| | Die einzelnen News | | 1. | OGH Wien: Jeder Shitstorm-Teilnehmer haftet alleine für sämtliche verursachten Schäden | Ein Shitstorm entsteht erst durch die Teilnahme vieler. Wer sich daran beteiligt und zur Weiterverbreitung aufruft, muss damit rechnen, dass er den Gesamtschaden gegenüber dem Opfer (vorweg)leisten und sich in der Folge der Mühe der Aufteilung des Ersatzes unter den anderen Schädigern unterziehen muss. Der Kläger ist Polizist. Er wurde anlässlich eines Einsatzes gefilmt. Ein Dritter veröffentlichte das Video in einem sozialen Medium (Facebook) mit folgendem – einen Aufruf zur Beteiligung an einem Shitstorm enthaltenden – Begleittext: „Lasst dieses Gesicht des Polizisten um die Welt gehen. Dieser Polizist eskalierte bei der Demo in Innsbruck. Ein 82-jähriger unschuldiger Mann wurde zu Boden gerissen, verhaftet, und Stundenlang verhört. Dieser Polizist ist schuldig“. Tatsächlich war der Kläger damals (nur) Glied einer polizeilichen Absperrkette gewesen und hatte nicht an der Amtshandlung gegenüber dem 82-jährigen Mann teilgenommen. Der Beklagte teilte das Posting auf seinem Facebook-Profil aus „Unmut“ und nahm dabei in Kauf, ein Bild des Klägers samt dem herabsetzenden Text ohne Prüfung auf den Wahrheitsgehalt in Umlauf zu bringen. Der Kläger begehrt Ersatz für den immateriellen Schaden, den er aufgrund des über ihn hereingebrochenen Shitstorm erlitten hat. Die Vorinstanzen verneinten einen Anspruch auf Rechnungslegung/Auskunft im Rahmen einer Stufenklage und sprachen dem Kläger 450 EUR zu. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers teilweise Folge. Er verpflichtete den Beklagten zur Zahlung des gesamten begehrten Betrags in Höhe von 3.000 EUR als Ersatz für den durch die Verstöße gegen Datenschutz und Bildnisschutz verursachten Schaden. Nach ausführlicher Auseinandersetzung mit Fragen des Nachweises der Verursachung und der (Un-)Teilbarkeit des durch einen Shitstorm herbeigeführten Schadens kommt der Oberste Gerichtshof zum Schluss, dass das Opfer eines Shitstorm nicht zu jeder von ihm erlittenen Kränkung oder Gefühlsbeeinträchtigung, etwa durch Konfrontation damit in seinem Umfeld, die konkrete „Quelle“ der herabsetzenden Äußerung als Ursache benennen und belegen muss. Es genügt der Nachweis des Klägers, Opfer eines Shitstorm gewesen zu sein, und dass sich der konkret belangte Schädiger daran rechtswidrig und schuldhaft beteiligt hat. Die mit einem Shitstorm einhergehende Unaufklärbarkeit der Verursachung einzelner Folgen und die Unteilbarkeit des Schadens haben die Schädiger mit der Konsequenz zu tragen, dass das Opfer den Ersatz für den gesamten Schaden im Wege der Solidarhaftung berechtigt auch nur von einem von ihnen verlangen kann. Die Schwierigkeit, andere Schädiger ausfindig zu machen, und das Risiko der Uneinbringlichkeit (bei einzelnen Schädigern) ist von den Schädigern zu tragen. Die einzelnen Poster, die zumindest teilweise untereinander vernetzt sind und wissen, an welche „Freunde“ sie den Beitrag weitergeleitet haben, haben die Schadensaufteilung im Regressweg untereinander vorzunehmen. Die Abweisung der Stufenklage wurde bestätigt. OGH | 6 Ob 210/23k Quelle: Pressemitteilung des OGH Wien v. 26.04.2024 | | | | 2. | LAG Berlin-Brandenburg: Wegen antisemitischer Äußerungen auf Facebook und X Kündigung eines Redakteurs bei der Deutschen Welle wirksam | Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat – anders als noch das Arbeitsgericht Berlin – entschieden, dass die fristlose Kündigung eines in der arabischen Redaktion der Deutschen Welle beschäftigten gehobenen Redakteurs wirksam ist. Der seit 2005 zunächst als freier Mitarbeiter beschäftigte Redakteur hatte im Zeitraum von 2014 bis 2019 auf seinen privaten Facebook- und Twitterkonten Äußerungen zu Israel und Palästina veröffentlicht, die nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts antisemitischen Charakter hatten und das Existenzrecht Israels in Abrede stellten. Im Jahr 2021 schloss er ein befristetes Arbeitsverhältnis mit der Deutschen Welle ab. Nachdem die Deutsche Welle aufgrund von Presseberichten über angeblich antisemitische Äußerungen anderer Beschäftigter der arabischen Redaktion eine externe Untersuchung veranlasst hatte, löschte er 2022 einige dieser Veröffentlichungen. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass der Redakteur als sogenannter Tendenzträger verpflichtet war, sowohl bei seiner Arbeitsleistung als auch im außerbetrieblichen Bereich nicht gegen die Tendenz, das heißt die grundsätzlichen Zielsetzungen, der Deutschen Welle zu verstoßen. Dazu gehörten die Grundsätze, das Existenzrecht Israels nicht in Frage zu stellen und sich gegen Antisemitismus sowie jegliche Versuche, diesen zu verbreiten, einzusetzen. Da derartige Äußerungen eines Redakteurs auch im privaten Bereich geeignet seien, den Ruf der Deutschen Welle als Stimme der Bundesrepublik Deutschland im Ausland zu schädigen, liege eine schwerwiegende Verletzung vertraglicher Nebenpflichten vor, die zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigten. Auch wenn der Redakteur nach Begründung des Arbeitsverhältnisses keine zu beanstandenden Äußerungen mehr veröffentlicht habe, hätten sich die zuvor getätigten und auch nach Begründung des Arbeitsverhältnisses noch öffentlich abrufbaren Äußerungen weiter ausgewirkt. Da der Redakteur aufgrund der Rundfunkfreiheit der Deutschen Welle gemäß Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz gehalten sei, die Tendenz der Deutschen Welle zu wahren, könne er sich für antisemitische und das Existenzrecht Israels leugnende Äußerungen auch nicht mit Erfolg auf seine Meinungsfreiheit (Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz) berufen. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen. Hiergegen kann der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht erheben. Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. April 2024, Aktenzeichen 5 Sa 894/23 Quelle: Pressemitteilung des LAG Berlin-Brandenburg v. 12.06.2024 | | | | 3. | OLG Frankfurt a.M.: X (ehemals Twitter) haftet für fremde rechtswidrige Inhalte nur bei ausreichend konkreter Verdachtsmeldung | Ein Plattformbetreiber haftet für rechtsverletzende Inhalte von Nutzern der Plattform nur, wenn die Beanstandungen eines Betroffenen - die richtig oder falsch sein können - so konkret gefasst sind, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann. Der Pressesenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung Unterlassungsansprüche mangels hinreichend konkret erhobener Beanstandungen zurückgewiesen. Der Kläger ist Antisemitismusbeauftragter in Baden-Württemberg. Die Beklagte betreibt die Plattform „X“ (vormals Twitter). Der Kläger meldete der Beklagten mit Anwaltsschreiben eine Vielzahl von Tweets mit aus seiner Sicht rechtsverletzenden Inhalten und forderte zur Entfernung und Unterlassung auf. Die Beklagte löschte im Ergebnis den Account eines Nutzers, der sechs der beanstandeten Tweets veröffentlicht hatte. Das Landgericht hatte die Beklagte auf den Eilantrag des Klägers hin verpflichtet, es zu unterlassen, fünf näher benannte Äußerungen des Nutzers über den Kläger zu verbreiten. Auf die Berufung der Beklagten wies das OLG den Unterlassungsantrag ab. Zur Begründung führte es aus, dass die Beklagte nach den höchstrichterlichen Grundsätzen zur Providerhaftung hier nicht in Anspruch genommen werden könne. Die Beklagte stelle lediglich eine Plattform für Äußerungen Dritter zur Verfügung. Damit hafte sie als Provider für etwaige rechtsverletzende Inhalte erst nach Kenntniserlangung. Ein Betroffener müsse sie zunächst mit Beanstandungen konfrontieren, die so konkret gefasst sein müssten, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann. Erst dann treffe den Provider die Verpflichtung zur weiteren Ermittlung und Bewertung des angezeigten Sachverhalts. Vorliegend habe das Anwaltsschreiben der Beklagten keine hinreichende Kenntnis von den Tatsachen vermittelt, aus denen ihr eine Rechtsverletzung ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Prüfung erkennbar gewesen sei. Es sei ohne jegliche Begründung oder Sachverhaltsdarstellung allein von „rechtswidrigen Inhalten“ die Rede gewesen. Aus den beanstandeten Tweets allein sei nicht hervorgegangen, dass der Kläger sich gegen die Verbreitung konstruierter Lebenssachverhalte wende, denen es an einer tatsächlichen Grundlage fehle bzw. gegen nicht erweislich wahre Tatsachen. Dies sei den Tweets auch nicht immanent und damit für die Beklagte klar gewesen. Dass die Beklagte letztlich den gesamten Account des Nutzers gesperrt - und nicht nur die angezeigten Tweets gelöscht habe - zeige, dass für sie der Rechtsverstoß gerade nicht unschwer erkennbar gewesen sei. Ohne Erfolg berufe sich der Kläger auch darauf, dass das von der Beklagten bereitgestellte Meldeformular kein Textfeld für weitere konkretisierende individuelle Angaben bereitstelle. Das Meldeformular entspreche den Vorgaben des NetzDG und bezwecke damit in erster Linie eine Kontrolle nach strafbaren Inhalten. Zudem wären nähere Angaben sowohl in der Spalte „Inhalt“ als auch im Rahmen eines Anhangs möglich gewesen. Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar. Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 13.6.2024, Az. 16 U 195/22 (vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.12.2022, Az. 2-03 O 325/22) Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 13.06.2024 | | | | 4. | OLG Frankfurt a.M.: Kein Schadensersatz wegen unrichtiger Geldwäscheverdachtsmeldung | Sowohl die Meldepflicht als auch die Haftungsfreistellung sind dabei nach dem GwG grundsätzlich weit auszulegen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit heute veröffentlichter Entscheidung Schadensersatzansprüche wegen einer unrichtigen Geldwäscheverdachtsmeldung (hier: Verdacht des Insiderhandels im Zusammenhang mit Wirecard-Aktien) zurückgewiesen. Der Kläger war bis 2008 Aufsichtsratsvorsitzender der Wirecard AG. Die beklagte deutsche Großbank hatte dem Kläger im Juni 2020 telefonisch geraten, Aktien der Wirecard AG aus dem Depot seiner Ehefrau zu verkaufen, da sie die Aktien neu bewertet habe. Der Kläger platzierte daraufhin - in Vollmacht seiner Frau - eine Verkaufsorder für eine im unteren sechsstelligen Bereich liegende Anzahl an Aktien der Wirecard AG. Zwei Tage später veröffentlichte die Wirecard AG eine ad-hoc-Meldung über die Stellung eines Insolvenzantrags. Nachfolgend brach der Aktienkurs nochmals signifikant ein. Die Beklagte erstattete einen Monat später eine Geldwäscheverdachtsmeldung gegen den Kläger und seine Frau. Ein gegen das Ehepaar eingeleitetes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, nachdem die BaFin keine überwiegenden Anhaltspunkte für die Verwertung von Insiderinformationen bei der gemeldeten Transaktion festgestellt hatte. Der Kläger nimmt die Beklagte nunmehr auf Schadensersatz wegen einer unrichtigen Verdachtsmeldung in Anspruch. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Zur Begründung wies der zuständige 3. Zivilsenat darauf hin, es könne offenbleiben, ob die Beklagte durch die Erstattung der Geldwäscheverdachtsmeldung und insbesondere die unterlassene Erwähnung der zuvor von ihr erfolgten Verkaufsempfehlung ihre vertraglichen Pflichten verletzt habe. Jedenfalls komme ihr der gesetzliche Haftungsausschluss nach § 48 Abs. 1 GwG zu gute. Gem. § 48 Abs. 1 GwG darf derjenige, der einen Sachverhalt meldet, deshalb nicht nach zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Vorschriften verantwortlich gemacht oder disziplinarrechtlich verfolgt werden, es sei denn, die Meldung oder Strafanzeige ist vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden. Hier sei die Beklagte zur Abgabe der Meldung berechtigt gewesen. Die Meldung habe insbesondere an Tatsachen angeknüpft, die eine Meldepflicht auslösen. Der meldepflichtige Verdacht habe sich auf die Straftat des Insiderhandels und damit eine taugliche Vortat der Geldwäsche bezogen. Ausreichend sei dabei ein niedriger Verdachtsgrad. „Die Meldepflicht nach § 43 GwG und die Haftungsfreistellung nach § 48 Abs. 1 GwG sind grundsätzlich weit auszulegen, da die Beurteilung, wann Umstände so ungewöhnlich oder auffällig sind, nicht klar zu bestimmen sind“, führte das OLG vertiefend aus. Der geringe Verdachtsgrad sei hier objektiv erreicht gewesen. Der Verkauf einer großen Stückzahl von Aktien sei mit dem öffentlichen Bekanntwerden der dortigen Unregelmäßigkeiten und letztlich der Insolvenzantragstellung zeitlich eng zusammengetroffen, auch wenn dies dem Kläger nicht anzulasten sei. Vor dem Hintergrund der Verbindungen des Klägers zu dem Unternehmen habe damit eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Verwertung von Insiderkenntnissen gesprochen. Die Meldung sei auch nicht unwahr gewesen, da die ihr zu Grunde liegenden Tatsachen der Wirklichkeit entsprachen. Dass die Beklagte ihre eigene Empfehlung zum Verkauf nicht in der Meldung erwähnt habe, mache diese nicht unwahr oder entstelle sie in einer maßgeblichen Weise. Im Übrigen hätte diese Mitteilung die weiteren den Verdacht stützenden Tatsachen nicht ausgeräumt. Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 15.4.2024 i.V.m. Zurückweisungsbeschluss vom 29.5.2024, Az. 3 U 192/23 (vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 11.10.2023, Az.: 2-12 O 181/23) Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 12.06.2024 Erläuterungen: § 48 GwG Freistellung von der Verantwortlichkeit (1) Wer Sachverhalte nach § 43 meldet oder eine Strafanzeige nach § 158 der Strafprozessordnung erstattet, darf deshalb nicht nach zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Vorschriften verantwortlich gemacht oder disziplinarrechtlich verfolgt werden, es sei denn, die Meldung oder Strafanzeige ist vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden. (2) .... § 43 GwG Meldepflicht von Verpflichteten, Verordnungsermächtigung (1) Liegen Tatsachen vor, die darauf hindeuten, dass 1. ein Vermögensgegenstand, der mit einer Geschäftsbeziehung, einem Maklergeschäft oder einer Transaktion im Zusammenhang steht, aus einer strafbaren Handlung stammt, die eine Vortat der Geldwäsche darstellen könnte, 2. ein Geschäftsvorfall, eine Transaktion oder ein Vermögensgegenstand im Zusammenhang mit Terrorismusfinanzierung steht oder 3. der Vertragspartner seine Pflicht nach § 11 Absatz 6 Satz 3, gegenüber dem Verpflichteten offenzulegen, ob er die Geschäftsbeziehung oder die Transaktion für einen wirtschaftlich Berechtigten begründen, fortsetzen oder durchführen will, nicht erfüllt hat, so hat der Verpflichtete diesen Sachverhalt unabhängig vom Wert des betroffenen Vermögensgegenstandes oder der Transaktionshöhe unverzüglich der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen zu melden. 2Gibt der Verpflichtete zusätzlich zu der Meldung eines nach Satz 1 meldepflichtigen Sachverhalts auch eine Strafanzeige oder einen Strafantrag ab, so teilt er dies der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen mit Abgabe der Meldung mit. (2) ... | | | | 5. | OLG Hamm: Kein DSGVO-Schadenersatz gegen X (ehemals Twitter) wegen API-Bug | Ein Betroffener des sogenannten API-Bugs bei X (ehemals Twitter) hat gegen den Social Media-Dienst nur dann einen DSGVO-Schadensersatzanspruch, wenn er den behaupteten Nachteil nachweisen kann. Ihn trifft die volle Beweislast (OLG Hamm, Beschl. v. 14.05.2024 - Az.: 7 U 14/24). Der Streit zwischen den Parteien bezog sich auf einen Fehler in der Programmierschnittstelle (API) von X. In der 1. Instanz verlor der Kläger, weil er den behaupteten Schaden iHv. 3.000,- EUR nicht nachweisen konnte. In der Berufungsinstanz teilte das OLG Hamm diese Einschätzung und erließ einen entsprechenden Hinweisbeschluss. 1. Kein DSGVO-Schadensersatz: Hinsichtlich des Schadensersatz-Begehrens führte das Gericht aus: "3. Im Hinblick auf den Klageantrag zu 3 fehlt es, soweit Ersatz materieller Schäden begehrt wird, bereits an der erforderlichen Darlegung der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts reicht im vorliegenden Fall deswegen nicht aus, weil anders als in dem Senatsurteil vom 15.08.2023 zu Grunde liegenden Fall von einer Verletzung das klägerischen Rechts an seinen persönlichen Daten nicht ausgegangen werden kann. Lediglich für den Fall, dass der Kläger behauptet, eine Rechtsgutsverletzung sei schon eingetreten, lässt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die praktische Möglichkeit von Zukunftsschäden ausreichen (BGH Urt. v. 16.01.2001 – VI ZR 381/99, juris Rn. 7). Hieran fehlt es. Zwar behauptet der Kläger, seine Daten seien vom Datenvorfall bei der Beklagten betroffen. Dies hat er allerdings ohne jeglichen Anhaltspunkt behauptet, weswegen – auch bereits im Rahmen der Zulässigkeit – sein Vortrag insoweit unbeachtlich ist. Selbst wenn man abweichend hiervon die entfernte, aber nicht nur theoretische Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen ließe (…), ergäbe sich im Ergebnis nichts anderes. Im Hinblick auf die Sensibilisierung des Klägers für mögliche Phishing-Nachrichten ist nicht mit dem Eintritt eines Schadens zu rechnen." 2. Kein Anspruch auf API-Schnittstelle nach dem Stand der Technik: Zusätzlich verlangte der Kläger vor Gericht, “zu unterlassen, personenbezogene Daten der Klägerseite, namentlich Telefonnummer und Mailadresse sowie die W.-ID Dritten über eine API-Schnittstelle zugänglich zu machen, ohne die nach dem Stand der Technik möglichen Sicherheitsmaßnahmen vorzunehmen”. Auch dieses Verlangen wiesen die Robenträger zurück: "Der Klageantrag zu 4, der darauf gerichtet ist, eine API-Schnittstelle ohne die nach dem Stand der Technik möglichen Sicherheitsmaßnahmen zu unterbinden, ist auch hier nicht zuletzt im Hinblick auf § 890 Abs. 2 ZPO und § 259 ZPO unzulässig (…). Nach Feststellung des Landgerichts ist die streitgegenständliche Funktion des monierten Tools unstreitig nicht mehr existent." | | | | 6. | LG Düsseldorf: Für wettbewerbswidrige Diskriminierung bei ausländischem SEPA-Konto reicht bloßer Eindruck aus | Eine wettbewerbswidrige SEPA-Diskriminierung (hier: litauisches Konto) liegt bereits dann vor, wenn das Unternehmen durch bewusstes Handeln den Eindruck vermittelt, das Konto nicht zu akzeptieren. Nicht erforderlich ist, ob auch tatsächlich letzten Endes eine Ablehnung erfolgt (LG Düsseldorf, Urt. v. 08.03.2024 - Az.: 38 O 219/23). Ein Verbraucher hatte bei der Beklagten ein Zeitschriften-Abo. Im Laufe des Abonnements bat er das Unternehmen, die Entgelte zukünftig von seinem litauischen Konto einzuziehen. Die Beklagte bat um die Übersendung eines neuen, unterschriebenen SEPA-Lastschriftmandats und teilte zudem wörtlich mit: “Weiterhin möchten wir Sie darauf hinweisen, dass wir die Lastschrift nur von deutschen Konten einziehen können.” Das LG Düsseldorf sah bereits in der wörtlichen Erklärung einen Verstoß gegen Art. 9 Abs.3 SEPA-VO und nahm eine Wettbewerbsverletzung an. Es reiche daher, dass bereits der bloße Eindruck erweckt werde, dass ein ausländisches Konto nicht akzeptiert werde: "Entscheidend ist, ob das Gegenüber des Zahlungsempfängers – hier also ein Referenzverbraucher in dem eben beschriebenen Sinne in der Position des Empfängers der E-Mail der Beklagten – dessen Erklärung dahin versteht, dass der Zahlungsempfänger Gelder nur von in bestimmten Ländern geführten Konten einziehen wird, nicht hingegen, ob er meint, der Zahlungsempfänger sei hierzu befugt und könne rechtlich verbindliche Festlegungen treffen. Von einer durch Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO verbotenen „Vorgabe“ des Mitgliedstaates, in dem das Konto des Zahlers zu führen ist, ist deshalb bereits dann auszugehen, wenn der Zahlungsempfänger faktisch das Verhalten des Zahlers lenkt, indem er den Eindruck vermittelt, nur in bestimmten Ländern geführte Konten zu akzeptieren." Der Wettbewerbsverstoß an sich liege darin, dass die ausländische Zahlungsverbindung hätte akzeptiert werden müssen: "Die Beklagte hat mit dem Versand der E-Mail an ihren Kunden gegen Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO verstoßen. Gemäß Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO gibt ein Zahlungsempfänger, der eine Überweisung annimmt oder eine Lastschrift verwendet, um Geldbeträge von einem Zahler einzuziehen, der Inhaber eines Zahlungskontos innerhalb der Union ist, nicht vor, in welchem Mitgliedstaat dieses Zahlungskonto zu führen ist, sofern das Zahlungskonto die Anforderungen des Art. 3 SEPA-VO erfüllt. Diese Vorgabe hat die Beklagte missachtet." | | | | 7. | LG Heidelberg: Biozid-Hinweis in Online-Shop erst nach Klicken eines weiterführenden Links nicht ausreichend | Erfolgt in einem Online-Shop der gesetzlich vorgeschriebene Biozid-Hinweis erst dann, wenn der User auf einen weiterführenden Link klickt, genügt dies nicht den gesetzlichen Anforderungen, sodass ein Wettbewerbsverstoß vorliegt (LG Heidelberg, Urt. v. 07.02.2024 - Az.: 11 O 18/23 KfH). Die Beklagte betrieb einen Online-Shop und verkaufte u.a. Desinfektion-Waschmittel. Der verpflichtende Biozid-Hinweis war erst einsehbar, wenn der Kunde auf den Link mit der Angabe “mehr” klickte. Dies bewertete das LG Heidelberg nicht ausreichend, da es an der notwendigen Transparenz fehle: "Die Klägerin hat (…) gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung für Biozid-Produkte, wenn dabei der erforderliche Warnhinweis erst nach der Produktbeschreibung nach Anklicken des Links „mehr“ erfolgt. Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO ist eine Marktverhaltensvorschrift (…). Die Beklagte hat gegen diese Marktverhaltensvorschrift verstoßen. Nach Art. 72 Abs. 1 S. 2 Biozid-VO muss sich der Hinweis „Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformation lesen“ von der eigentlichen Werbung deutlich abheben und gut lesbar sein. Das Erfordernis des „deutlich Abheben“ ist nicht erfüllt, wenn der Hinweis erst durch Anklicken eines Links aufgefunden werden kann. Denn daraus, dass sich der Hinweis von der Werbung abheben muss, ergibt sich, dass er sich bei der eigentlichen Werbung befinden muss. Sinn und Zweck ist es, den Leser schon bei der Wahrnehmung der eigentlichen Werbung darauf aufmerksam zu machen, dass das Produkt vorsichtig zu verwenden ist und vor dem Gebrauch Etikett und Produktinformation gelesen werden sollten. Dadurch soll verhindert werden, dass sich der Leser bei einer Kaufentscheidung der Gefahren des Produkts nicht bewusst ist. Dieser Zweck wird nicht erreicht, wenn erst nach Anklicken eines Links im Bereich der Werbung der Hinweis erscheint. Denn nicht jeder durch die Werbung Angesprochene wird sich veranlasst sehen, diesen Link überhaupt anzuklicken." | | | | 8. | VG Koblenz: Betrieb eines Weinautomaten auf Privatgrundstück kann aus Gründen des Jugendschutzes verboten werden | Der Betrieb eines Weinautomaten auf einem Privatgrundstück darf verboten werden. Das ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Koblenz. Die Klägerin betreibt einen Automaten, in dem sie selbst erzeugten Wein und Sekt zum Verkauf anbietet. Der Automat steht seit Anfang des Jahres 2023 auf einem in Bad Kreuznach gelegenen Privatgrundstück; er ist an der Grenze zum öffentlichen Verkehrsraum aufgestellt und nur von der Straße aus zu bedienen. Ende April 2023 gab die Stadt Bad Kreuznach der Klägerin unter Verweis auf das Jugendschutzgesetz auf, den Weinautomaten außer Betrieb zu nehmen. Damit war die Klägerin nicht einverstanden und erhob nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage. Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Klägerin, so die Koblenzer Richter, dürfe den Weinautomaten aufgrund der Vorschriften des Jugendschutzgesetzes nicht betreiben. Denn danach dürften alkoholische Getränke in der Öffentlichkeit nicht in Automaten angeboten werden. Zwar sehe das Jugendschutzgesetz eine Ausnahme davon u. a. dann vor, wenn der Weinautomat in einem gewerblich genutzten Raum aufgestellt sei. An dieser Voraussetzung fehle es jedoch, da sich der Automat auf dem Privatgrundstück der Klägerin befinde. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass Zigarettenautomaten – unabhängig von dem Belegenheitsort – bereits dann aufgestellt werden dürften, wenn eine jugendschutzkonforme Abgabe durch technische Vorrichtungen sichergestellt sei. Die mit Blick auf den Aufstellungsort unterschiedliche Behandlung von Zigaretten- und Alkoholautomaten sei aufgrund der verschiedenen Wirkweisen von Nikotin und Alkohol gerechtfertigt. Gegen diese Entscheidung können die Beteiligten einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen. (Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 27. Mai 2024, 3 K 972/23.KO) Quelle: Pressemitteilung des VG Koblenz v. 05.06.2024 | | | | 9. | LG München I: Bezeichnung "Mini Rostbratwürstchen" kein Hinweis auf geschützte geografische Angabe "Nürnberger Bratwürste" | Die unter anderem für das Markenrecht zuständige 33. Zivilkammer des Landgerichts München I hat die Klage eines Schutzverbands gegen eine Produzentin von Bratwürsten heute abgewiesen (33 O 4023/23). In dem Verfahren ging es um Rechte an dem geschützten Namen "Nürnberger Bratwürste / Nürnberger Rostbratwürste". Der Kläger ist ein Verein von Herstellern, die in Nürnberg Würste mit der entsprechenden sog. „geschützten geografischen Angabe“ (g.g.A.) produzieren. Nach einer EU-Verordnung dürfen g.g.A. bei der Vermarktung von Erzeugnissen (nur) verwendet werden, wenn sie der betreffenden Produktspezifikation entsprechen. Die Beklagte produziert ihre Würste mit der Bezeichnung "Mini Rostbratwürstchen" dagegen nicht in Nürnberg, sondern im niederbayerischen Geiselhöring. Rechtlich werden nach einer EU-Verordnung g.g.A. umfassend geschützt, u.a. gegen jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung sowie gegen alle sonstigen Praktiken, die geeignet sind, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen. Der Kläger beanstandete nun sowohl die konkrete Produktaufmachung, insbesondere auch die Größe der Würste der Beklagten, sowie die Verwendung der Bezeichnung "Mini Rostbratwürstchen" auf der Verpackung und verlangte die Unterlassung der Produktion. Der klagende Schutzverband hatte unter anderem damit argumentiert, dass die angegriffenen Warenaufmachungen der Beklagten insbesondere die charakteristische Größe und Form der „Nürnberger Rostbratwürste“ übernehmen würden. Dies stelle – auch ohne explizite Bezeichnung der Würste als „Nürnberger“ – eine Verletzung der geografischen Angabe dar. Denn diese Warengestaltung und die Verpackungsaufmachung führten dazu, dass die Verbraucher eine enge Verbindung zwischen dem Produkt der Beklagten und der g.g.A. herstellten. Auch eine Abbildung im Internet, welche die Würste der Beklagten auf einem Teller mit Weißbrot, Sauerkraut und Senf darstellt, sei eine Anspielung auf Nürnberger Rostbratwürste, die typischerweise mit eben diesen Beilagen gereicht würden. Dem folgte das Gericht nicht. Ein Anspielen auf den geschützten Namen „Nürnberger Rostbratwürste“ bzw. „Nürnberger Bratwürste“ insbesondere aufgrund der sichtbaren geringen Größe der Bratwürste und der verwendeten Bezeichnung „Mini-Rostbratwürstchen“ komme nicht in Betracht. Durch ihre Größe und Form werde kein Bezug zu einer bestimmten geographischen Herkunft hergestellt. Es liege auch keine sonstige Praktik vor, die den Verbraucher hinsichtlich des tatsächlichen Ursprungs der angegriffenen Würstchen irreführe. Insoweit sei die Größe der Würste angesichts der Vielzahl der auf dem Markt erhältlichen Würste in vergleichbarer Größe und Form schon keine – nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof erforderliche – besonders unterscheidungskräftige Eigenschaft. Die Kammer erkannte des Weiteren keine Irreführung der Verbraucher. Die Kammer führte hierzu aus: "Der angesprochene Verkehr, der europäische Durchschnittsverbraucher, nimmt das beanstandete Produkt in einem Marktumfeld wahr, in dem ihm eine Vielzahl an unterschiedlichen Wurstprodukten in identischer bzw. ähnlicher Form und Größe gegenübertritt. Er ist daher daran gewöhnt, in der konkreten Verkaufssituation nach anderen, unterscheidungskräftigen Kriterien auszuwählen. Ein solches unterscheidungskräftiges Kriterium ist die konkret genutzte Bezeichnung, wobei gattungsmäßige Begriffe regelmäßig nicht wahrgenommen werden. Maßgeblich bleibt damit die Angabe „Nürnberg“ oder „Nürnberger“, welche damit für die Beurteilung, ob das entsprechende Erzeugnis von der geschützten Bezeichnung erfasst wird, ausschlaggebend ist. Angesichts dieses Kontextes kann eine Irreführung durch das streitgegenständliche Erzeugnis der Beklagten nicht festgestellt werden." Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 13.06.2024 Zum Hintergrund: Maßgeblich ist hier die Verordnung VO (EU) Nr. 2024/1143 über geografische Angaben für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse und über garantiert traditionelle Spezialitäten und fakultative Qualitätsangaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1308/2013, (EU) 2019/787 und (EU) 2019/1753 und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012, die die vormals geltende VO (EU) Nr. 1151/2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel unter im Wesentlichen Beibehaltung der für den hiesigen Rechtsstreit maßgeblichen Regelungen aufhob. | | | | 10. | VG München: Und noch einmal: Kein Zugang zum Masterstudium, da Täuschung durch KI-erzeugtes Essay | Ein Student, der versucht, in einen Master-Studiengang aufgenommen zu werden, kann rechtmäßig abgelehnt werden, wenn er das erforderliche Essay mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) verfasst (VG München, Beschl. v. 08.05.2024 - Az.: M 3 E 24.1136). Erst Ende letzten Jahres hatte das VG München einen (nahezu) identischen Fall zu entscheiden, vgl. unsere Kanzlei-News v. 26.02.2024. Im vorliegenden Fall bewarb sich der Kläger um die Zulassung zu einem Masterstudium. Eine der Voraussetzungen war die Einreichung eines von ihm selbst geschriebenen Essays. Bei der Prüfung des Essays stellten die Gutachter fest, dass es mithilfe von KI erstellt worden war. Daraufhin verweigerte die Hochschule dem Kläger die Zulassung. Der Kläger reichte daraufhin eine Klage beim VG München ein, erhielt jedoch keine positive Entscheidung. 1. Beweislast für Täuschung liegt bei Hochschule: Die Beweislast dafür, dass der Aufsatz nicht vom Kläger verfasst wurde, trage die Hochschule, so das Gericht Dieser Pflicht sei die staatliche Einrichtung jedoch in ausreichender Form nachgekommen. "Vorliegend lässt der Umstand, dass sich einzelne Passagen des Essays hinsichtlich (fremd-)sprachlichem Niveau, Prägnanz, Inhaltsdichte und Struktur signifikant voneinander unterscheiden und gerade in den vom Detektionsprogramm markierten Passagen Merkmale enthalten sind, die für mittels künstliche Intelligenz erstellte Texte typisch sind, nach allgemeinem Erfahrungswissen darauf schließen, dass das Essay mit unerlaubter Hilfe erstellt wurde. (…) Der Antragsgegner stützt die Annahme eines erheblichen Regelverstoßes auf die Beurteilung des Essays durch Prof. (…) und Dr. (…) und behandelt das Prüfungsergebnis der Überprüfungssoftware mit einem KI-Index von 71%, d.h. 71% des gesamten Essays als wahrscheinlich KI generiert, lediglich als Indiz, das zur Überprüfung durch Prof. (…) und Dr. (…). Anlass gegeben hat. (…)." Und weiter: "Nach der Stellungnahme von Prof.(…). fällt bei dem vom Antragsteller eingereichten Essay besonders auf, dass markierte Passagen keine sprachlichen Fehler oder ungeschliffene Formulierungen aufweisen, wohingegen an anderen Stellen Wortwiederholungen, Singular-Plural-Fehler, Fehler in der Groß- und Kleinschreibung sowie eher im Deutschen übliche Formulierungen, die entsprechend ins Englische übersetzt worden sind und welche diesen Teil „holprig“ wirken lassen, enthalten sind. Weitere Indizien für einen zumindest in Teilen mittels KI erstellten Text ergeben sich daraus, dass nur die von der KI-Erkennungssoftware markierten Texte einen logischen Aufbau, eine hohe Inhaltsdichte und ein gutes (fremd) sprachliches Niveau aufweisen, wohingegen die Einleitung nicht alle Aspekte des Hauptteils nennt, Fallbeispiele nur für einen Teil der Punkte benannt worden sind und das Fehlen eines solchen Fallbeispiels nicht erläutert worden ist. Letzteres ist nach der Stellungnahme von Prof. (…) für einen zum Teil mittels KI erstellten Text typisch. Dies lässt den Schluss zu, dass der Antragsteller bei der Strukturierung der Arbeit ein KI-Modell eingesetzt hat, das bereits fünf der insgesamt sechs vom Antragsteller behandelten Themenaspekte in der Einleitung aufgeführt hat. (…)." Das Gericht beschäftigt sich dann mit der Qualifikation der betreffenden Gutachter, solche Bewertungen überhaupt abgeben zu dürfen. Es beschäftigt sich auch mit der Frage, wie verbreitet der unzulässige Einsatz von KI bei Hochschulbewerbungen inzwischen ist: "Die Mitglieder der Auswahlkommission sind als Wissenschaftler erfahren mit dem Lesen und Verfassen wissenschaftlicher Texte und damit auch vertraut mit den Schwierigkeiten der prägnanten Formulierung komplexer Sachverhalte. Ihrer Beobachtung, dass das Essay gerade in den markierten Passagen ein außergewöhnliches Maß an Inhaltsdichte aufweise, kommt daher großes Gewicht zu. Der Lehrstuhl von Prof. (…) der aktuell das Zulassungsverfahren betreut, hat nach eigenen Angaben seit Frühjahr/Sommer 2022 rund 1.850 Essays beurteilt. Dabei hätten sich Einreichungen, die durch eine hohe Inhaltsdichte, eine klare Struktur und perfektes Englisch auffielen, seit der Einführung von ChatGPT gehäuft. Seit der Nutzung der Erkennungssoftware zum Bewerbungsstart des Wintersemesters 2023/24 wiesen mit steigender Tendenz durchschnittlich 10-15% einen KI-Index größer 30% auf. Dieser Wert habe sich in nahezu allen Fällen bei der Prüfung durch die Auswahlkommission als wahrscheinlich korrekt erwiesen. Bei Werten darunter liefere eine fachliche Prüfung durch einen Menschen in der Regel keine ausreichende Wahrscheinlichkeit, um den Bewerber aufgrund unzulässiger KI-Nutzung abzulehnen. Diese Zahlen über die ausgewerteten Essays belegen nach Überzeugung der Kammer, dass sich den Mitgliedern der Auswahlkommission nicht nur bei den wenigen dem erkennenden Gericht bislang bekannten Fällen die Frage nach einem KI-Einsatz gestellt hat, sondern bereits in ungefähr 150-180 weiteren Fällen. Auch wenn es sich somit noch nicht um ein jahrelanges Täuschungsvorgehen von Bewerbern handelt, so können die Mitglieder der Auswahlkommission nach Auffassung der Kammer bereits jetzt auf eine breite Basis von vergleichbaren Verdachtsfällen und Erfahrungswerten zurückgreifen. Prof. (…) und Dr. (…) sind als Prüfer erfahren in der Bewertung studentischer Arbeiten verschiedener Form und konnten zudem vergleichend die Essays weiterer Bewerber heranziehen. Darüber hinaus sind sie nicht nur vertraut mit einer Vielzahl von gerade durch Bachelorabsolventen verfassten Texten, sondern aufgrund ihrer Tätigkeit als Prüfer gerade auch dazu berufen, diese nach Struktur, Inhalt und Form zu analysieren und zu bewerten. Vor diesem Hintergrund verfügen sie über hinreichende Sachkunde, Auffälligkeiten festzustellen, die sich nicht allein durch unterschiedliches Leistungsvermögen von Bachelorabsolventen erklären lassen (…)". 2. KI-Einsatz ist Täuschung: Der nicht angezeigte, unzulässige Einsatz von KI stelle einen Täuschungsversuch dar und führe zum Ausschluss vom Bewerbungsverfahren: “Eine erhebliche Verletzung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis, die (…) den Ausschluss vom laufenden Bewerbungsverfahren zur Folge hat, liegt damit voraussichtlich vor. Ein Anspruch auf Zulassung zum Eignungsverfahren besteht somit voraussichtlich nicht.” Hinweis von RA Dr. Bahr: Es handelt sich bereits um den zweiten Fall, der gerichtlich geklärt wurde. Erst Ende letzten Jahres hatte das VG München einen (nahezu) identischen Fall zu entscheiden und bejahte ebenfalls eine Täuschung, vgl. unsere Kanzlei-News v. 26.02.2024. | | | | | | Allgemeine Informationen zum Newsletter |
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