAR-Konferenz vom 12. bis 13. November 2021 in Dortmund will Daten, Journalist und Wissenschaftler zusammenzubringen, um Kooperationen im Bereich Computer Assisted Reporting (CAR) zu initiieren und den interdisziplinären Austausch von Ideen, Methoden und Projekten zu fördern. Das Thema: Aus der Krise in die Zukunft: Wie wir die Erkenntnisse aus Pandemie, Klimakrise und Superwahljahr für nachhaltigere Datenanalysen nutzen können.
Konferenzort der SciCAR ist das Dortmunder U – Zentrum für Kunst und Kreativität. Die Organisatoren sind die TU Dortmund, netzwerk recherche, Wissenschafts-Pressekonferenz sowie das Science Media Center Germany.
Das Programm ist jetzt online, die Anmeldung ist möglich.
Alle Details
https://nrch.de/scicar21
[Ende der Mitteilungen in eigener Sache].