Heribert Prantl beleuchtet ein Thema, das Politik und Gesellschaft (nicht nur) in dieser Woche beschäftigt.
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12. Januar 2025
Prantls Blick
Die politische Wochenschau
Prof. Dr. Heribert Prantl
Kolumnist und Autor
SZ Mail
Guten Tag,
es öffnete sich die rote Tapetentür beim österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen in der Wiener Hofburg – und heraus kam FPÖ-Chef Herbert Kickl mit dem präsidialen Auftrag zur Regierungsbildung. Kickl ist ein Rechtsdraußen-Politiker; er war einst der Redenschreiber des ausländerfeindlichen Kärtner Landeshauptmanns Jörg Haider. Nun wird er mit einiger Wahrscheinlichkeit das Amt erlangen, das einst Haider glücklicherweise versagt geblieben ist. Der kräftige Widerstand, den es damals noch dagegen gab, ist ein Widerständlein geworden.

Haider hat dem Ungeist den Boden bereitet, auf dem heute Kickl mit seinen giftigen Parolen Erfolge feiert. Mit Slogans wie "Daham statt Islam" hat er die FPÖ zur größten Partei gemacht. Kickl hat Hässlichkeiten und Hass gesät, er hat berauschende Prozente dafür geerntet. Er hat üble Sprüche wie "Heimatliebe statt Marokkaner-Diebe" verteidigt. Er hat das Land Österreich so sehr nach Rechtsaußen gezogen, dass der Bundespräsident Van der Bellen das machte, was er eigentlich nicht hatte machen wollen: Er hat einen Giftzwerg erhöht und nobilitiert. Die österreichischen Wählerinnen und Wähler haben Kickls Partei zur stärksten gemacht und so ihr Land diesem Mann angedient; der Bundespräsident hat sich dem Votum widerstrebend gefügt, nachdem die Koalitionsgespräche von ÖVP, SPÖ und Neos geplatzt waren.

Weil es sich halt so gefügt hat?

Als ich die Bilder aus Wien gesehen und die Ratlosigkeit der demokratischen Politiker gespürt habe - da ist mir angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der das alles passiert, ein Lied eingefallen, ein Lied des melancholisch-verzweifelten Widerstands. Wolf Biermann und Konstantin Wecker haben gesungen: "Und das soll nun alles gewesen sein?" Kann man, das war und ist mein Text auf diese Noten, wirklich ein Land dem Rechtsextremismus überlassen, weil es sich halt so gefügt hat? "Sich fügen heißt lügen", hat einst der Schriftsteller Erich Mühsam formuliert. Er ist dafür von den Nazis totgeprügelt worden.

Das bisschen Widerstand der demokratischen Parteien gegen die Rechtsextremisten von heute – das soll nun alles gewesen sein? Das Lied ging mir nach, als ich auf dem Parteitag der SPD in Berlin den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz hörte, der mit Verve und Optimismus dafür warb, in den "Zeiten der Enthemmung" Kanzler bleiben zu dürfen, "standfest und besonnen". Der Spiegel attestierte gleichwohl defätistisch, dass man von einer "Aufbruchsstimmung" nichts gespürt habe.

CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz versucht derweil, Aufbruchsstimmung für sich dadurch zu erzeugen, dass er Forderungen der AfD und der FPÖ übernimmt – er will eine Zweiklassen-Staatsangehörigkeit einführen. Dazu schreibe ich heute in "Prantls Blick", ich schreibe über den "Brandmauer-Specht Merz". Wo bleibt, so frage ich mich, die Gemeinsamkeit der Demokraten gegen die Rechtsextremisten – wo bleibt sie in Österreich wie in Deutschland? Das bisschen Widerstand soll schon alles gewesen sein?
SZPlus Prantls Blick
Merz, der Brandmauer-Specht
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Ich wünsche Ihnen, ich wünsche uns eine demokratische, eine rechtsstaatlich liberale Zukunft.

Ihr
Heribert Prantl
Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung
SZ Mail
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Prantls Leseempfehlungen
Der gefährliche Einzelgänger
Die Biografie endet auf Seite 251 mit dem Satz: "Die vielleicht größte politische Umwälzung auf dem Kontinent seit dem Ende des Kalten Krieges ist in vollem Gange – und der Bub aus der Erdmannsiedlung in Radenthein mittendrin." Der Bub aus der Bergbaustadt Radenthein in der Kärtner Provinz ist Herbert Kickl, Chef der Rechtsaußenpartei FPÖ, der mit einiger Wahrscheinlichkeit der nächste Bundeskanzler in Wien sein wird. Gernot Bauer und Robert Treichler, beide Journalisten beim Nachrichtenmagazin profil, haben eine lehrreiche, spannende und höchst lesenswerte Biografie über Kickl geschrieben - über seinen Aufstieg, seine Radikalität, seine Obsessionen, seine Illiberalität als Chef einer eigentlich liberalen Partei, über seine Europafeindlichkeit, über seine Lust an der Provokation. Seit Kickl die Partei übernommen hat, ist sie in den Umfragen vom dritten auf den ersten Platz vorgestoßen, von 17 Prozent auf knapp 30. Mit welchen Mitteln und Methoden ist ihm das gelungen? Darauf geben die beiden Biografen kundige Antworten. Sie porträtieren einen Einzelgänger, der voll Misstrauen steckt, und kommen bei ihren Beschreibungen zu einem beunruhigenden Ergebnis: "Hinter der souveränen Fassade steckt eine unfertige Persönlichkeit." Der Mann ist gefährlich.

Gernot Bauer und Robert Treichler: Kickl und die Zerstörung Europas. Das Buch ist 2024 im Wiener Verlag Paul Zsolnay erschienen, hat 254 Seiten und kostet 25 Euro.
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Scharfmacher, Aufwiegler, Antidemokraten
Franz Seraphicus Grillparzer, der österreichische Dramatiker und Nationaldichter, hat 1849 einen prophetischen Satz geschrieben: "Von der Humanität durch Nationalität zur Bestialität." In den USA und in vielen Staaten Europas sind Scharfmacher und Aufwiegler auf dem Vormarsch. Die Humanität ist bedroht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Sie ist bedroht von Geschichtsvergessenheit, von neuem altem Antisemitismus, von rassistischer Unverfrorenheit, von gemeiner Rede und gemeiner Tat, von der Lust an politischer Grobheit, von einer rabiaten Missachtung des Respekts, der jedem Menschen zusteht. Man nennt das zusammenfassend Rechtspopulismus – aber dahinter verbergen sich ein rassistischer Nationalismus, Xenophobie und Verfassungsverachtung. In der SZ beschreiben die Kolleginnen und Kollegen Marc Beise, Viktoria Großmann, Cathrin Kahlweit, Thomas Kirchner und Alex Rühle die einschlägigen Entwicklungen in Italien, Ungarn, der Slowakei, den Niederlanden und Finnland.
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