Liebe Frau Do, wer nie ins Risiko geht, kann nicht politisch Karriere machen. Angela Merkel hat einst mit einem riskanten Gastbeitrag in der FAZ die Ära Kohl in der CDU beendet und steht nun kurz davor, ebenso lange regiert zu haben wie der Mann, der sie einst als sein Mädchen ansah. Auch Armin Laschet geht gerade ins Risiko, denn wird er nicht Kanzlerkandidat, steht seine politische Zukunft in den Sternen – in NRW wird im Mai 2022 gewählt. Solche Risiken lohnen sich andererseits nie, wenn sich keine politische Gelegenheit bietet. Die Union bietet derzeit ein desolates Bild, aber noch gibt es keine Anzeichen, dass SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz diese Gelegenheit nutzt. Die Koalition zu verlassen, um Neuwahlen noch vor dem Sommer zu ermöglichen – theoretisch wäre es möglich, aber das Zeitfenster ist klein, und SPD-Strategen winken ab: Das politische Risiko sei zu groß. Da war die FDP 1982 risikobereiter, aber das nur nebenbei. Wir verfolgen dabei keine Agenda, meine inhaltlichen Vorbehalte gegen Rot-Grün-Rot (oder Grün-Rot-Rot) habe ich hier immer wieder deutlich gemacht. Das Ende der Groko ist nicht mein Anliegen. Aber ich empfinde die politische Lage gerade als hoch spannend. Bei den beiden Landtagswahlen am Sonntag hat die CDU historisch schlechte Ergebnisse eingefahren. Das war absehbar. Aber den Impfstoff von Astrazeneca vorerst zu stoppen und damit in einem aufgeheizten politischen Klima die ohnehin schon angreifbare Impfstrategie zu gefährden, die alle Menschen betrifft, kommt einem politischen Erdbeben gleich. Und ob sich daraus tektonische Verschiebungen ergeben, zeigt sich in diesen Tagen. NRW greift seine Impfreserve an, und die Debatte geht weiter: Einzelheiten von Antje Höning. Antworten zu den wichtigsten Fragen (zum Beispiel: Was ist, wenn ich die erste, aber noch nicht die zweite Dosis Astrazeneca bekommen habe?), haben wir ebenfalls recherchiert. Dass Russland seinen Impfstoff Sputnik genannt hat, wurde zunächst belächelt. Der Name erinnert an den ersten künstlichen Satelliten, den die Sowjetunion 1957 ins All schoss, was in den USA den Sputnik-Schock auslöste, also die erschreckende Erkenntnis, technologisch vom Feind überflügelt worden zu sein. Das Blatt wendete sich, der Kalte Krieg ist vorbei, die Sowjetunion längst untergegangen. Aber über den russischen Impfstoff lächelt niemand mehr, im Zuge des Astrazeneca-Debakels erst recht nicht. Holger Möhle beschreibt in seinem Leitartikel, wie Sputnik uns helfen könnte. In der Pandemie geht und ging es viel ums Impfen, aber auch die Schulen stehen stets im Fokus: Bund und Länder haben deren Öffnung als Priorität definiert, was ich auch für angemessen halte. Bildung ist Zukunft. Gestern habe ich Ihnen berichtet, dass einige Schulen, die geöffnet sein sollten, darauf verzichtet haben und beim Distanzunterricht bleiben. NRW hat nun Duisburg und Dortmund ausdrücklich untersagt, Schulen zu schließen. Warum das jetzt falsch ist, argumentiert Kirsten Bialdiga in ihrem Leitartikel. Richtig ist dagegen, so viel wie möglich aufs Auto zu verzichten und Fahrrad zu fahren. Es tut der Gesundheit gut, es entstehen keine Abgase, und in Corona-Zeiten ersetzt eine Radtour am Rhein vielleicht sogar die Mallorca-Reise. Der Fahrrad-Lobbyverein ADFC hat nun, mit Unterstützung des Bundesverkehrsministeriums, zum neunten Mal das sogenannte Fahrradklima ermittelt. Die Studie zeigt, wie Fahrradfahrer ihre Sicherheit und die Verkehrswege beurteilen. Die gute Nachricht zuerst: Düsseldorf liegt vor Köln, allerdings knapp. Die schlechte Nachricht ist leider relevanter und eindeutiger: Insgesamt kommen Großstädte –auch diese beiden – auf schlechte Noten. Zwei Drittel der Radfahrer in NRW fühlen sich nicht sicher. Viktor Marinov berichtet über die Einzelheiten der Studie und spricht auch in der heutigen Folge des „Aufwacher“-Podcasts dazu. Falls Sie weder Auto noch Fahrrad fahren wollen, kann der öffentliche Nahverkehr helfen. Allerdings meldet der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr so viele Zugausfälle wie noch nie, wie der neue „Qualitätsbericht“ des Unternehmens zeigt: Reinhard Kowalewski hat die Daten für Sie analysiert. Womit wir wieder beim Risiko wären. Möge Ihr Zug pünktlich sein, möge Ihre Fahrt per Auto oder Rad sicher sein. Mehr noch, hoffentlich können Sie komplett risikofrei und entspannt in den neuen Tag starten. Er muss ja deswegen nicht gleich langweilig werden. Herzlich Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |