Liebe/r Leser/in, Vor ein paar Wochen, es war in den letzten Tagen des Februar, da dachte ich zum ersten Mal an den Hasen aus Schokolade. An jenem Morgen vernahm ich die Nachricht, dass Cem Özdemir ihm an die Löffel will. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hatte ein Werbeverbot für Süßwaren angeschoben. Die Beschränkung im Fernsehen zwischen 6 Uhr morgens und 23 Uhr abends soll für Müsliriegel, Kekse, Kuchen und Schokolade gelten, aber auch Milch und Säfte mit zugefügtem Zucker wären vom Bann betroffen. Schluss also mit Bildern von Joghurtbechern vor beeindruckenden Alpen? Oder glänzender Ganache in goldenen Kesseln? Oder dem süßen Danke auf Französisch? Ja, es stimmt: Die Menschen in Deutschland essen viel Schokolade – im Durchschnitt fast zehn Kilo pro Jahr. Doch der Genuss der Kakaobohne ist älter als das Christentum: 5000 Jahre, sagen Wissenschaftler. 5000 Jahre Forschen und Verfeinern, Rösten und Anreichern, bis zu jener Massenware und – auch das! – Handwerkskunst, die wir heute kennen. Es ist sicher der Job eines Ernährungsministers, auf Zusammensetzung und Herstellungsbedingungen der Lebensmittel zu achten. Doch wenn er das Essverhalten der Menschen beeinflussen will – helfen da Verbote gegen Symptome? Oder doch eher Kennzeichnung der Produkte und Aufklärung der Kundinnen und Kunden, auf dass wir selbst entscheiden, welchen Hasen wir kaufen? In diesen Ostertagen aber rückt eigentlich jeder Ärger über missglückte Polit-Strategien erst einmal in den Hintergrund. Für mich begehen wir gerade jetzt das schönste Fest im Jahr. Das gelassenste. Nicht pompös oder gierig, sondern aufs Wesentliche konzentriert: auf die Gemeinsamkeit und diese unglaubliche Geschichte, die erzählt von der Kreuzigung als schwärzestem Tag der Christenheit. Vom Engel, der den Grabstein zur Seite rollt. Vom leeren Grab als Zeichen der Hoffnung. Von der Auferstehung – der Mutter aller Comebacks. An keinem Ort der Welt berührt der Glaube die Menschen zu Ostern so tief wie in Jerusalem. Die Franziskaner begehen den Kreuzweg auf der Via Dolorosa. Hunderte warten in der Grabeskirche auf das wundersam entflammte Heilige Feuer. Und sie alle eint die Sehnsucht nach Sinn, nach Halt und Gewissheit. Was aber kann Menschen ein Kompass sein, denen die großen Glaubensrichtungen fremd sind? Die Orientierung suchen, aber die Regeln der Kirchen ablehnen? Während Zehntausende durch die Heilige Stadt pilgern, erreichen spirituelle Videos auf TikTok viele Milliarden Aufrufe. Heilsversprechen, Hexenrituale, Schamanismus helfen Millionen Menschen durch den Alltag, und es wäre leichtfertig, diesen Trend als digitale Eso-Schnipsel der Verblendung zu verhöhnen. Denn letztlich, das erzählt unsere Geschichte ab Seite 24, letztlich zeigt die Hinwendung zur Spiritualität, dass die Leerstellen, die die Amtskirchen hinterließen, längst von neuen Bewegungen gefüllt werden. Weil die Sehnsucht nach Sinn nun mal zum Leben gehört. Weil wir Hoffnung finden wollen, Erlösung und Trost. David Ben-Gurion hat einmal gesagt: „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.“ Frohe Ostern. |