Liebe Frau Do, nach und nach nehmen die Lockerungen Gestalt an. Schon jetzt kommt es mir so vor, dass auf den Bürgersteigen und in den Fußgängerzonen die Abstandsgebote vergessen sind. Protestgruppen, die unter dem Titel „Widerstand 2020“ oder „Nicht ohne uns“ auftreten und sich gegen die Corona-Maßnahmen wenden, dürften sich bestätigt sehen. Gregor Mayntz hat sich ein weiteres Mal mit dieser Szene beschäftigt, die auch bei einem namhaften CDU-Innenexperten auf Argwohn stößt: „Wir müssen sie mit ihrem Unsinn politisch stellen und als Saboteure unseres weltweit beachteten Infektionsschutzerfolges entlarven“, sagt Armin Schuster, der auch Vorsitzender des Parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Nachrichtendienste ist. Nicht jeder, der die Maßnahmen ablehnt, ist indes ein Verschwörungstheoretiker. Über diesen Verdacht erhaben ist der Philosoph und Publizist Richard David Precht, mit dem unser Politik-Chef Martin Kessler ein spannendes Interview geführt hat. „Ich muss gestehen, dass mir die Maßnahmen bei Corona im gegenwärtigen Zeitpunkt zu weit gehen“, sagt Precht. Zudem dränge sich der „Eindruck eines chaotischen Ausstiegs“ auf. Künftig könne man nicht bei „allen Risiken die Freiheitsrechte beschränken und drastische Maßnahmen einführen“, das müsse „die radikale Ausnahme bleiben“. In dem Spannungsfeld zwischen Lockdown und Lockerungen hat sich Armin Laschet in den vergangenen Wochen profiliert. Aufmerksamkeit bekommt er nicht nur als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes, sondern als möglicher nächster Kanzlerkandidat. Unsere Berliner Korrespondentin Kristina Dunz und ihr Düsseldorfer Kollege Maximilian Plück lassen Laschets Wirken während der Pandemie Revue passieren. Doch nicht nur die deutsche Politik steht aktuell unter ungeahntem Druck, auch die Europäische Union muss sich bewähren. Gregor Mayntz schreibt in seiner Analyse über die Herausforderungen für die politische Einheit des Kontinents. Morgen ist Muttertag. Und weil ich mich erst danach wieder bei Ihnen melde, empfehle ich Ihnen schon jetzt eine Analyse unserer stellvertretenden Chefredakteurin Eva Quadbeck über die Erfahrungen von Müttern in der Corona-Krise: „Kinder, Küche, Home-Office“, heißt das Stück. Dass sie einen wichtigen Punkt trifft, sieht man auch an einer Recherche von Kirsten Bialdiga: Viele Kinder in NRW können bis Juli nur sehr eingeschränkt oder gar nicht in Kitas betreut werden. Der zuständige Landesminister Joachim Stamp sieht die Schuld auch im Bundeskanzleramt. Aber ausbaden müssen es im Zweifel die Mütter. Da sind die Blumen, die sie morgen vielleicht kriegen, allenfalls ein kleiner Trost. Aber lassen Sie uns nicht so bitter enden. Vielleicht gehört die Kinderbetreuung zu den Dingen, die wir jetzt, nach den Erfahrungen in der Krise, besser organisieren können. Es sind nicht nur Abstands- und Hygieneregeln, die unsere neue Normalität ausmachen, sondern hoffentlich auch einige Lehren aus den Lockdown-Wochen. In einem Leitartikel habe ich versucht, diesen positiven Anspruch zu formulieren. Und jetzt bleibt mir nur noch, Ihnen ein rundum positives Wochenende zu wünschen. Genießen Sie in vollen Zügen, aber halten Sie Distanz – so lautet das Pandemie-Paradoxon. Herzlich Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |