Liebe Leserin, lieber Leser,
mal angenommen, die Union hätte gern einen Erzkatholiken in roter Richterrobe. Einen, der statt der liberalen Abtreibungspraxis von heute westdeutsche Verhältnisse wie vor 1990 herbeisehnt.
Genau: Eine solche Personalie hätte den Richterwahlausschuss nie erreicht – die Fraktionen links der Mitte hätten sie sofort beerdigt. Und die Union selbst will am mühsam austarierten Abtreibungskompromiss ja gar nicht rütteln. Das Gedankenspiel ist pure Fantasie.
Ganz real hingegen ist Robert Seegmüller – der ursprüngliche Unionskandidat fürs Bundesverfassungsgericht, Richter am Bundesverwaltungsgericht und Vorsitzender des Bunds Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen. Man könnte sagen: qualifiziert.
Doch anders als es SPD und Grüne uns seit letzter Woche darstellen, ist das keineswegs das einzige Kriterium.
Ende Januar hätte Seegmüller im Wahlausschuss nominiert werden sollen. Einen Tag zuvor hieß es jedoch: Sitzung abgesagt. Die Grünen wollten ihn nicht. Seegmüllers Karrierehindernis? Seine konservative Haltung zum Asylrecht.
Das ist kurz vor den Neuwahlen medial etwas untergegangen. Doch wer jetzt, wie SPD-Fraktionschef Miersch, die Union der „bewussten Demontage“ des Verfassungsgerichts bezichtigt und die Beschädigung der SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf beklagt, der sollte sich fragen, wo denn die Empathie für Bundesrichter Seegmüller war.
Die Union nahm ihn – warum eigentlich so schnell? – von ihrer Liste. Stünde er da noch, hätte sie jetzt was zum Tauschen gehabt. |