Jamaika, Ampel oder nochmal GroKo? SPD, Union, Grüne und FDP loten derzeit aus, wer mit wem eine Koalition bilden könnte. Zwar bekunden alle, guten Willens zu sein. Tatsächlich aber bestehen kaum zu überbrückende Differenzen inhaltlicher Art. Und die CDU ist ohnehin wie gelähmt. Kommt am Ende eine Minderheitsregierung? Ich habe versucht, die Dinge ein bisschen einzuordnen. Nicht nur die Union, auch die AfD hat bei der Bundestagswahl Stimmen eingebüßt. Dennoch bleibt sie ein wichtiger politischer Faktor – vor allem im Osten. Das schadet auf Dauer insbesondere der CDU. Die Christdemokraten schaffen es nicht mehr, wie einst als große Volkspartei auch national-konservative Wähler einzubinden. Ein Teil der AfD-Wähler wird nie mehr zur Union zurückkehren, schreibt Hugo Müller-Vogg. Und dann ist da ja auch noch Olaf Scholz. Was vor dem Wahltag am 26. September bitter versäumt wurde, das versucht der SPD-Kanzlerkandidat (und wahrscheinlicher Kanzler in spe) nun in einem fast schon pathetischen Kraftakt nachzuholen. Der nüchterne Hanseat gibt sich plötzlich seherisch und visionär: Weil Deutschland die Ampel gewählt habe, habe Deutschland auch den Fortschritt gewählt. Alles klar? Ralf Hanselle wundert sich. Eines immerhin ist sicher: Mit der Bundestagswahl nähert sich die Regierungszeit Angela Merkels ihrem Ende. Als Bundeskanzlerin hat sie nicht nur deutsche, sondern auch europäische Geschichte geschrieben – im positiven wie im negativen Sinne. Wer auch immer ihr nachfolgt, wird es schwer haben. Denn die EU zerbröselt. Und daraus erwachsen große Gefahren. George Friedman analysiert das Post-Merkel-Deutschland aus amerikanischer Sicht. Von der Weltpolitik zurück auf Normalmaß. Also nach Berlin. Aber was ist an der deutschen Hauptstadt schon normal? Meine Kollegin Antje Hildebrandt hat mit dem ehemaligen Neuköllner SPD-Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky über die jüngste Abgeordnetenhauswahl und das Chaos in den Berliner Wahllokalen gesprochen. Und Buschkowsky wäre nicht Buschkowsky, fände er keine deutlichen Worte. Kleine Kostprobe gefällig? „In Berlin funktioniert nicht sehr viel. Aber die Führung der Stadt ist geprägt von Dilettantismus und Selbstzufriedenheit. Ob wir keinen Flughafen bauen oder keine Wahl durchführen können, das ist letztlich alles Pillepalle. Von preußischer Verwaltung verstehen wir nicht viel. Ich glaube, die, die heute Berlin regieren, können ,preußisch‘ noch nicht mal schreiben.“ Am Samstagmorgen finden Sie das Gespräch mit Buschkowsky auf www.cicero.de. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Ihr Alexander Marguier, Chefredakteur |