| | Die einzelnen News | | 1. | OVG Bautzen: DSGVO gibt keinen Anspruch auf Akteneinsicht in digitaler Form | Aus der DSGVO ergibt sich kein Anspruch auf Akteneinsicht in digitaler Form (OVG Bautzen, Urt. v. 20.03.2024 - Az.: 5 E 14/24). Der Kläger wollte Einsicht in eine Gerichtsakte, die ihn betraf, und verlangte dafür die Bereitstellung in digitaler Form. U.a. stützte er sich dabei auch auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Die Richter lehnten das Begehren ab, da die Informationen nur in Papierform vorlägen und eine Digitalisierung ein unverhältnismäßiger Aufwand sei: "Selbst wenn der Ansicht des Bundesfinanzhofs gefolgt und die Beschwerde als zulässig erachtet würde, hätte sie keine Aussicht auf Erfolg. Sie wäre wahrscheinlich unbegründet, da die Voraussetzungen aus § 100 Abs. 3 Satz 2 VwGO nicht erfüllt sind. Danach kann eine Akteneinsicht durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf gewährt werden, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen. Ein Anspruch auf Digitalisierung von in Papierform geführten Prozessakten folgt hieraus nicht; vielmehr steht die Form der Einsichtsgewährung im Ermessen der aktenführenden Stelle (…)." Und weiter: "Der Einzelrichter hat sein Ermessen sachgerecht ausgeübt, indem er die Ablehnung darauf gestützt hat, dass die erforderliche Digitalisierung der in Papierform geführten Gerichtsakten einen unverhältnismäßigen Aufwand nach sich zöge. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ein Anspruch auf Akteneinsicht in Papier geführter Prozessakten in einer elektronischen Form weder aus Art. 15 Abs. 3 Satz 3 DSGVO hergeleitet werden kann noch eine Pflicht des Gerichts besteht, Behördenakten zu digitalisieren (….)." | | | | 2. | KG Berlin: Mit abgelaufenem TÜV-Zertifikat darf nicht geworben werden, auch wenn auf Ablauf hingewiesen wird | Grundsätzlich darf ein Unternehmen mit einem abgelaufenen TÜVZertifikat (hier: Zertifikat zur Abrechnungsgenauigkeit) nicht werben, auch wenn es auf den Ablauf hinweist (KG Berlin, Beschl. v. 21.05.2024 - Az.: 5 U 12/22). Das verklagte Unternehmen warb mit einem TÜV-Zertifikat zur Abrechnungsgenauigkeit für Energie, das bereits ausgelaufen war. Das Problem war, dass dieses Zertifikat bereits abgelaufen war. Obwohl in der Werbung darauf hingewiesen wurde, dass das Zertifikat nur bis zu einem bestimmten Datum gültig war, wurde es weiterhin prominent präsentiert. Das KG Berlin stufte dies als wettbewerbswidrig ein, weil der Verbraucher durch die hervorgehobene Darstellung mit dem TÜV-Zertifikat den Eindruck erhalte, es gelte weiterhin. Der bloße Hinweis auf den Ablauf genüge nicht: "Der angesprochene Verkehr nimmt zuerst das in der Gestaltung hervorgehobene Logo des TÜV-Saarlandes wahr, und danach die Angabe, dass sich das TÜV-Zertifikat auf die „Abrechnungsgenauigkeit“ bei der „Energieabrechnung“ von Strom und Gas bezieht, eine „Geprüfte“ ist. Der angesprochene Verkehr versteht diese Angaben dahin, dass der TÜV-Saarland die „Abrechnungsgenauigkeit“ der Beklagten untersucht hat und in regelmäßigen Abständen weiter prüft und überwacht (…). Der Zusatz „gültig bis 25.06.2020“ (nachfolgend auch nur: „Gültigkeitszusatz“) ist hiervon abgesetzt, kleiner als das TÜV-Logo, im Gegensatz zu den Worten „Geprüfte Abrechnungsgenauigkeit“ nicht fett gedruckt und nimmt auch im Übrigen nicht am Blickfang teil. Es ist schon zweifelhaft, ob der Gültigkeitszusatz vom angesprochenen Verkehr überhaupt zur Kenntnis genommen wird, oder ob er, falls er zur Kenntnis genommen wird, angesichts der Entfernung zu der Darstellung des TÜV-Logos und den rechts davon gedruckten Angaben damit in Verbindung gebracht wird." Und weiter: "Aber selbst wenn der Gültigkeitszusatz zur Kenntnis genommen wird, ist zweifelhaft, ob angesichts der kleinen Schriftgröße und der schriftbildlichen Ähnlichkeit der Zahlen „6“ und „8“ erkannt wird, dass das TÜV-Zertifikat bereits im Juni 2020 abgelaufen ist und nicht erst im August 2020 abläuft. Selbst wenn aber der Gültigkeitszusatz vom angesprochenen Verkehr (auch hinsichtlich des dort genannten Datums korrekt) wahrgenommen und auf das TÜV-Zertifikat bezogen werden würde, geht der angesprochene Verkehr davon aus, dass der TÜV-Saarland weiterhin die „Abrechnungsgenauigkeit“ der Beklagten regelmäßig prüft und überwacht. Niemand wirbt aus Sicht des angesprochenen Verkehrs mit einem Zertifikat, das auf regelmäßigen Prüfungen durch den Aussteller basiert, aber bereits abgelaufen ist." | | | | 3. | OLG München: Blickfangmäßige Werbung auf 0%-Finanzierung in Online-Shop irreführend | Eine blickfangmäßige Werbung auf eine 0%-Finanzierung in einem Online-Shop ist dann irreführend, wenn versteckte weitere Kosten anfallen können (OLG München, Urt. v. 19.10.2023 – Az.: 6 U 3908/22). Die Beklagte bot in ihrem Online-Shop eine 0%-Finanzierung für den Kauf von Elektro- und Unterhaltungsgeräten an. Diese Finanzierungsmöglichkeit wurde blickfangmäßig beworben, indem den Verbrauchern suggeriert wurde, dass keine weiteren Kosten anfielen. Der Sternchenhinweis lautete wie folgt In dem Sternchen-Hinweis hieß es dann: "„0 % effektiver Jahreszins 0 % effektive Jahreszins ab 100 EUR Finanzierungssumme, monatliche Mindestrate 10 EUR, Laufzeit 6–20 Monate. Gültig von 17.10., 20.00 Uhr, bis 31.10., 19.59 Uhr. Erst- und Schlussrate kann abweichen. Bonität vorausgesetzt. Bei der P. erfolgt die Finanzierung über einen Kreditrahmen mit Mastercard (…) Für diesen gilt ergänzend: Nettodarlehensbetrag bonitätsabhängig bis 10.000 EUR. Vertragslaufzeit auf unbestimmte Zeit. Gebundener Sollzinssatz von 0 % gilt nur für Verfügungen beim kreditvermittelnden Händler für diesen Einkauf zeitlich befristet für die oben angegebene Zeit ab Vertragsschluss. Danach und für alle weiteren Verfügungen beträgt der veränderliche Sollzinssatz (jährlich) 14,84 % (15,9 % effektiver Jahreszinssatz). Höhe und Anzahl der monatlichen Raten können sich verändern, wenn weitere Verfügungen über den Kreditrahmen vorgenommen werden. Vermittlung erfolgt ausschließlich für unsere Finanzierungspartner: S C-Bank AG, …, T. bank AG, …, P. S. A. …, …, Finanzierungspartner marktabhängig. Der Partner für den Onlineshop der C GmbH ist P. S. A. … .“ Es wurde also neben der zinslosen Finanzierung ein Rahmenkreditvertrag über bis zu 10.000,- EUR vermittelt, bei dem bei Nutzung der dazugehörigen Mastercard hohe Zinsen (14,84 % variabler Sollzinssatz, 15,9 % effektiver Jahreszins) anfallen konnten. Das OLG München sah darin eine Irreführung. Die Werbung erwecke beim Verbraucher die unzutreffende Vorstellung, es würden keine weiteren Zinskosten anfallen. Tatsächlich werde aber ein Kreditvertrag vermittelt, der erhebliche Zinskosten nach sich ziehen könne: "Die streitgegenständliche 0 %-Finanzierung wurde von der Beklagten blickfangmäßig in einem Kästchen unmittelbar unterhalb der Preisangabe des jeweils zu erwerbenden Produkts beworben und herausgestellt. Mit der blickfangmäßigen Herausstellung der 0 %-Finanzierung einschließlich der mit der Höhe und Anzahl der Raten klar bezeichneten wesentlichen Konditionen weckt die Beklagte bei dem angesprochenen Verbraucher die Erwartungshaltung, im Zusammenhang mit dem Erwerb der jeweiligen Ware keine, auch keine potenzielle weitere Zinsbelastung tragen zu müssen. Dieser Verbrauchervorstellung entsprechen die tatsächlichen Verhältnisse nicht. Denn tatsächlich wird dem Verbraucher bei einem Einkauf über die Online-Shops der Beklagten (…) mit der Wahl der ihm angebotenen 0 %-Finanzierung nicht nur eine entsprechende zinsfreie Finanzierung des tatsächlich erworbenen Produkts in Form eines Ratenkredits ermöglicht, sondern darüber hinaus ein zeitlich unbefristeter Rahmenkreditvertrag über einen Nettodarlehensbetrag bis zu 10.000 EUR mit dem Kreditinstitut P. vermittelt und hierzu eine Mastercard zugesandt, bei deren Gebrauch dem Verbraucher erhebliche weitere Kosten in Höhe eines veränderlichen Sollzinssatzes von 14,84 % (15,9 % effektiver Jahreszinssatz) entstehen können. (…) Angesichts der dem Wortlaut nach auf eine Finanzierung zu 0 % Zinsen gerichteten Werbung und der zugleich angegebenen Anzahl und Höhe der zu bezahlenden Raten versteht der angesprochene Durchschnittsverbraucher die ihm dargebotene Finanzierungsmöglichkeit dahingehend, das fragliche Produkt gegen Zahlung der nach Anzahl und Höhe benannten Raten ohne jede zusätzliche Zinsbelastung erwerben zu können." | | | | 4. | OLG München: Auf Online-Coaching-Verträge mit gemeinsamen Video-Calls findet das FernUSG keine Anwendung | Auf Online-Coaching-Verträge mit gemeinsamen Video-Calls findet das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) keine Anwendung. Es fehlt zum einen am Merkmal der räumlichen Trennung, zum anderen an der notwendigen Lernkontrolle (OLG München, Beschl. v. 16.05.2024 - Az.: 3 U 984/24e). Eine Klägerin buchte ein Online-Coaching-Programm für rund 20.000 EUR bei der Beklagten, einem Unternehmen, das sich auf Persönlichkeitsentwicklung und Business-Aufbau spezialisiert hatte. Nach neun Monaten kündigte die Klägerin den Vertrag und forderte die volle Rückzahlung der Gebühr. Die Beklagte verweigerte das. Zu Recht, wie das OLG München nun entschied. Es sei ein wirksamer Vertrag zustande gekommen. Es liege auch keine Unwirksamkeit nach dem FernUSG vor. Das FernUSG sei nämlich im vorliegenden Fall gar nicht anwendbar. 1. Keine räumliche Trennung, da gemeinsam im Video-Call: Das FernUSG verlange das Merkmal der räumlichen Trennung. Dieses liege bei Video-Call aber nicht vor: "Nach Sinn und Zweck des Gesetzes ist die räumliche Trennung danach zu beurteilen, ob überwiegend eine synchrone oder asynchrone Wissensvermittlung stattfindet. Die Abgrenzung erfolgt nicht räumlich im Wortsinn, sondern danach, ob ein direkter Austausch erfolgt oder die Lerninhalte hauptsächlich im Rahmen eines Selbststudiums vermittelt werden (…). Ausweislich der Leistungsbeschreibung (…) liegt der Schwerpunkt auf den Zoom-Meetings, dem Austausch in der F.- und W.-Gruppe und dem 1:1 Coaching. Dass die Live-Calls aufgezeichnet und danach den Mitgliedern zur Verfügung gestellt werden, stellt lediglich eine Zusatzleistung dar, die aber nicht zu einer Schwerpunktverschiebung führt." 2. Keine Lernüberwachung: Zudem erfolge keine Lernkontrolle, sodass auch aus diesem Grund das FernUSG nicht zur Anwendung komme: “Darüber hinaus liegt keine Überwachung des Lernerfolges vor. Auch wenn der Begriff grundsätzlich weit auszulegen ist, ist vorliegend zu berücksichtigen, dass weder ein Lehrgang, ein Studium oder eine Ausbildung absolviert werden sollte, noch konnte irgendein Abschluss absolviert werden. Es ging in dem Coaching maßgeblich darum, bestimmte Strategien zur Verbesserung der Unternehmensstrategie zu erarbeiten. Dementsprechend ging es bei dem Austausch mit den Coaches auch nicht um eine Lernzielkontrolle, sondern um eine individuelle Beratung in Bezug auf die Lebens- und Unternehmensoptimierung (…).” | | | | 5. | OLG Schleswig: Keine Anwendung des FernUSG auf Mentoring-Verträge | Auf sogenannte Mentoring-Verträge findet das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) keine Anwendung, da es an einer Lernkontroll fehlt. Zudem liegt kein Verstoß gegen die guten Sitten und auch kein Wucher vor (OLG Schleswig, Urt. v. 05.07.2024 - Az.: 19 U 65/24). Die Klägerin bot Produkte und Seminare zur Unternehmensführung an. Sie schloss mit dem Beklagten, Inhaber eines Studios, einen sogenannten Mentoring-Vertrag für 12 Monate zum Preis von rund 60.000,- EUR € netto ab. Der Beklagte sollte monatlich 5.000 € zahlen. Als der Beklagte nicht zahlte, ging sie vor Gericht . In der 1. Instanz wies das LG Kiel die Klage ab mit der Begründung, der Vertrag sei sittenwidrig gemäß § 138 Abs. 1 BGB, da ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe. Das OLG Schleswig schloss sich dieser Auffassung nicht an, sondern verurteilte den Beklagten zur Zahlung. 1. Kein Verstoß gegen die guten Sitten: Das OLG stellte fest, dass der Mentoring-Vertrag zwischen den Parteien wirksam war und nicht sittenwidrig sei. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, das die Annahme eines wucherähnlichen Geschäfts rechtfertigen würde, könne nicht festgestellt werden: "Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist nicht festzustellen. (…) Maßgeblich ist der objektive Wert der Leistung, wobei grundsätzlich der Marktwert für dessen Bestimmung ein geeignetes Mittel darstellt. (…) Soweit das Landgericht als Vergleichsmaßstab die Preise von Fernuniversitäten nebst Sicherheitszuschlag bemüht hat, begegnet dies neben den genannten prozessualen auch inhaltlichen Bedenken. Wie die Kammer selbst geschrieben hat, findet in Fernunterrichtskursen und Universitäten Unterricht in größeren Gruppen statt. Sie sind auf die Erlangung eines Abschlusses gerichtet. Das Angebot von Fernuniversitäten mag durch hierfür ausgebildete Lehrende und durch eine gewisse staatliche Kontrolle bzw. Qualitätsstandards nachhaltiger und grundlegender sein, es verfolgt aber einen anderen Ansatz und ein anderes Ziel als das Angebot der Klägerin. Während die Fernunis auf eher klassischem Wege Wissen vermitteln wollen, versprechen Mentorenprogramme wie das der Klägerin den modernen (insbes. durch Nutzung von Social Media) und schnellen individuellen Erfolg. Abschlüsse und die Vermittlung von Grundlagenwissen sind weniger wichtig; wichtig ist vielmehr die Persönlichkeit des Mentors, dessen (jedenfalls vermeintlicher) wirtschaftlicher Erfolg und dessen Erfahrung, die dieser an die Teilnehmer weitergeben soll, um das Wachstum des konkreten Unternehmens schnell voranzutreiben (so auch die Klägerin in ihrer Berufungsschrift (S. 6 eAOLG): „Es geht also um praktisch anwendbares Know-how, das bei konsequenter Umsetzung zu einer merklichen Umsatzsteigerung führt.“). Soweit sich der Beklagte in der Berufungserwiderung ebenfalls auf private Unternehmen und Akademien bis hin zu Universitäten und anderen Einrichtungen wie IHKs bezieht, die „genau das Gleiche“ anböten wie die Klägerin, geht dies zum Teil aus den oben genannten Gründen fehl; soweit sei sich auf private Anbieter wie die Haufe-Akademie bezieht (1.350 EUR für Neukundengewinnung und Akquisegespräche), ist auch dieses Angebot nicht vergleichbar. Die Klägerin bietet ein Zwölf-Monats-Mentoring an. Die genannte Haufe-Akademie nimmt beispielsweise 1.300 € plus MwSt. für fünf Stunden Coaching (…)." 2. Keine Anwendung der FernUSG: Das FernUSG komme nicht zur Anwendung, weil keine Lernkontrolle vereinbart worden sei: "Dies ist hier aber nicht der Fall. Der Beklagte hat nach dem Angebot der Klägerin nicht die Möglichkeit einer individuellen Kontrolle seines Lernerfolgs durch einen Lehrenden zu erhalten. Entsprechendes ergibt sich nicht aus dem Programm der Klägerin. (…) (Erlaubte) Verständnisfragen dergestalt, ob das Gehörte richtig verstanden worden sei, reichen für eine Lernerfolgskontrolle nicht aus. Zum einen ließe sich so jede Art Vortrag, der nur ein Mindestmaß an Fragestellung durch die Teilnehmer zulässt, in eine Lernkontrolle wandeln, zum anderen erfolgte diese im Rahmen einer Art Selbstkontrolle und nicht durch den Lehrenden oder Beauftragten, wie es aber der Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG verlangt (…). Deswegen wäre auch eine irgendwie geartete Kontrolle durch die Teilnehmer untereinander (etwa in Telegram-Gruppen) nicht geeignet, eine Kontrolle des Lernerfolgs im Sinne des FernUSG darzustellen. Aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 01.03.2020 – 3 U 85/22 –, wonach das FernUSG auf einen Coaching-Vertrag anwendbar sei, ergibt sich schon deshalb nichts anderes, weil der dortige Sachverhalt sich von dem hiesigen unterscheidet. So gab es dort einen WhatsApp-Support, in dem Fragen gestellt werden konnten, und Zugang zu einer Akademie bestand, „die Videos, Checklisten und Prüfungen“ beinhalte. Ähnliches bietet hiesige Klägerin aber gerade nicht an." | | | | 6. | LG Berlin: Verstöße gegen Tierärztegebührenordnung (GOT 2022) sind Wettbewerbsverletzungen | Verstöße gegen die Tierärztegebührenordnung neue (GOT 2022) sind Wettbewerbsverletzungen, die abmahnbar und gerichtlich verfolgt werden können (LG Berlin, Urt. v. 14.05.2024 - Az.: 103 O 51/23). Die verklagte Firma bot mobile tierärztliche Dienstleistungen an, d.h. ein Tierarzt machte Hausbesuche. Die Beklagte stellte zwar die medizinischen Leistungen den Kunden in Rechnung, nahm jedoch kein Entgelt für die Anfahrt. Nach der neuen, im Jahr 2022 in Kraft getretenen Tierärztegebührenordnung (GOT 2022) müssen aber die Kosten grundsätzlich in Rechnung gestellt werden. Das LG Berlin bewertete die Verletzung der GOT 2022 als Wettbewerbsverstoß, denn die Beklagte erlange so einen Vorteil gegenüber anderen Marktteilnehmern: "Die hier in Rede stehenden Verstöße gegen die Vorgaben der GOT 22 begründen insofern auch eine spürbare Beeinträchtigung des Wettbewerbs. Denn die unlauteren geschäftlichen Handlungen wirken sich tatsächlich auf die anderen Marktteilnehmer und auch die Marktsituation insgesamt aus. Soweit die Beklagte eine Spürbarkeit der Beeinträchtigung mit der Begründung in Abrede stellt, dass sich zwischen mobil tätigen Tierärzten und stationär tätigen Tierärzten in Bezug auf die Erhebung oder Nichterhebung von Anfahrtskosten gar kein wirtschaftlicher Vor- bzw. Nachteil ergebe, weshalb zwischen ihnen auch kein Preiswettbewerb in Bezug auf eine mögliche An- und Abfahrt zu bzw. von einem Tierhalter stattfinde, so gibt diese Darstellung die hier relevante Wettbewerbssituation schon im Ansatz unzutreffend wieder. Zutreffenderweise konkurriert die Beklagte mit stationären Tierärzten nämlich grundsätzlich um die Erbringung tierärztlicher Leistungen gegenüber Tierhaltern. Dabei stellt das Angebot der Beklagten, diese Leistungen ambulant zu erbringen, jedenfalls dann einen Wettbewerbsvorteil dar, wenn dem Tierhalter dafür keine weiteren Kosten entstehen. Der Tierhalter bekommt dann nämlich dieselbe tierärztliche Leistung zum gleichen Preis wie bei stationären Tierärzten mit dem Vorteil, dass er mit seinem Tier nicht erst eine Tierarztpraxis aufsuchen muss, sondern der Tierarzt zu ihm nach Hause kommt. Es kann nach Auffassung des Gerichts nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass der Verstoß gegen die Regelungen der GOT 22, die eine solche Kostenneutralität von ambulanten Tierarztleistungen grundsätzlich ausschließen, im Wettbewerb spürbar ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht das maßgebliche Wettbewerbsverhältnis auch nicht beschränkt auf ambulante tierärztliche Leistungen, sondern in Bezug auf tierärztliche Leistungen schlechthin, weil die ambulante Erbringung lediglich eine mögliche Ausführungsform darstellt und keinen besonderen Markt ambulanter Tierarztleistungen begründet." | | | | 7. | VG Köln: Vergaberegeln der 5G-Mobilfunkfrequenzen waren rechtswidrig | Die Entscheidung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 26. November 2018 über die Vergabe- und Auktionsregeln für die im Jahr 2019 durchgeführte Versteigerung der für den 5G-Mobilfunk besonders geeigneten Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz ist rechtswidrig. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln durch Urteil vom gestrigen Tag (26. August 2024) entschieden und die Bundesnetzagentur zur Neubescheidung verpflichtet. Für die Zuteilung der genannten Frequenzen ordnete die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur am 14. Mai 2018 ein Vergabeverfahren an und bestimmte, dieses als Versteigerungsverfahren durchzuführen (BK1-17/001, Teil I und II). Am 26. November 2018 erließ die Präsidentenkammer die im vorliegenden Verfahren angegriffene Entscheidung über die Vergabe- und Auktionsregeln (BK1-17/001, Teil III und IV). Die Versteigerung wurde im Jahr 2019 durchgeführt und erzielte Erlöse in Höhe von rund 6,6 Milliarden Euro. Die Vergaberegeln in der Präsidentenkammerentscheidung vom 26. November 2018 umfassen unter anderem die Frequenznutzungsbestimmungen für die späteren Zuteilungsinhaber. Hierzu gehören z.B. konkrete Versorgungsverpflichtungen für Haushalte und Verkehrswege sowie eine sog. Diensteanbieterregelung. Durch diese werden die späteren Zuteilungsinhaber verpflichtet, mit Diensteanbietern ohne eigene Netzinfrastruktur über die Mitnutzung von Funkkapazitäten zu verhandeln. Dieses Verhandlungsgebot halten die hier klagenden Diensteanbieterinnen für unzureichend. Sie beantragten bereits im Verfahren vor der Präsidentenkammer eine sog. Diensteanbieterverpflichtung. Diese Anträge verfolgten sie mit ihren im Dezember 2018 erhobenen Klagen weiter. Sie begründeten ihre Klagen mit schwerwiegenden Verfahrens- und Abwägungsfehlern der Präsidentenkammerentscheidung. Das Verfahren sei insbesondere durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) unter Leitung des damaligen Bundesministers Scheuer in rechtswidriger Weise beeinflusst worden. Dies ergebe sich aus den Verwaltungsvorgängen des BMVI, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz sowie des Bundeskanzleramts, die die Klägerinnen nach erfolgreichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes erhalten hatten. Das Verwaltungsgericht Köln hatte die Klage der einen Diensteanbieterin mit Urteil vom 3. Juli 2019 zunächst als unzulässig abgewiesen (Az.: 9 K 8489/18). Mit Urteil vom 21. Oktober 2021 (Az.: 6 C 8.20) hob das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung teilweise auf und verwies sie insoweit an das Verwaltungsgericht Köln zurück. Hierzu führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass aufzuklären sei, ob mit Blick auf die Präsidentenkammer eine Besorgnis der Befangenheit bestanden habe, ob es zu einem Verstoß gegen die unionsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur als nationaler Regulierungsbehörde gekommen sei und ob die Abwägung der Präsidentenkammer unter dem Gesichtspunkt einer faktischen Vorfestlegung fehlerhaft gewesen sei. Denn es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass das BMVI in erheblichem Umfang versucht habe, insbesondere auf die Festlegung der Versorgungsverpflichtungen Einfluss zu nehmen. Hierzu bedürfe es weiterer Sachverhaltsaufklärung. Insbesondere sei aufzuklären, wie die Präsidentenkammer auf den politischen Druck reagiert habe. In dem zurückverwiesenen Verfahren (neues Az.: 1 K 1281/22) sowie in dem noch anhängigen Verfahren der zweiten Diensteanbieterin (Az.: 1 K 8531/18) führte das Verwaltungsgericht Köln Anfang Juni 2024 eine Beweisaufnahme durch. Hierzu vernahm das Gericht die seinerzeitigen Mitglieder der Präsidentenkammer – den ehemaligen Präsidenten der Bundesnetzagentur Homann und die ehemaligen Vizepräsidenten Dr. Eschweiler und Franke – sowie den damaligen Leiter der Fachabteilung Dr. Hahn. Mit dem gestern nach mündlicher Verhandlung verkündeten Urteil hat das Verwaltungsgericht Köln die Präsidentenkammerentscheidung vom 26. November 2018 aufgehoben und die Bundesnetzagentur verpflichtet, die Anträge der Klägerinnen auf Aufnahme einer Diensteanbieterverpflichtung neu zu bescheiden. Zur Begründung führte die Vorsitzende der 1. Kammer bei der Urteilsverkündung aus: „Die Präsidentenkammerentscheidung ist formell rechtswidrig. Die konkrete Verfahrensgestaltung der Präsidentenkammer begründet gegenüber allen drei Mitgliedern die Besorgnis der Befangenheit. Hierfür ist nicht erforderlich, dass das Mitglied tatsächlich befangen war. Es reicht der ‚böse Schein‘. Dieser kann sich auch daraus ergeben, dass sich die Verfahrensgestaltung des Amtswalters so weit von den anerkannten rechtlichen Grundsätzen entfernt, dass für den davon betroffenen Beteiligten der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung entsteht. Vorliegend ergibt sich die Besorgnis der Befangenheit zwar nicht schon aus der Teilnahme einzelner Mitglieder der Präsidentenkammer an Gipfelveranstaltungen und anderen Terminen im Zusammenhang mit der Behördenleitung (wie dem Mobilfunkgipfel am 12. Juli 2018). Das Gericht ist aber überzeugt, dass die Präsidentenkammer dem massiven Druck von Seiten des BMVI zumindest teilweise nachgegeben hat. Das BMVI versuchte während des gesamten Vergabeverfahrens im Jahr 2018 in erheblicher Weise, auf die Entscheidungen der Präsidentenkammer Einfluss zu nehmen, indem es sich für strengere Versorgungsverpflichtungen einsetzte. Parallel zum streitigen Verfahren fand am 12. Juli 2018 ein allein vom BMVI initiierter und vorbereiteter Mobilfunkgipfel statt, bei dem der Bund den bei der 5G-Frequenzversteigerung erfolgreichen Netzbetreibern im Fall verbindlicher Erschließungszusagen den Aufschub des Zahlungsbeginns und die Stundung der Zahlung der Auktionserlöse in Aussicht stellte. Die Einflussnahme des BMVI auf das Verfahren zeigt sich in der Gesamtschau verschiedener Reaktionen der Präsidentenkammer, etwa zu Beginn des Verfahrens im Zurückziehen erster Erwägungen, oder in der terminlichen Gestaltung des Verfahrens wie der aus Rücksicht auf das BMVI erfolgten Verlegung der mündlichen Anhörung auf den Tag nach dem Mobilfunkgipfel. Darüber hinaus gab es nach der Veröffentlichung des Konsultationsentwurfs im September 2018 mehrere persönliche Treffen zwischen Mitgliedern der Präsidentenkammer und den damaligen Bundesministern Scheuer und Altmaier sowie dem seinerzeitigen Chef des Bundeskanzleramts Prof. Dr. Braun. Bei diesen Treffen wurde die Präsidentenkammer nachdrücklich zu Änderungen des Entwurfs aufgefordert, u.a. wurde ihr ein ,Fünf-Punkte-Plan‘ zur Sicherstellung der im Koalitionsvertrag der Großen Koalition enthaltenen Ziele im Bereich Mobilfunk übergeben. Zwar sind politische Stellungnahmen unschädlich, soweit Ministerien diskursive Beteiligungsrechte wahrnehmen, die ihnen in einem institutionalisierten Rahmen zukommen. Ein solcher Rahmen lag hier aber weder vor noch wurde er durch die Präsidentenkammer geschaffen. Die mangelnde Transparenz ließ für die am Vergabeverfahren beteiligten Kreise den Eindruck eines politischen und damit für die Frequenzversteigerung sachwidrigen ‚Nebenverfahrens‘ entstehen. Aus denselben Gründen ist das Gericht überzeugt, dass es im Vergabeverfahren zu einem Verstoß gegen die unionsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur als nationaler Regulierungsbehörde gekommen ist. Dies folgt nicht schon daraus, dass das BMVI die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur etwa nicht respektierte. Der Verstoß ergibt sich daraus, dass die Bundesnetzagentur ihre Unabhängigkeit nicht ausreichend aktiv geschützt hat, indem sie die ministeriellen Einflussnahmeversuche weder auf Ebene der Ministertreffen noch auf Facharbeitsebene unterbunden hat. Nach alledem leidet die Präsidentenkammerentscheidung auch an einem materiellen Fehler im Abwägungsvorgang. Da die Forderungen des BMVI teilweise Eingang in die Vergaberegeln gefunden haben, kann die Annahme einer faktischen Vorfestlegung nicht ausgeschlossen werden. Es liegt vielmehr nahe, dass die Präsidentenkammer ihre Entscheidung ohne die massive Einflussnahme durch das BMVI im Einzelnen anders ausgestaltet hätte.“ Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zu, über die – sofern das Verwaltungsgericht Köln der Beschwerde nicht abhelfen würde – das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden würde. Aktenzeichen: 1 K 1281/22 (vormals 9 K 8489/18) und 1 K 8531/18 Hinweis: Im Zusammenhang mit der Frequenzversteigerung ist noch ein weiteres Verfahren eines Mobilfunknetzbetreibers anhängig (Az.: 1 K 8514/18). Quelle: Pressemitteilung des VG Köln v. 27.08.2024 | | | | 8. | LG Potsdam: Irreführende gesundheitsbezogene Werbung für Hunde-Gelenktabletten | Es ist irreführend, mit gesundheitsbezogenen Aussagen für Hunde-Gelenktabletten zu werben, wenn die Behauptungen nicht wissenschaftlich bewiesen sind (LG Potsdam, Urt. v. 07.05.2024 - Az.: 52 O 44/24). Die Beklagte bewarb ihre Tabletten für Hunde-Gelenke u.a. mit den Aussagen “Bei Gelenkerkrankungen” und “kann Beschwerden & Schmerzen reduzieren” und “Gelenkschäden vorbeugen”. Keine dieser Aussagen war jedoch wissenschaftlich nachgewiesen. Dies stufte das LG Potsdam als irreführend ein. "Die Werbung mit diesen Angaben ist irreführend, weil sie Wirkungen bewirbt, die das Produkt nicht hat. Insoweit gilt auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (…). Die Beweislast für die wissenschaftliche Absicherung der Wirkungsaussage trägt der Werbende (…). Seiner Darlegungs- und Beweislast wird der Werbende dabei nicht schon dadurch gerecht, dass er zu einzelnen Inhaltsstoffen des Produkts wissenschaftliche Erkenntnisse vorträgt. Denn es geht nicht um die Wirksamkeit der entsprechenden Substanzen, die als einzelne Bestandteile entsprechende Wirkungen erzielen, sondern allein um die Frage, ob gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse darüber vorliegen, dass das beworbene Produkt entsprechende Wirkungen hat (…)." Die vorgelegten Unterlagen seien nicht ausreichend, so das Gericht: "Diesen Anforderungen an ihre Darlegungslast ist die Verfügungsbeklagte durch die von ihr vorgelegten Studien nicht nachgekommen. Denn in den Studien sind jeweils nur einzelne Bestandteile des beworbenen Produkts, teilweise auch in Kombination, aber nicht in der Kombination aller im beworbenen Produkt enthaltenen Wirkstoffe, untersucht worden, nicht aber die Wirksamkeit des beworbenen Produkts bzw. von Produkten mit vergleichbarer Zusammensetzung. Die Kammer muss daher auch nicht prüfen, ob bzw. welche der vorgelegten Studien überhaupt wissenschaftlichen Anforderungen genügen. Aus dem Vortrag der Verfügungsbeklagten ergibt sich auch nicht, dass die Ergebnisse der Studien auf das beworbene Produkt übertragbar wären. Das folgt schon daraus, dass die Verfügungsbeklagte nicht vorträgt, welche Mengen der jeweiligen Wirkstoffe nach Studienlage eingenommen werden müssten, um die gewünschte Wirkung zu erzielen und welche Mengen in dem beworbenen Produkt enthalten sind. Im Übrigen fehlt es aber ohnehin an Vortrag bzw. Vorlage von ausreichenden Studien dazu, dass die verschiedenen Wirkstoffe in Kombination ihre Wirkung verstärken und nicht etwa aufheben." | | | | 9. | AG Trier: Einsatz von "MonoCam"-System zur Verkehrsüberwachung zwar rechtswidrig, aber kein Beweisverwertungsverbot | Der Einsatz des "MonoCam"-System zur Verkehrsüberwachung (hier: Kontrolle, ob während der Fahrt unerlaubt per Smartphone telefoniert wird) ist zwar rechtswidrig, da es an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage fehtl. Dies führt jedoch nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, sodass diese Informationen in einem Gerichtsverfahren verwertet werden dürfen (AG Trier, Urt. v. 02.03.2023 - Az.: 2 OWi 8113 Js 1906/23 (2)). Mittels der "MonoCam"-Technik wird durch Live-Aufnahmen automatisiert überprüft, ob ein Autofahrer während der Reise ein Mobiltelefon benutzt. Die Kamera zeichnet potenzielle Verstöße automatisch auf und überprüft diese später. Im vorliegenden Fall wehrte sich ein betroffener Autofahrer gegen eine ihn verhängte Geldbuße. 1. “MonoCam”-System ist rechtswidrig: Das AG Trier stellt fest, dass das System rechtswidrig ist und die Betroffenen in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, da es an einer ausreichenden Rechtsgrundlage fehle: "Aufgrund der Funktionsweise des MonoCam-Systems werden bereits ab Beginn des Livestreams personenbezogene Daten in Form von Bildaufnahmen des Kennzeichens und des Fahrzeugführers vorbeifahrender Fahrzeuge erfasst und mittels Auswertung durch die KI-Software verarbeitet. (…) Die Erfassung des Kennzeichens und des Fahrzeugführers mitsamt der Fahrzeuginnenraumauswertung durch die KI-Software im Rahmen des Livestreams der MonoCam stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar (…) Eine erforderliche gesetzliche Grundlage für die anlasslose Erfassung des Fahrzeuginnenraums sowie des Kennzeichens durch das MonoCam-System besteht vorliegend nicht. a) § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG scheidet als Rechtsgrundlage aus. (…) (b) § 33 Abs. 1 S. 1 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetz R.-Pf. (POG), der die anlassbezogene Kennzeichenerfassung normiert, scheidet sowohl vom Anwendungsbereich her als auch mangels Vorliegen der Voraussetzungen als Rechtsgrundlage aus. Zum einen gestattet die Vorschrift lediglich eine vorübergehende und nicht flächendeckende automatische Kennzeichenerfassung und damit bereits nicht die bildliche Erfassung der Fahrzeugführer. Zum anderen setzt § 30 Abs. 1 S. 1 POG eine – vorliegend nicht bestehende – gegenwärtige Gefahr voraus. (…) 2. Aber kein Beweisverwertungsverbot: Der Einsatz der Technik sei somit rechtswidrig, so das Gericht. Führe aber nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, sodass der Autofahrer zu einer Geldbuße verurteilt werden könne: "Die Bildaufzeichnung des Betroffenen darf zu Beweiszwecken verwertet werden, da das erkennende Gericht trotz Fehler in der Beweiserhebung der Datenerfassung nicht von einem durchgreifenden Beweisverwertungsverbot ausgeht. (…) Die anfängliche, anlasslose Datenerfassung erfolgte ohne gesetzliche Grundlage. Von Verfassungs wegen besteht jedoch kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig wäre. Auch im Strafverfahrensrecht besteht kein allgemein geltender Grundsatz, demzufolge jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften zugleich ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht. Vielmehr ist die Frage, ob ein auf rechtswidrige Weise erlangtes Beweismittel zulasten des Betroffenen verwertet werden darf jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. (…) Nach diesen vorgenannten Grundsätzen ist im vorliegenden Fall ein Beweisverwertungsverbot für die mittels des MonoCam-Systems erfassten Daten nicht anzunehmen. Im Rahmen der gebotenen Gesamtschau bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Betroffenen überwiegt das allgemeine Interesse an der effektiven Abwehr von Gefahren, die von erheblichem Fehlverhalten, insbesondere der rechtswidrigen Benutzung von Mobiltelefonen im Straßenverkehr ausgehen." | | | | 10. | Zwei RechtsFAQ zur neuen Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | Ab sofort gibt es auf unseren Seiten zwei RechtsFAQ, die sich mit der neuen Produktsicherheitsverordnung (GPSR) beschäftigen. Die EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR = General Product Safety Regulation) hat den Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher bei der Nutzung von Produkten zum Inhalt. Das neue Gesetz aktualisiert und ersetzt frühere Regelungen, um den Anforderungen moderner Märkte und Technologien gerecht zu werden. Es definiert klare Sicherheitsanforderungen für Produkte und regelt auch die Marktüberwachung. Es tritt zum 13.12.2024 in Kraft und hat weitreichende Konsequenzen, insbesondere auch für den Online-Bereich. 1. RechtsFAQ: Einführung und Überblick zur neuen Produktsicherheitsverordnung Die erste FAQ dient als Einführung und bietet einen klaren, leicht verständlichen Überblick über dieses komplexe Gesetz. Sie ist ideal für alle, die sich schnell mit den Grundlagen vertraut machen möchten. Von den allgemeinen Zielen des Gesetzes bis hin zu spezifischen Bestimmungen bietet diese Zusammenfassung eine solide Grundlage für das Verständnis der neuen Regelungen: Die RechtsFAQ gibt es hier. 2. RechtsFAQ: Pflichten für Online-Shop-Betreiber durch die neue Produktsicherheitsverordnung Die zweite FAQ richtet sich speziell an Online-Shops behandelt die neuen Pflichten, die mit der Produktsicherheitsverordnung einhergehen und bis zum 13.12.2024 umgesetzt sein müssen. Diese FAQ bietet praktische Hinweise, um sicherzustellen, dass Online-Plattformen den neuen gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Diese RechtsFAQ gibt es hier. | | | | | | Allgemeine Informationen zum Newsletter |
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