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Tagesspiegel Checkpoint vom Donnerstag, 24.02.2022 | Zunehmend freundlicher bei bis zu 10°C. | ||
+ „Russlands Großmacht-Gehabe“: Letzter DDR-Außenminister Meckel im Interview + Drei Berliner Bezirke pflegen Partnerschaften zur Ukraine + Steglitzer Bierpinsel wird ab nächstes Jahr saniert + |
von Robert Ide |
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Guten Morgen, es sind geschichtsträchtige Zeiten – und in diesen ist es oft hilfreich, in die Geschichte zu blicken. Vor 32 Jahren ist um uns herum die Mauer gefallen, der Kalte Krieg erloschen, besiegt vom Freiheitswillen der Menschen. Berlin ist wieder eine friedlich vereinte Stadt, die allein schon deshalb ihren Blick in den Osten Europas nie aus den Augen verlieren darf. Sprechen wir deshalb mit Markus Meckel, dem ersten frei gewählten und letztlich letzten Außenminister der DDR. Der 69-Jährige, einst als Bürgerrechtler in der DDR-Opposition und später als SPD-Politiker in der internationalen Politik unterwegs, kennt sich bestens in der wechselvollen Russland-Politik aus. Am Checkpoint-Telefon berichtet Meckel von der heute Nacht begonnenen russischen Invasion in der Ukraine, seiner Sicht auf Osteuropa – und der Hilfe, die Berlin jetzt leisten kann. Herr Meckel, sind Sie überrascht vom angekündigten Krieg Russlands gegen die Ukraine? Ja und Nein. Vom Verhalten her ist die russische Angriffsaktion nicht neu, das haben wir schon auf der Krim erlebt. Aber es handelt sich jetzt nicht nur um eine militärische Aktion, sondern um einen hochpolitischen Kurswechsel, einen Völkerrechtsbruch neuer Qualität. Bisher hat Wladimir Putin die alte Sowjetunion nur herbeiphantasiert, jetzt stellt er die Souveränität der ganzen Ukraine infrage, spricht ihr das Existenzrecht ab. Das Großmacht-Gehabe, man könne als Staat entscheiden, wo andere Staaten hingehören, ist ein eklatanter Rückfall ins 19. Jahrhundert. Welche Fehler hat die deutsche Außenpolitik mit Blick auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin gemacht? Es gibt leider eine lange Geschichte der Verkennung von Wladimir Putin. Deutschland hatte jahrelang die rosarote Brille auf. Aber man muss auch sehen: Dies ist nicht ursächlich für Putins Tun. Wenn man seiner Kriegsrede folgt, bleibt die offene Frage, wo für ihn überhaupt eine Grenze ist: Will er mit seinen Truppen sogar bis Kiew durchmarschieren? Das wäre eine absolute Harakiri-Politik. Aber bei Putin ist das nicht auszuschließen. Deshalb ist es so wichtig und auch erfreulich, dass der Westen geschlossen und hart reagiert. Sie hatten als Sozialdemokrat und Außenpolitiker viel mit Gerhard Schröder zu tun. Können Sie sich die Nähe des Altkanzlers zu Putin erklären? Ich habe seine Sicht auf Russland schon immer für falsch gehalten, bereits in seiner Amtszeit lagen wir deutlich auseinander. Heute bleibt mir nur noch Kopfschütteln übrig für einen ehemaligen Kanzler, der so eklatant gegen das Interesse unseres Landes verstößt. Im Übrigen müsste Gerhard Schröder wissen: Putins Politik ist gegen das genuine Interesse Russlands gerichtet. Russland braucht Modernisierung und internationale Kooperation, keinen teuren Krieg. Die eigenen Bürger sind Putin egal. Und auch strategisch ist es fatal: Die Nato wird sich notgedrungen im Osten stärker aufstellen müssen, weil Russland zum Unsicherheitsfaktor der Welt wird. Das alles sind Folgen von Putins Handeln. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gerhard Schröder das nicht erkennt. Sicherlich hat er in russischen Diensten sehr viel Geld verdient – ob es gutes Geld ist, will ich bezweifeln. Ich würde eher von Silberlingen sprechen. Ist in Ostdeutschland der Blick auf Russland milder oder wegen der sowjetischen Vergangenheit eher strenger? Mit ostdeutscher Erfahrung muss einem eigentlich eine Politik am Herzen liegen, bei der zuerst die Menschenrechte zählen. Doch in Ostdeutschland erscheint die Sowjetunion bei vielen in einem milderen Licht. Das hat sicher mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun, auch mit der antiamerikanischen Erziehung in der DDR – und mit Michail Gorbatschow. Er hat damals die sowjetischen Truppen zurückgehalten, als die Friedliche Revolution begann, er hat mit Glasnost und Perestroika eine Demokratisierung begonnen, er hat der deutschen Einheit zugestimmt. Das hat ein positives Licht auf Moskau geworfen, was noch bei vielen früheren DDR-Bürgern einen Nachhall findet. Aber man muss erkennen: Der verhasste Imperialismus wird heute von Putin verkörpert. Was können Menschen in Berlin für die Ukraine tun? Wichtig sind eine klare Haltung gegenüber dem Aggressor und Solidarität mit den leidenden Menschen. Wie müssen als Europäer die Ukraine stabilisieren und die Zivilgesellschaft dort stärken. Letzteres gilt übrigens auch für Russland. Aggressive Politik nach außen ist immer auch Repression nach innen. Das haben wir beim Verbot der wichtigsten Demokratie-Organisation „Memorial“ gerade erlebt. Wir in Deutschland müssen für die Freiheit russischer Bürger eintreten. Junge Leute müssen leichter an Visa kommen, um Erfahrungen etwa in Berlin zu sammeln und sich der russischen Propaganda zu entziehen, die im dortigen Fernsehen bald einer Gehirnwäsche gleichkommt. Wir müssen Verfolgten aus Russland ein Exil geben – damit sie von hier aus für die Demokratie in ihrem Land kämpfen können. Auch das hilft unserem Frieden. | |||||
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Am Mittwochabend erstrahlte das Brandenburger Tor in ukrainischen Farben (zu sehen hier). Ein Lebenszeichen in Richtung Kiew, das seltsamerweise noch keine Partnerstadt von Berlin ist. Immerhin zwei Berliner Bezirke unterhalten partnerschaftliche Beziehungen zur Ukraine – Charlottenburg-Wilmersdorf zum Kiewer Kulturbezirk Petschersk und Steglitz-Zehlendorf zur zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkiw. Ende der 90er Jahre strebte auch das damals noch eigenständige Prenzlauer Berg eine Partnerschaft mit Jalta auf der damals noch freien Halbinsel Krim an. Doch als die Regierung dort zurücktrat, kam die Partnerschaft nicht zustande, wie das Bezirksamt Pankow dem Checkpoint schreibt. Inzwischen ist die Krim von Russland annektiert. Die anderen beiden Bezirke sind weiterhin für die Ukraine aktiv. Die Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf zeigte jetzt in einer gemeinsamen Resolution „seine Solidarität“ mit Kiew. Und aus Berlins Südwesten schreibt Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg (Grüne) einen Brief an den Oberbürgermeister der ukrainischen Partnerstadt Charkiw. „Die Souveränität des unabhängigen ukrainischen Staates steht für uns außer Frage”, heißt es darin. Die Bedrohungen Russlands seien „ein furchtbarer Zustand“ und als Bezirk „möchte ich Sie unserer Solidarität versichern“. Im Sommer sei eine Begegnung von Musikerinnen und Musikern beider Partnerstädte in Berlin geplant. Schellenberg schreibt: „Ich hoffe, dass wir damit gemeinsam ein deutliches Zeichen für unseren Zusammenhalt setzen können.” | |||||
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Auf der Berlinale waren gerade erst zwei Filme zu sehen, die das Leid der Menschen in der Ost-Ukraine in dystopischen Bildern beschreiben (Einblick hier). Auch das Filmfestival selbst, das gerade mit seiner pandemischen Ausgabe seinen eigenen Überlebenswillen unter Beweis gestellt hat, sucht in alter städtischer Gegenwart nach einer neuen Zukunft. Im Sony Center wird ein Kino begraben, die Potsdamer Platz Arcaden sind als Baustelle verriegelt und verrammelt. Will die Berlinale am Potsdamer Platz überhaupt eine Zukunft haben? Die Antwort der Festivalmacher darauf ist eindeutig uneindeutig. „Der Berlinale-Palast am Potsdamer Platz bleibt auch in den nächsten Jahren das Herzstück des Festivals. Und wenn ab dem Spätsommer die Arkaden in neuem Gewand und mit einem großen Foodcourt wiedereröffnen, wird man sicherlich wieder nach einer Filmpremiere ein Glas Wein in einer belebten Atmosphäre trinken können“, sagt Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek auf Checkpoint-Nachfrage. Gleichzeitig habe man dieses Jahr verstärkt auf Präsenz in anderen Stadtteilen gesetzt. Rissenbeek dazu: „Wir werden das auch künftig tun, um die Berlinale weiter in die Stadt hineinzutragen.“ Wenn Corona das Tagesgeschehen nicht mehr dominiere, erwarte man „eine Berlinale 2023 mit vielen schönen Begegnungen und einem tollen Festivalfeeling“. Nur der Berliner Winter wird wie immer ohne Einladung kommen. | |||||
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Auf der Schloßstraße in Steglitz spielen sich immer tolle Szenen ab: nostalgische Filmgeschichten (hier), verrückte Liebesgeschichten (hier) – oder einfach nur: Geschichten des Verharrens. Etwa im Bierpinsel, wo ich einst gerne mal ein Bier trank (Erlebnisse hier), der aber heute futuristisch vor sich hingammelt wie ein schales Bier, das jemand im Taubendreck unter der Autobrücke abgestellt hat (zu sehen hier). Zwar ist der Turm inzwischen an den Investor Götz Fluck verkauft, der ihn sanieren will. Das Problem ist allerdings wie immer in Berlin eines aus vielen Zuständigkeiten: Dem Investor gehört der Turm, dem Senat die Brücke, dem Bezirk das Straßenland, der BVG der U-Bahnhof. Inhaber Fluck weiß, was das heißt: „Damit ist niemand richtig zuständig.” Unser Lokalreporter Boris Buchholz hat das ganze Drama um den Turm recherchiert und in seinem neuen Bezirks-Newsletter (kostenloses Abo für alle Bezirke hier) auch viele gute Nachrichten parat: Die Stadtreinigung will laut Verkehrsstadtrat Urban Aykal (Grüne) „diese Örtlichkeit nochmals verstärkt in den Blick nehmen“. Es soll mit allen Beteiligten sowie mit Tiefbauamt, Polizei und Denkmalschutzbehörde ein Gespräch zur Zukunft des Bierpinsels geben. Auch Besitzer Götz Fluck hat einiges vor: „Ich will das Gebäude vollständig sanieren und einer gemischten Nutzung aus Büro und Gastronomie zuführen.“ In einem Jahr soll der Umbau beginnen – und irgendwann trinkt Berlin hier oben mal wieder ein frisches Bier. Und nimmt dabei seine Zuständigkeiten aufs Korn. | |||||
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Er ist weithin zu sehen und manchmal abends zu hören: der Jahnsportpark mit seinen Lichtmasten und Geräuschen, die durch den Prenzlauer Berg hallen, wenn hier mal wieder ein Fußballspiel stattfindet. Hier, wo einst DDR-Dauermeister BFC Dynamo im Europapokal direkt an der Mauer spielte (ich war als Junge beim 3:0 gegen Werder Bremen dabei; beim 0:5 im Rückspiel in Bremen naturgemäß nicht), hier wo sich heute hinter der Hinterlandmauer das junge Berlin im Mauerpark austobt – hier soll nun tatsächlich ein langer geplanter, aber umstrittener inklusiver Sportpark gebaut werden. Die Sportverwaltung gab am Mittwoch den „Neubau“ bekannt, wobei Lichtmasten, Hinterlandmauer und möglicherweise die DDR-Haupttribüne erhalten werden sollen, von der aus Stasi-Chef Erich Mielke seinem protegierten Klub einst zujubelte. Die Bürgerinitiative Jahnsportpark ist über das Verfahren empört. „Ein Umbau wäre problemlos inklusiv möglich“, sagte Thomas Draschan von der Initiative am Mittwochabend dem Checkpoint. Er spricht von einer „Hinterzimmer-Betonpolitik der 70er Jahre“ und beklagt zu wenig Rücksicht auf Klimaschutz und Bürgerbeteiligung. Zudem werde der Ausbau der Breitensportplätze verzögert. Ein Stück Ostmoderne könnte sterben für ein Stück Sportmoderne. Die allerdings braucht Berlin auch anderswo – etwa bei einem neuen und bisher vom Senat absichtlich vertrödelten Hertha-Stadion im Olympiapark und bei einem ausgebauten, aber bisher am Köpenicker Verkehrschaos scheiternden Union-Stadion. Berlin kann bisher höchstens im Gehen rennen. So wie der BFC einst in Bremen. | |||||
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Eine Berliner Liebe. Ihn kannten viele, diese Geschichte hier kennen viele noch nicht: Vor knapp einem Jahr ging Knut, „der Große“, und hinterließ Jürgen, den „Kleenen“. So nannten sie sich manchmal, wenn keiner zuhörte. Knut, der in vielerlei Hinsicht große Gemeindepfarrer der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Und Jürgen, der körperlich Kleinere, den viele als den „Mann von“ kannten. Sie liebten sich bis zum letzten Tag, Jürgen pflegte Knut bis zu seinem Tod. Und setzt nun allein ihr gemeinsames Leben fort. Unsere neue Liebeskolumne, diesmal wieder von Helena Piontek, gibt es hier schon vorab im Checkpoint. Und falls Sie uns Ihre berührende und rührende Liebesgeschichte erzählen möchten, schreiben Sie gerne an liebe@tagesspiegel.de. Lieben Dank! | |||||
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Eine Liebe zu Berlin. Kathrin Röschel war lange Schulleiterin der Gail-S.-Halvorsen-Schule in Dahlem. Nun schreibt sie eine bewegende Mail aus dem verschneiten Provo in Utah, wo sie mit 600 anderen Menschen an der Beerdigung des Berliner Luftbrückenhelden Gail S. Halvorsen teilnahm. Seine fünf Kinder hielten Reden, alle seine 69 Urenkel waren dabei. Immer sei zum Ausdruck gekommen, dass Berlin Halvorsens „zweite Heimat“ geworden sei und wie sehr ihn die Dankbarkeit der blockierten Stadt für die amerikanischen Rosinenbomber bewegt habe. So habe ihn ein Berliner am Rande des 60. Luftbrückenjubiläums angesprochen: „Thank you for saving my life.“ Die Schokolade, die Halvorsen per Fallschirm abgeworfen habe, hätte nicht nur den Hunger gestillt, sondern auch Hoffnung gegeben – dass es Menschen gibt, denen das Schicksal Berlins nicht egal sei. Kathrin Röschel schreibt dazu: „Gail hat uns gezeigt, dass ein einzelnes Leben, ein einziger Mensch einen Unterschied machen kann. Auch heute.“ | |||||
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