| | | | | Rechts-Newsletter der Kanzlei Dr. Bahr: 17. KW / 24. April 2024 |
| Die Themen im Überblick | | | Sehr geehrte(r) Do anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 17. KW im Jahre 2024. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Schwerpunkten Recht der Neuen Medien, Glücksspiel- / Gewinnspielrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, Datenschutzrecht, Presserecht und Wirtschaftsrecht. Die Kanzlei Dr. Bahr wünscht Ihnen wie immer angenehmes Lesen. Kontaktieren Sie uns einfach, falls Sie Fragen oder Anregungen haben. | | | | | | | Die Themen im Überblick |
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| | Die einzelnen News | | 1. | EuGH: Name "Pablo Escobar" nicht als Marke eintragungsfähig, da Verstoß gegen die guten Sitten | Der Name Pablo Escobar kann nicht als Unionsmarke eingetragen werden Die Verkehrskreise würden diesen Namen mit Drogenhandel und Drogenterrorismus in Verbindung bringen Am 30. September 2021 meldete die Gesellschaft Escobar Inc. mit Sitz in Puerto Rico (Vereinigte Staaten) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) das Wortzeichen Pablo Escobar für ein breites Spektrum an Waren und Dienstleistungen als Unionsmarke an. Der am 1. Dezember 1949 geborene und am 2. Dezember 1993 verstorbene kolumbianische Staatsangehörige Pablo Escobar gilt als Drogenbaron und Drogenterrorist, der das Kartell von Medellin (Kolumbien) gründete, dessen einziger Chef er war. Das EUIPO wies die Anmeldung mit der Begründung zurück, dass die Marke gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten verstoße. Es stützte sich dabei auf die Wahrnehmung der spanischen Verkehrskreise, weil diese wegen der Verbindungen zwischen Spanien und Kolumbien Pablo Escobar am besten kennen. Die Gesellschaft Escobar ficht diese Zurückweisung beim Gericht der Europäischen Union an. Das Gericht bestätigt die Zurückweisung der Anmeldung der Marke Pablo Escobar. Nach Ansicht des Gerichts konnte sich das EUIPO bei seiner Beurteilung auf die Wahrnehmung vernünftiger Spanier mit durchschnittlicher Empfindlichkeits- und Toleranzschwelle stützen, die die unteilbaren und universellen Werte teilen, auf die sich die Union gründet (Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit und Solidarität sowie die Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit und das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit). Das EUIPO hat zutreffend entschieden, dass diese Personen den Namen von Pablo Escobar mit Drogenhandel und Drogenterrorismus sowie den Verbrechen und dem sich daraus ergebenden Leid in Verbindung bringen würden und nicht mit seinen etwaigen guten Taten zugunsten der Armen in Kolumbien. Die Marke würde daher als gegen die in der spanischen Gesellschaft vorherrschenden grundlegenden moralischen Werte und Normen verstoßend wahrgenommen. Das Gericht fügt hinzu, dass nicht gegen das Grundrecht von Pablo Escobar auf Unschuldsvermutung verstoßen wurde, denn auch wenn er nie strafrechtlich verurteilt wurde, wird er in der spanischen Öffentlichkeit als für zahlreiche Verbrechen verantwortliches Symbol des organisierten Verbrechens wahrgenommen. Urteil des Gerichts in der Rechtssache T-255/23 | Escobar / EUIPO (Pablo Escobar) Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 17.04.2024 | | | | 2. | BVerfG: Verfassungsbeschwerde gegen BGH-Urteil erfolglos: Süddeutsche durfte Zitate aus dem Tagebuch im Cum-Ex-Skandal veröffentlichen | Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1.Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerde eines Bankiers nicht zur Entscheidung angenommen, mit der sich dieser gegen die Abweisung seiner Klage auf Unterlassung der wörtlichen Wiedergabe von Auszügen aus seinen beschlagnahmten Tagebüchern wendet. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens betreibt eine Internetseite, auf der sie im September 2020 einen Artikel veröffentlichte, in dem Auszüge aus den Tagebüchern des Beschwerdeführers wörtlich wiedergegeben wurden. Diese hatten die Strafverfolgungsbehörden zuvor im Rahmen eines gegen den Beschwerdeführer im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften geführten Ermittlungsverfahrens beschlagnahmt. Daraufhin nahm der Beschwerdeführer die Beklagte des Ausgangsverfahrens gerichtlich auf Unterlassen der wörtlichen Wiedergabe der Tagebuchauszüge in Anspruch, blieb jedoch ohne Erfolg. Gegen die schließlich vollständige Abweisung seiner Klage durch den Bundesgerichtshof (Urteil vom 16. Mai 2023 - VI ZR 116/22 -) wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie genügt offensichtlich nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen. Eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 Grundgesetz und eine Verletzung der zu seinen Gunsten bestehenden Unschuldsvermutung nach Art.6 Abs.2 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) sind nicht hinreichend dargetan. Soweit der Beschwerdeführer unter anderem beanstandet, dass der Bundesgerichtshof die Vorschrift des § 353d Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB) nicht als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anerkannt hat, beziehungsweise, dass der Bundesgerichtshof meint, eine etwaige Anwendung von §353d Nr.3 StGB als Schutzgesetz setzte für die Zuerkennung zivilrechtlicher Unterlassungsansprüche jedenfalls eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen voraus, ist eine Missachtung der verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfindung durch den Bundesgerichtshof, die dem Willkürverbot zuwiderliefe, nicht substantiiert vorgebracht. Sie ist auch nicht ersichtlich. Zudem setzt sich die Verfassungsbeschwerde nicht substantiiert mit der seitens des Bundesgerichtshofs herangezogenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auseinander, der es für die Anwendung eines strafrechtlichen Veröffentlichungsverbots nach portugiesischem Recht – dessen Vergleichbarkeit mit §353d Nr.3 StGB der Beschwerdeführer dahingestellt lässt und damit für das vorliegende Verfahren hinnimmt – beanstandet hat, dass es in seiner allgemeinen und absoluten Fassung den Richter an einer Abwägung mit den durch Art.10 EMRK geschützten Rechten hindere. Nach §353d Nr.3 StGB macht sich strafbar, wer amtliche Dokumente eines Strafverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist. Beschluss vom 10. April 2024 - 1 BvR 2279/23 Quelle: Pressemitteilung des BVerfG v. 22.04.2024 | | | | 3. | OLG Celle: Berufung in Facebook-Scraping-Fall unzulässig, da lediglich pauschale Ausführungen + Textbausteine in Massenverfahren | Die Berufung gegen ein abweisendes Urteil (hier: Facebook-Scraping) ist unzulässig, wenn der Kläger lediglich pauschale Ausführungen macht und Textbausteine verwendet, die ersichtlich zur vielfachen Verwendung in verschiedenen Verfahren verwendet werden (OLG Celle, Urt. v. 04.04.2024 - Az.: 5 U 77/23). Inhaltlich ging es um den üblichen Scraping-Vorfall bei Facebook. Erstinstanzlich war der Anspruch des Klägers, u.a. auf Schadensersatz, abgewiesen worden. Daraufhin legte er Berufung ein. Das OLG Celle verwarf die Berufung als unzulässig, da der klägerische Anwalt in seinen Massenverfahren allgemeine Textbausteine verwendete und gar nicht auf die konkreten Umstände des erstinstanzlichen Urteils eingehe: "Gemessen daran meint der Senat, dass die Berufung des Klägers deswegen in vollem Umfang unzulässig ist, weil die Berufungsbegründung in ihrer Gesamtheit nicht auf das angefochtene landgerichtliche Urteil zugeschnitten ist, sondern ein aus Textbausteinen zusammengesetztes Dokument darstellt, das die Prozessbevollmächtigten des Klägers ersichtlich zu dem Zweck erstellt haben, um dieses mehr oder weniger weitestgehend inhaltsgleich für eine Vielzahl von (Berufungs-)Verfahren zu verwenden (dazu nachfolgend Ziffer 1). Hilfsweise entspricht die Berufungsbegründung des Klägers bei einer rein isolierten Betrachtung der einzelnen vier streitgegenständlichen Klageanträge, also losgelöst von dem eingangs genannten „ganzheitlichen Betrachtungsansatz“, zumindest in Bezug auf die Berufungsanträge zu Ziffern 1, 2, 3a und 4 nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 und 3 ZPO, weshalb auch nach einer solchen isolierten Betrachtung die Berufungsbegründung jedenfalls in diesem Umfang unzureichend und die Berufung des Klägers nicht zulässig wäre (dazu nachfolgend Ziffer 2)." Und noch deutlicher: “Die – 63 Seiten lange – Berufungsbegründungsschrift des Klägers vom 9. Mai 2023 (Bl. 554 f. d. A.) ist nicht auf das konkret angegriffene Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 28. Februar 2023 zugeschnitten. Die genannte Berufungsbegründungsschrift stellt ihrem äußeren Anschein nach vielmehr ein Textdokument dar, das die Prozessbevollmächtigten des Klägers, die – wie gerichtsbekannt ist (§ 291 ZPO) – bundesweit in einer vierstelligen Zahl Klageparteien in vergleichbaren Verfahren vertreten, offensichtlich einmal für sich selbst erstellt haben, um dieses Textdokument sodann gänzlich oder zumindest weitestgehend ohne inhaltliche Änderungen in einer Vielzahl von weiteren Verfahren zu verwenden.” | | | | 4. | OLG Oldenburg: Kein (automatischer) Schadensersatz bei Facebook-Scraping-Fällen | Dass nicht allen Nutzerinnen und Nutzern, die von einem Facebook-Datenleck betroffen sind, automatisch ein Schadenersatzanspruch zugesprochen werden kann, zeigen nun erste Entscheidungen des 13. Zivilsenats. Der auf den Datenschutz spezialisierte Senat hat drei von gegenwärtig über 100 am Oberlandesgericht anhängigen Berufungen aus diesem Komplex als unbegründet zurückgewiesen und damit die klagabweisenden Urteile der Landgerichte bestätigt. Anlass der Rechtsstreitigkeiten sind sog. „Scraping“-Fälle im Internet. Unbekannte hatten in einem technisch ausgeklügelten Verfahren zahlreiche Telefonnummern von Nutzerinnen und Nutzern der Plattform in Erfahrung gebracht und veröffentlicht. Die Kläger bringen vor, von diesem Vorfall betroffen zu sein. Sie führen unerwünschte Werbeanrufe und SMS (z. B. gefälschte Paketbenachrichtigungen) auf die Veröffentlichung ihrer Mobilfunknummer zurück. Die Klagen richten sich gegen die Betreiberin der Plattform und zielen auf die Zahlung von Schadensersatz aufgrund unzureichender Sicherung ihrer Daten ab. Die Landgerichte hatten die Klagen abgewiesen. Aber auch mit ihren Berufungen hatten die Klägerinnen und Kläger keinen Erfolg. Denn nach der Entscheidung des Senats müssen Klagende zusätzlich zu einem Datenschutzverstoß für ihren jeweiligen Einzelfall einen individuellen Schaden darlegen und beweisen. Für diesen Nachweis reiche es nicht aus, überhaupt von dem Datenleck betroffen zu sein. Vielmehr sei für jeden konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Befürchtung, die eigenen Daten könnten missbräuchlich von Dritten verwendet werden, tatsächlich begründet ist. In den jetzt entschiedenen Fällen hatte der Senat deshalb das persönliche Erscheinen der Klägerinnen und Kläger angeordnet und sie in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört. Die Aussagen waren für den Senat jedoch nicht ausreichend, um sich von einem individuellen Schaden zu überzeugen. Offen blieb für den Senat auch, ob die unerwünschten Anrufe und SMS auf den Scraping-Vorfall oder auf eine mögliche anderweitige unbedachte Preisgabe persönlicher Daten im Internet zurückzuführen waren. Die Berufungen blieben daher erfolglos. Aktenzeichen: 13 U 59/23, 13 U 79/23 und 13 U 60/23 Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg v. 19.04.2024 | | | | 5. | OLG Rostock: Kein Anscheinsbeweis durch bloße Versendung einer E-Mail ohne Empfangs- oder Lesebestätigung | Aus der bloßen Versendung einer E-Mail lässt sich noch kein Anscheinsbeweis begründen, dass die Nachricht auch tatsächlich beim Empfänger eingegangen ist (OLG Rostock, Beschl. v. 03.04.2024 - Az.: 7 U 2/24). Im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung ging es um die Frage, ob sich aus dem Absenden einer elektronischen Nachricht irgend ein Hinweis auf den Zugang beim Empfänger ableiten lässt. Das OLG Rostock hat diese Frage klar verneint. "Für die Annahme eines Anscheinsbeweises für den Zugang einer feststehendermaßen abgesandten (einfachen, insbesondere ohne Empfangs- oder Lesebestätigung übermittelten) E-Mail sieht der Senat keine Grundlage. Die von der Klägerin für ihren gegenteiligen Standpunkt zuletzt in der Berufungsbegründung zitierte instanzgerichtliche Entscheidung (AG Frankfurt a. M., Urteil vom 23.10.2008 – 30 C 730/08, BeckRS 2009, 5792), die einen Anscheinsbeweis bejaht hat, ist vereinzelt geblieben und hat sich nicht durchgesetzt. (…) Es entspricht in der (insbesondere auch obergerichtlichen) Rechtsprechung sowie im Kommentarschrifttum nahezu einhelliger Auffassung, dass für den Zugang einer (im vorbezeichneten Sinne einfachen) E-Mail allein aufgrund des Feststehenden Absendens, auch in Verbindung mit dem feststehenden Nichterhalt einer Unzustellbarkeitsnachricht auf Seiten des Absenders, kein Anscheinsbeweis streitet (…). Diese Auffassung teilt auch der Senat. Der Zugang mag unter den genannten Voraussetzungen – sofern sie ihrerseits unbestritten oder erwiesen sind und damit prozessual feststehen – „die Regel“ darstellen, ist aber letztlich jedenfalls unter den gegenwärtigen technischen Bedingungen (noch) nicht in einem Maße typisch, dass die Bejahung einer prima-facie-Beweiserleichterung gerechtfertigt wäre." Und weiter: "Soweit die Klägerin zum Beweis des E-Mail-Zugangs bei der Beklagten auf eine Vorlage bzw. Offenlegung der gesamten elektronischen Posteingänge der Beklagten im hier interessierenden Zeitraum durch die Beklagte verweist, war und ist diesem Beweisantritt nicht nachzugehen. Nicht anders als in der „analogen“ Welt, in der ein Zugangsnachweis in einem Zivilprozess unstreitig nicht dadurch geführt werden könnte, dass die Briefkästen oder gar Wohn- und Geschäftsräume des vermeintlichen Empfängers umfassend auf den in Rede stehenden Brief „durchforstet“ werden und der Prozessgegner diese Maßnahme zu dulden bzw. an ihr gar aktiv mitzuwirken hätte, kann der Beweis des Zugangs einer E-Mail nicht dadurch erbracht werden, dass der vermeintliche Adressat selbst seinen E-Mail-Account mit dem virtuellen Posteingangskorb und ggf. weiteren Ablageordnern („Gelöschte Elemente“ o.ä.) zu Beweiszwecken gleichsam zur Verfügung stellen müsste (auch nicht indirekt im Rahmen einer sachverständigen Begutachtung; LG Duisburg, Beschluss vom 28.06.2010 – 12 S 67/10, RRa 2011, 25 [Juris; Tz. 10])." | | | | 6. | LG Bochum: Schwachstellenhinweis auf eigener Produkt-Webseite reicht nicht aus | Der Hersteller eines Produktes (hier: Funk-Türschloss) muss auf etwaige Schwachstellen seines Produktes deutlich hinweisen, sodass Verbraucher in ausreichender Form darüber informiert ist. So reicht es z.B. nicht aus, wenn der Hersteller lediglich auf seiner eigenen Produkt-Webseite darüber informiert, wenn hierüber gar keine Verkäufe stattfinden (LG Bochum, Urt. v. 23.11.2023 - Az.: I-8 O 26/23). Beklagte war die Firma Abus, die unterschiedliche Funk-Schlösser herstellte. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hatte für einzelne Produkte Schwachstellen festgestellt. Die Beklagte informierte über diesen Umstand auf ihren eigenen Produkt-Webseiten. Über diese Pages erfolgte jedoch kein Verkauf an Verbraucher, sondern es handelte sich rein um eine Produktseite. Das LG Bochum entschied, dass die Beklagte sich wettbewerbswidrig verhalten habe. Denn sie habe in nicht ausreichender Form sichergestellt, dass ein potentieller Käufer über die Schwachstelle vor dem Erwerb informiert werde: "Vorliegend hat die Beklagte den Hinweis lediglich auf den Produktbeschreibungsseiten auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Soweit es für Verbraucher darum geht, eine Kaufentscheidung zu treffen, die Information also im Vorfeld benötigt wird, ist bei der Frage, ob die Information vorenthalten wurde, zu berücksichtigen, dass die Beklagte auf ihrer Internetseite selbst keine Produkte an Verbraucher vertreibt. Mit dem Hinweis auf der Produktbeschreibungsseite kommen Verbraucher somit nicht im Rahmen eines Vertragsschlusses in Kontakt. Ein Vertragsschluss findet vielmehr auf Plattformen oder in Ladengeschäften von Einzelhändlern statt. Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass eine Vielzahl von Kaufinteressenten mit der Produktbeschreibungsseite der Beklagten in Kontakt kommen wird, da dies eine spezifische Suche nach diesem Produkt oder eine Information gerade auf der Seite der Beklagten erfordert. In der Regel werden sich Verbraucher aber im Einzelhandel nach verschiedenen Produkten umsehen. Hier hat die Beklagte keinen Mechanismus in Gang gesetzt, der dafür Sorge trägt, dass Verbraucher auch bei Erwerb des Produkts über die Vertragspartner der Beklagten über die Sicherheitslücke in Kenntnis gesetzt werden." Und weiter: "Soweit die geschäftliche Entscheidung im Nachgang des Vertragsschlusses erfolgt, also die Frage betrifft, ob die Verbraucher Gewährleistungsansprüche geltend machen, ist erst Recht nicht damit zu rechnen, dass ein Hinweis auf der Produktseite genügt, um eine Berücksichtigung bei der geschäftlichen Entscheidung zu ermöglichen. Wer ein Produkt einmal erworben hat, wird sich in aller Regel nicht im Nachgang über dieses auf der Internetseite des Herstellers informieren. Die Information über das Bestehen der entsprechenden Schwachstelle ist auch erforderlich, um eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen zu können. Dass Schlösser, die mit den streitgegenständlichen Tür- und Fensterantrieben ausgestattet sind, von Dritten ver- und entriegelt werden können, sie mithin ihre bestimmungsgemäße Funktion, ein Gebäude gegen das unbefugte Eindringen Dritter sichern zu können, nur eingeschränkt erfüllen können, ist für das Treffen einer informierten Entscheidung erforderlich. Es liegt auch nahe, dass Verbraucher, die eine solche sicherheitsrelevante Schwachstelle kennen, sich im Vorfeld für ein anderes Produkt entscheiden bzw. soweit sie ein solches erworben haben, dieses reklamieren." Mit anderen Worten: Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, über ihre Vertriebswege Einfluss auf die Letztverkäufer zu nehmen, damit diese in ihren Produktbeschreibungen eine entsprechende Information aufnehmen. Da er dieser Pflicht nachgekommen war, lag ein Wettbewerbsverstoß vor. | | | | 7. | VG Düsseldorf: Keine Übernahme in Polizeidienst wegen pornografischer und ausländerfeindlicher Chat-Inhalte | Das Polizeipräsidium Duisburg hat es zu Recht abgelehnt, einen Kommissaranwärter, der während seines Vorbereitungsdienstes ausländerfeindliche und Menschen mit Behinderung herabwürdigende Bilder in einer Chatgruppe verbreitet hat, in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen. Das hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit heute verkündetem Urteil entschieden und damit die Klage des ehemaligen Polizeibeamten abgewiesen. Der im Jahr 2000 geborene Kläger wurde 2019 in den Polizeivollzugsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen aufgenommen und versah seinen Dienst als Kommissaranwärter beim Polizeipräsidium Duisburg. Im Juni 2022 wurde bekannt, dass er in einer aus Polizeibeamten im Vorbereitungsdienst bestehenden Chatgruppe zwei von einem anderen Teilnehmer hochgeladene Bilder mit ausländerfeindlichem und pornographischem Inhalt zustimmend kommentiert hatte. Wenig später erfuhr die Ausbildungsleitung, dass der Kläger in einer anderen vergleichbar zusammengesetzten Chatgruppe selbst mehrere Bilder hochgeladen hatte, die Ausländer verächtlich machen und die Anwendung von Gewalt gegenüber einem behinderten Kind befürworten. Nachdem das Polizeipräsidium Duisburg ihm mitgeteilt hatte, dass er nach Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf nicht in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen werde, erhob der Kläger im September 2022 Klage mit dem Ziel, das Land Nordrhein-Westfalen zu dieser Übernahme zu verpflichten. Das Gericht hat die Entscheidung des Dienstherrn, es bestünden erhebliche Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers für den Polizeivollzugsdienst, bestätigt. Zur Urteilsbegründung hat es ausgeführt: Der Dienstherr hat zutreffend darauf abgestellt, dass gerade von Polizeibeamten zu erwarten ist, dass sie sich zu zentralen Bestandteilen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie dem Schutz der Menschenwürde und dem Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts, der Herkunft, einer Behinderung oder anderer Merkmale, bekennen, diese achten und verteidigen. Mit diesen Anforderungen ist das Verhalten des Klägers nicht vereinbar. Durch die Verbreitung von Bildern, die Ausländer bzw. Farbige beleidigen und herabwürdigen, Frauen verächtlich machen und das Verprügeln eines behinderten Kindes gutheißen, hat er eine tiefgreifende Charakterschwäche dokumentiert, die ihn für den Polizeivollzugsdienst disqualifiziert, zumal er seine Äußerungen nach wie vor zu bagatellisieren versucht. Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht in Münster möglich. Aktenzeichen: 2 K 6403/22 Quelle: Pressemitteilung des VG Düsseldorf v. 16.04.2024 | | | | 8. | LG Frankfurt a.M.: Kein DSGVO-Schadensersatz, wenn bei Abschluss eines Mobilfunkvertrages eine Meldung an die SCHUFA ohne Einwilligung erfolgt | Erfolgt beim Abschluss eines Handy-Vertrages automatisch die Meldung von Positivdaten an die SCHUFA, begründet dies nicht automatisch einen Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 19.03.2024 - Az:. 2-10 O 691/23). Der Kläger schloss mit der Beklagten, einem Telekommunikationsunternehmen, einen Mobilfunkvertrag. Es wurden bestimmte Daten an die SCHUFA übermittelt (u.a.Name, Anschrift, Geburtsdatum, Beginn und Ende des TK-Vertrages, Vertragsnummer), ohne dass der Kläger hierin eingewilligt hatte. Der Kläger verlangte aufgrund dieser Handlung Schadensersatz, da er in der Übermittlung eine Datenschutzverletzung sah. Das LG Frankfurt a.M. wies die Klage vollständig ab. 1. Schaden nicht nachgewiesen: Der Anspruch auf Schadensersatz scheitere bereits daran, dass es an einem Schaden fehle: "Ein abstrakter "Kontrollverlust" reicht allein für einen immateriellen Schaden im Sinne des Art. 82 DSGVO nicht aus, für eine darüberhinausgehende Beeinträchtigung trägt der Anspruchsteller die Beweislast (…). Der Kläger hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung ausgeführt, er sei von seinen Prozessbevollmächtigten nicht hinsichtlich seiner emotionalen Lage aufgrund des streitgegenständlichen Sachverhalts befragt worden. Diese hätten ihm keine persönlichen Fragen gestellt und er sei nicht von seinen Prozessbevollmächtigten gefragt worden, wie es ihm mit der Weitergabe der Daten in Bezug auf den Mobilfunkvertrag an die SCHUFA gehe. Die Darlegungslast für den Eintritt des konkreten immateriellen Schadens liegt jedoch beim Betroffenen und kann bei behaupteten persönlichen/psychologischen Beeinträchtigungen nur durch die Darlegung konkret-individueller – und nicht wie hier in einer Vielzahl von Fällen gleichartiger – dem Beweis zugänglicher Indizien erfüllt werden (…)." 2. Auch kein Unterlassungsanspruch: Zudem verlangte der Kläger von dem TK-Unternehmen Unterlassung. Der Antrag lautete wörtlich: “(….) 2. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, Positivdaten des Klägers, also personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags, an Kreditauskunfteien (…) zu übermitteln, ohne dass eine Einwilligung des Klägers vorliegt, also insbesondere nicht auf der Basis von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Verbesserung der Qualität der Bonitätsbewertungen oder zum Schutz der beteiligten Wirtschaftsakteure vor kreditorischen Risiken” Das Gericht bewertete diesen Antrag als viel zu weitreichend und wies auch hinsichtlich dieses Punktes das Begehren zurück: "Denn ein solcher Unterlassungsantrag, der losgelöst von der konkreten Verletzungsform auf ein allgemeines Verbot der Übermittlung sogenannter Positivdaten von Mobilfunknutzern an Wirtschaftsauskunfteien gerichtet ist, erweist sich als zu weitgehend, da jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Datenübermittlung aus Gründen der Betrugsprävention bei datenschutzkonformer Ausgestaltung des Prozesses im berechtigten Interesse des Verantwortlichen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 lit. f DSGVO liegen kann (…). Die Formulierung „insbesondere“ im Klageantrag lässt zudem auch offen, welche weiteren Fallgestaltungen umfasst sein sollen. Der Kläger erstrebt ein allgemeines Verbot der Übermittlung von Positivdaten. Insofern ist zwar auch nach Auffassung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) „eine pauschal vorgesehene Einmeldung von Informationen wie Aufnahme und Beendigung eines Telekommunikationsvertrags verbunden mit Name, Anschrift und Geburtsdatum an eine Auskunftei ohne eine Einwilligung nicht in jedem Fall [...] datenschutzrechtlich zulässig“. Hiernach ist es aber weiter möglich, dass eine andere Ausgestaltung des Umgangs mit Positivdaten einem berechtigten Interesse der Beklagten zur Betrugsprävention, die in Erwägungsgrund 46 der DSVGO ausdrücklich erwähnt ist, entsprechen kann. Spräche man indes ein allgemeines Verbot der Einmeldung von Positivdaten an Auskunfteien aus, führte dies dazu, dass eine Übermittlung selbst bei datenschutzkonformer Ausgestaltung dieses Prozesses – also unter Darlegung, in welchen Szenarien und unter Vorschaltung interner Prüfprozesse etc. eine Übermittlung erfolgt – untersagt wäre, was mit dem zitierten Erwägungsgrund der DSGVO ersichtlich nicht in Übereinstimmung zu bringen wäre. Der Beklagten ist ein ihr nach der DSGVO eingeräumter Gestaltungsspielraum beim Umgang mit Positivdaten zu belassen, den sie in den bestehenden Grenzen gestalten kann. Die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Einzelfallbetrachtung hat auch der BfDI zutreffend betont (…)." | | | | 9. | LG Hamburg: Online-Shop trifft keine Verpflichtung, Gastzugang bereitzustellen | Für einen Online-Shop, der einen Marktplatz anbietet, besteht nicht zwingend die Verpflichtung, einen Gastzugang für seine Webseite anzubieten. Er kann vielmehr eine Registrierung verlangen, wenn ausschließlich ein Passwort als weitere Information neben den Daten abgefragt wird, die auch bei einer Gastbestellung anfallen (LG Hamburg, Urt. v. 22.02.2024 - Az.: 327 O 250/22). Die klägerische Verbraucherzentrale monierte bei der Beklagtem, einem bekannten Online-Shop für Versandhandel, zwei Punkte: 1. Bestellung nur mit Registrierung: Die Klägerin beanstandete, dass eine Bestellung nur mit Registrierung möglich war, jedoch nicht auch mit einem reinen Gastzugang. Sie sah darin einen DSGVO-Verstoß und berief sich dabei auf den Beschluss der Datenschutzkonferenz von März 2022, wonach Online-Shops grundsätzlich einen Gastzugang ohne Registrierung anbieten müssten. 2. Nutzung der Kundendaten zu Werbezwecken: Die zweite Beanstandung betraf die Nutzung der Kundendaten zu Werbezwecken. In der Datenschutzerklärung der Beklagten hieß es dazu: "3.2.1. Datenverarbeitung zu Werbezwecken (Personalisierung) X(…) ist dazu berechtigt, gespeicherten Daten zu Ihrer Person z.B. die Kategorien von gekauften Waren (z.B. „Mode“), die sie bei X(…) erworben haben, für die Personalisierung von Werbemitteln (u.a. E-Mail, Print) zu verwenden. Die Daten werden für diesen Zweck ausschließlich in stark pseudonymisierter Form verwendet. Ziel von X(…) ist es, Ihnen allein an Ihren tatsächlichen oder vermeintlichen Bedürfnissen orientierte Werbung zukommen zu lassen und Sie entsprechend nicht mit unnützer Werbung zu belästigen. Rechtsgrundlage für diese Datenverarbeitung ist Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f) DSGVO. Nicht zu Marketingzwecken durch X(…) werden solche Daten genutzt, für deren Verarbeitung andere Händler auf der Plattform x(…).de datenschutzrechtlich verantwortlich sind. Hierbei handelt es sich z.B. um Daten, die im Rahmen der Abwicklung von Käufen bei Partnern von X(…) auf der Plattform anfallen. 3.2.2. Postalische Werbung X(…) hat grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, Ihre Daten, die X(…) z. B. im Rahmen der Eingehung eines Vertragsverhältnisses mit Ihnen erhoben hat, zu Marketingzwecken zu nutzen. X(…) verarbeitet die folgenden Daten zu eigenen Marketingzwecken sowie zu Marketingzwecken Dritter: Vorname, Nachname, Postadresse, Geburtsjahr. X(…) ist außerdem dazu berechtigt, den genannten Daten weitere über Sie unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben erhobene personenbezogene Daten zu eigenen Marketingzwecken sowie zu Marketingzwecken Dritter hinzu zu speichern. Unter diese hinzu gespeicherten Daten können z.B. die Kategorien von Waren (z.B. „Mode“), die sie bei X(…) erworben haben, fallen. Ziel von X(…) ist es, Ihnen allein an Ihren tatsächlichen oder vermeintlichen Bedürfnissen orientierte Werbung zukommen zu lassen und Sie entsprechend nicht mit unnützer Werbung zu belästigen. Rechtsgrundlage für diese Datenverarbeitung ist Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f) DSGVO. Nicht zu Marketingzwecken durch X(…) werden solche Daten genutzt, für deren Verarbeitung andere Händler auf der Plattform x(…).de datenschutzrechtlich verantwortlich sind. Hierbei handelt es sich z.B. um Daten, die im Rahmen der Abwicklung von Käufen bei Partnern von X(…). auf der Plattform anfallen. (…)" Die Klägerin rügte diese Nutzung der Daten als unzulässig. Notwendig sei hierfür eine ausdrückliche Einwilligung des Users, die jedoch nicht eingeholt werde. 3. Entscheidung des Gerichts: Das Gericht wies die Klage vollumfänglich ab. a. Bereitstellung eines Gastzugangs nicht ausnahmslos erforderlich: Es sei zwar richtig, dass einen entsprechenden Beschluss der Datenschutzkonferenz gebe, der die Bereitstellung eines Gastzugangs verlange. Im vorliegenden Fall könne jedoch von diesem Grundsatz abgewichen werden. Hierzu hatte das Gericht den Hamburgischen Datenschutzbeauftragten angehört, der folgende schriftliche Stellungnahme in der gerichtlichen Auseinandersetzung abgab: "Zwar ist im Beschluss der DSK vom 24. März 2022 (…) im Wesentlichen dargelegt, dass im Online-Handel grundsätzlich ein Gastzugang anzubieten ist. Allerdings besteht für Online-Händler die Möglichkeit, im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände von diesem Grundsatz abweichen zu können. Die X(…) GmbH & Co. KG hat hierzu unter Vorlage entsprechender Kennzahlen geltend gemacht, dass es sich bei dem Angebot auf www.x(…).de um einen Marktplatz handelt, auf welchem nicht nur die X (…) GmbH & Co. KG selbst, sondern auch mehrere Tausend angeschlossene Dritthändler Waren vertreiben. Ein erheblicher Teil der Bestellungen bzw. der bestellten Waren betrifft (auch) Dritthändler. Das Kund*innenkonto ist damit das zentrale Informationsportal, um Informationen zu getätigten Bestellungen bzw. den Händlern nachvollziehen zu können, Kommunikation mit diesen zu führen und Garantie-, Gewährleistungs- und Rücksenderechte in Anspruch zu nehmen. Aufgrund der sehr hohen Zahl an Bestellungen über www.x(…).de ist auch die Anzahl der entsprechenden nachgelagerten Kommunikations- und Bearbeitungsvorgänge sehr hoch. Es besteht ein erhebliches Interesse des Unternehmens daran, diese Vorgänge in möglichst effizienter Weise darzustellen und verfügbar zu machen. All diese Informationen und Funktionen im Kund*innenkonto abbilden und zugänglich machen zu können, bietet dabei erhebliche Effizienzvorteile gegenüber der ausschließlich individuellen Beantwortung von E-Mails oder Telefonanrufen. Dies gilt auch bei nur einer einzigen Bestellung. In diesem Sinne wertet der HmbBfDI die in dem Beschluss der DSK als Voraussetzung genannte, ausnahmsweise Erforderlichkeit eines fortlaufenden Kund*innenkontos zur Vertragserfüllung nicht lediglich als auf den Verkauf einer Ware, sondern auch auf die unternehmensseitige Notwendigkeit bezogen, sämtliche im Rahmen der Zurverfügungstellung des Marktplatzes www.x(…).de anfallenden Kund*innenanfragen bewältigen und die Kund*innen zum großen Teil auch auf die Informationen und Funktionen im Kund*innenkonto verweisen zu können." Und weiter: "b) Bei der Erstellung eines Kund*innenkontos auf www.x(…).de wird im Vergleich zu einer hypothetischen Gastbestellung ausschließlich das Passwort als zusätzliches Datum erhoben. Die Eingriffsintensität für Kund*innen ist damit vergleichsweise gering. Die Erhebung sämtlicher weiterer Angaben wäre auch bei einer Bestellung als Gast in datenschutzrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Datenerhebung (im Wesentlichen Name, Anschrift, Kontaktdaten, Geburtsdatum, Telefonnummer) ist insoweit entweder erforderlich, um das Geschäft durchzuführen (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b) DSGVO) oder liegt im überwiegenden berechtigten Interesse des Unternehmens, insbesondere zur Betrugsprävention bzw. der Verhinderung von Identitätstäuschungen (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO i.V. m. Erwägungsgrund 47 zur DSGVO). In datenschutzrechtlicher Hinsicht ist zudem sowohl sicher als auch datensparsam, dass sich Kund*innen unter Verwendung eines von ihnen gewählten Passwortes in das Kund*innenkonto einloggen und auf die dort hinterlegten Informationen selbst zugreifen können. Die Alternative hierzu, sich bei jedem Kontakt mit der X(…) GmbH & Co. KG und/oder den Dritthändlern unter Angabe verschiedener personenbezogener Daten zu identifizieren, ist unter Gesichtspunkten des Datenschutzes unvorteilhaft. (…) d) Daraus folgt, dass der einzige Unterschied in der unternehmensseitigen Datenverarbeitung bei dem Anlegen eines Kund*innenkontos und somit der Grund für die erhöhte Eingriffsintensität damit nicht in einer zusätzlichen Erhebung von Daten besteht, sondern in der Schaffung einer individuellen Zugangsmöglichkeit der Kund*innen zu den eigenen, im Kund*innenkonto hinterlegten personenbezogenen Daten. Hiermit ist die theoretische Gefahr verbunden, dass unbefugte Dritte diese Zugangsmöglichkeit nutzen. Zur Minimierung dieser Gefahr besteht allerdings die Möglichkeit, nach Abschluss der Bestellung die Löschung des Kontozugangs zu verlangen. Zwar entfällt damit die Möglichkeit, selbst auf die dort verfügbaren Dienste und Informationen zuzugreifen. Mit der Löschung des Kontozugangs ist die Bestellung dann aber im Ergebnis einer Gastbestellung gleichgestellt. Auch ohne ein diesbezüglich ausdrückliches Verlangen wird der Zugang automatisch gelöscht, sofern über das Kund*innenkonto innerhalb von drei Jahren ab Jahresende (§§ 195, 199 BGB) keine weitere Bestellung erfolgt. Erfolgt das Anlegen eines Kund*innenkontos ohne Bestellung, so wird es bereits nach 30 Tagen gelöscht. e) Zusammengefasst stellt die X(…) GmbH & Co. KG auf www.X(…).de einen [Marktplatz] mit einer Vielzahl angeschlossener Händler bereit, über den eine hohe Zahl an Bestellungen getätigt wird. Für die den Bestellungen nachgelagerte Kommunikation und Rechteausübung fällt ein erheblicher Zeit- und Ressourcenaufwand an. Dieser Aufwand kann für sämtliche Beteiligte mittels der im Kund*innenkonto zur Verfügung gestellten Kommunikationsmöglichkeiten und Funktionen sowie einer standardmäßig erfolgenden Kontoerstellung deutlich verringert werden." Dieser Argumentation schloss sich das LG Hamburg nahtlos an. Aufgrund der Tatsache, dass lediglich ein zusätzliches Passwort verlangt werde, sei es angemessen, eine Registrierung zu verlangen und keinen Gastzugang anzubieten: "Diese Auffassung teilt die Kammer im Ergebnis. Die Beklagte hat hinreichende Gründe dafür dargelegt, für eine Bestellung auf dem von ihr betriebenen [Marktplatz] mit an diesen angeschlossenen Dritthändlern die Anlage eines fortlaufenden Kundenkontos zu verlangen und daneben keinen Gastzugang anzubieten, und die im Rahmen der Anlage eines derartigen Kundenkontos erfolgende Datenerhebung und -verarbeitung durch die Beklagte trägt den Grundsätzen der Datenminimierung und der datenschutzfreundlichen Voreinstellungen zur Überzeugung des Gerichts hinreichend Rechnung. (…) Im Ergebnis der von der Kammer vorzunehmenden Gesamtbetrachtung und unter Zugrundelegung des Schutzzwecks der Grundsätze der Datenminimierung und der datenschutzfreundlichen Voreinstellungen ist es vorliegend damit erforderlich und verhältnismäßig, für eine Bestellung im Online-Shop der Beklagten das Anlegen eines fortlaufenden Kundenkontos durch den Besteller zu verlangen, mit der damit einhergehenden Datenerhebung und -verarbeitung. (…) Zudem überwiegen im Rahmen der praktischen Bestellabwicklung für den Verbraucher die Vorteile, die ein fortlaufendes Kundenkonto auf dem Online-Marktplatz der Beklagten mit sich bringt, gegenüber einem etwaigen, mit der Verpflichtung, bei der Anlegung eines solchen Kontos insbesondere auch ein Passwort anzugeben, verbundenen Nachteil." b. Nutzung zu Werbezwecken nach Art. 6 f) DSGVO gerechtfertigt: Ebenso wenig sah das Gericht in den Klauseln zur Datennutzung eine Datenschutzverletzung. Vielmehr sei das Handeln durch die berechtigten Interessen nach Art. 6 Abs.1 f) DSGVO gerechtfertigt. "Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO ist eine Datenverarbeitung aber dann rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt. Nach Erwägungsgrund 47 (letzter Satz) zur DSGVO kann ein derartiges berechtigtes Interesse von Unternehmen an einer Datenverarbeitung zum Zwecke der Direktwerbung bestehen. Von einem Erfordernis einer Einwilligung in eine Datenverarbeitung zu Zwecken der Direktwerbung hat der Unionsgesetzgeber daher auch Abstand genommen und sich, wie in Art. 21 Abs. 2 DSGVO normiert, für ein Widerspruchsrecht des Betroffenen entschieden, wie es Ziff. 3.2.1 der Datenschutzerklärung auch enthält. Soweit „Direktwerbung“ ein Minus gegenüber personalisierten Werbemitteln sein kann, da sich „Direktwerbung“ auch auf die bloße Nutzung von E-Mail-Adressen für die Zusendung eines breit gefächerten und nicht durch die Verwendung weiterer Nutzerdaten eingeschränkten Angebots beschränken kann, erkennt der Unionsgesetzgeber aber auch die Auswertung des Bestellverhaltens eines Kunden zur (weiteren) Personalisierung von Werbemitteln als zulässiges Marktverhalten an, namentlich in Art. 13 Abs. 2 der RL 2002/58/EG vom 12.07.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation). Danach kann „eine natürliche oder juristische Person, wenn sie von ihren Kunden im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung […] deren elektronische Kontaktinformationen für elektronische Post erhalten hat, diese zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen verwenden, sofern die Kunden klar und deutlich die Möglichkeit erhalten, eine solche Nutzung ihrer elektronischen Kontaktinformationen zum Zeitpunkt ihrer Erhebung und bei jeder Übertragung gebührenfrei und problemlos abzulehnen, wenn der Kunde diese Nutzung nicht von vornherein abgelehnt hat“. Auch vor dem Hintergrund der hieraus folgenden unionsrechtlichen Zulässigkeit der Auswertung der Bestellhistorie eines Kunden durch den Betreiber eines Online-Marktplatzes zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen besteht danach ein überwiegendes berechtigtes Interesse der Beklagten i. S. v. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO an einer dahingehenden Datenverarbeitung und -verwendung." Und weiter: "Ein danach verbleibendes, über die Wahrung überwiegender berechtigter Interessen hinausgehendes und daher etwaig unzulässiges Verhalten der Beklagten auf der Grundlage von Ziff. 3.2.1 ihrer Datenschutzerklärung kann die Kammer nicht feststellen. Dem Klägervortrag können auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte für ein diese Voraussetzungen erfüllendes – drohendes – Verhalten der Beklagten entnommen werden. Ein solches konkretisierbares Verhalten, dass über ein von Art. 13 Abs. 2 der RL 2002/58/EG legitmiertes Vorgehen hinausginge, lässt sich insbesondere auch der Datenschutzerklärung der Beklagten nicht entnehmen. Wenn darin beispielhaft die Heranziehung der „Kategorien von gekauften Waren (z.B.,Mode'), die sie bei X (…) erworben haben, für die Personalisierung von Werbemitteln“ die Rede ist, stellt eine solche Maßnahme gerade die Verarbeitung von Daten zur „Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte“ im Sinne von Art. 13 Abs. 2 der RL 2002/58/EG dar." | | | | 10. | LG Lüneburg: 500,- EUR DSGVO-Schadensersatz für zahlreiche Werbe-Mails trotz Abmeldung vom Newsletter | Erhält ein User trotz Abmeldung vom Newsletter in der Folgezeit unerlaubt noch zahlreiche weitere Werbe-Mails, liegt hierin eine Datenschutzverletzung, die einen DSGVO-Schadensersatz iHv. 500,- EUR rechtfertigt (LG Lüneburg, Urt. v. 07.12.2023 - Az.: 5 O 6/23). Der Kläger hatte bei dem Beklagten, einem Unternehmen, einen Newsletter abonniert. Nach einiger Zeit meldete sich der Kläger aus dem Verteiler ab. Trotzdem erhielt er danach noch mehrfach weitere Werbe-Mails. Daraufhin meldete er sich erneut an. Diese Abmeldung wurde ihm auch per E-Mail bestätigt. Gleichwohl erhielt der Kläger auch Wochen und Monate spätere weitere elektronische Nachrichten. Daraufhin zog der Kläger vor Gericht und verlangte neben Unterlassung auch einen DSGVO-Schadensersatz iHv. 800,- EUR. Das LG Lüneburg sprach dem Betroffenen den Anspruch zu. 1. DSGVO-Verletzung: Da die Beklagte trotz Abmeldung weiterhin Werbenachrichten übermittelt habe, liege ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht vor: “Die Beklagte hat gegen Bestimmungen der DS-GVO verstoßen, indem sie dem Kläger Werbeemails zugeschickt hat, ohne dass dies nach Art. 6 Abs.1 DS-GVO gerechtfertigt war. Der Kläger hatte seine zunächst erteilte Einwilligung zu dem Erhalt von Werbeemails zuvor unbestritten widerrufen. Die Beklagte konnte folglich keinen rechtfertigenden Tatbestand gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO mehr für den Versand der streitgegenständlichen Werbeemails darlegen.” 2. Schadensersatz iHv. 500,- EUR: Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Zahlung von 500,- EUR: "Als immaterieller Schaden kommen Ängste, Stress, Komfort- und Zeiteinbußen in Betracht (…). Hier hat der Kläger unbestritten viermal gegenüber der Beklagten erklärt, dass er keine weiteren Werbeemails wünscht. Zweimal ließ der Kläger dies sogar von seinem bevollmächtigten Rechtsanwalt erklären. Dennoch hat die Beklagte dem Kläger weiterhin Werbeemails geschickt. Der bei dem Kläger dadurch verursache Ärger, Zeitverlust und Eindruck des Kontrollverlusts stellt einen Schaden im Sinne der Norm dar. Die negativen Auswirkungen des Verstoßes gegen die DS-GVO liegen darin, dass sich der Kläger mit der Abwehr der von ihm unerwünschten Werbung auseinandersetzen musste. Dies sogar mehrfach, da die Beklagte seinen Widerruf der Einwilligung mehrfach missachtete. Der Umstand, dass sogar der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte zweimal erfolglos zum Unterlassen aufforderte, ist geeignet bei dem Kläger den belastenden Eindruck der Hilflosigkeit und des Kontrollverlustes in Bezug auf seine Datenverarbeitung zu führen." Und weiter: "5. Bei der Bestimmung der Höhe des Schadensersatzes, die der Kläger in das Ermessen des Gerichts gestellt hat, sind gem. § 287 Abs.1 S. 1 ZPO alle Umstände des Einzelfalls würdigen, insbesondere Art, Intensität und Dauer der erlittenen Rechtsverletzung. Auch bei der Höhe des Schadens ist der Effektivitätsgrundsatz zu berücksichtigen. Das Amtsgericht Pfaffenhofen (AG Pfaffenhofen, Endurteil v. 09.09.2021 - 2 C 133/21) entschied in einem ähnlichen Fall: „Die Höhe des Anspruchs ist dabei nicht willkürlich, sondern auf der Grundlage der inhaltlichen Schwere und Dauer der Rechtsverletzung zu beurteilen, unter Berücksichtigung des Kontexts, der Umstände eines Verstoßes. Genugtuungs- und Vorbeugungsfunktion können bei der Bezifferung eine Rolle spielen. Einerseits darf die Höhe des Schadensersatzes keine Strafwirkung entfalten. Andererseits reicht ein künstlich niedrig bezifferter Betrag mit symbolischer Wirkung nicht aus, um die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen (vgl. Paal/Pauly/Frenzel, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 82 Rn. 12a).“ Dabei sprach das AG Pfaffenhofen dem Kläger 300,00 Euro für eine unerwünscht erhaltene Werbeemail zu, wobei in dem dortigen Fall die Beklagte die Emailadresse des Klägers gänzlich ohne dessen Einwilligung erhalten hatte. Das AG Diez (Urteil vom 17.04.2018 - 7 O 6829/17) erachtete in dem Fall eines Versandes einer Werbeemail, mit welcher die Beklagte am 25.5.2018, als die DS-GVO Gültigkeit erlangte, eben aus diesem Grund und unter Bezugnahme hierauf nach einer Einwilligung zum Newsletter-Bezug anfragte, einen Schadensersatzanspruch als unbegründet. In einem ähnlichen Fall lehnte das AG Goslar (Urteil vom 27.09.2019 - 28 C 7/19) einen Schadensersatzanspruch ab, da es sich auch in dem dortigen Fall um lediglich eine Werbeemail handelte: „Für das Gericht ist aufgrund des Vortrags des Klägers ein Schaden indes nicht ersichtlich. Es handelte sich lediglich um eine einzige Werbe-E-Mail, die nicht zur Unzeit versandt wurde und aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes deutlich zeigt, dass es sich um Werbung handelt, so dass ein längeres Befassen mit der E-Mail nicht notwendig war.“ Im Interesse einer effektiven Abschreckung und einer Kompensierung des erlittenen Schadens ist das Verhalten der Beklagten in Form der mehrfachen Missachtung des ausdrücklich erklärten Willens des Klägers als schadensersatzerhöhend zu berücksichtigen. Schadensersatzerhöhend ist ebenfalls die Häufigkeit des Verstoßes zu berücksichtigen. In dem vorliegenden Fall hat der Kläger in einem Zeitraum von knapp vier Monaten insgesamt dreizehn Werbeemails von der Beklagten erhalten. Er erhielt dabei jeweils 4 bzw. 5 Werbeemails in kurzer Zeitabfolge, teilweise fast täglich. Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass die Auswirkungen des Verstoßes gegen die DS-GVO den Wirkungsbereich des Klägers nicht verlassen haben. Es wurde durch den Verstoß kein Bereich berührt, der etwa die Beziehung des Klägers zu Dritten berührt. Das Gericht erachtet vorliegend im Ergebnis eine Entschädigung von 500,00 EUR für angemessen." | | | | | | Allgemeine Informationen zum Newsletter |
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