Zunächst der Hinweis auf mein neues YouTube-Video auf meinem YouTube-"Aktien Kanal", diesmal zum Thema: "Dow Jones: Ziel 5 Millionen Punkte?" Wie üblich habe ich zu Handelsbeginn über meine Trading-Plattform den Markt nach Ausbrüchen von Aktien auf neue Hochs gescannt. Das ist die beste Möglichkeit, um neue Highflyer für meine Breakout-Trader-Leser möglichst früh zu entdecken (mehr Infos: www.breakout-trader.de). Dabei suche ich in verschiedenen nationalen Aktienmärkten, u.a. auch dem schwedischen. Hier schnellte sofort zu Handelsbeginn eine Aktie mit dem Kürzel LEMSE mit einem Kurssprung von 27 Prozent nach oben (von 5,85 Schwedischen Kronen (SEK) auf 7,45 SEK). Natürlich habe ich sofort geschaut, um welche Aktie es sich handelt und was dahinter stecken könnte: Wie sich heraus stellte ging es um Leading Edge Materials. Mir war der Name bekannt und so schaute ich in meinen Unterlagen nach entsprechenden Notizen (ich lege mir für jeden Wert mit dem ich mich je beschäftigt habe ein Word-Dokument an, das ich ständig ergänze). Mein Gedächtnis wurde schnell aufgefrischt: Die Aktie war im Januar 2017 von einem auf Junior Miner spezialisierten US-Börsenbrief empfohlen worden. Die Argumentation war dabei folgende: Graphit sei ein seltenes Material, das sowohl das US-Militär als auch Apple oder Tesla für jedes Gerät bzw. Fahrzeug, das sie bauen, unbedingt haben müssten. Graphit sei der wichtigste Grundstoff in Lithium-Ionen-Batterien, die ja u.a. den Strom für Smartphones und Laptops liefern, aber auch für Elektroautos, Gabelstapler, Züge, U-Boote, Kampfschiffe und sogar für ganze Stromnetze. Angeblich bestünden diese Batterien zu 80 Prozent aus purem Kohlenstoff. Davon würden pro Jahr im Moment nur 85.000 Tonnen produziert, aber alleine die Gigafactory von Tesla solle bald 115.000 Tonnen verbrauchen. Was hat es nun damit tatsächlich auf sich? Nun, Graphit ist die kristalline Form von Kohlenstoff. Es kann tatsächlich in relativ reiner Form in dünnen Schichten aus natürlichen Lagerstätten abgebaut werden. In der Tat wird es in Lithium-Ionen-Batterien als Material für die Anode (Pluspol) eingesetzt. Allerdings kann es auch künstlich hergestellt werden (synthetisches Graphit) aus anderen Kohlenstoffvorkommen, z.B. aus Kohle selbst. Und hier beginnt die Story erste Risse zu bekommen: Die künstliche Herstellung ist zwar teurer, aber es hängt stark vom Graphit-Preis und den Produktionskosten der jeweiligen Graphit-Mine ab, ob es wirklich profitabel ist, das natürliche Graphit zu fördern. Der zweite Punkt, der verschwiegen wurde, ist folgender: Das Haupteinsatzgebiet von Graphit ist nach wie vor die Stahlherstellung. Es wird dort für die Herstellung von feuerfesten Materialien verwendet und für die Erhöhung des Kohlenstoffanteils in geschmolzenem Stahl. Hinzu kommt die Verwendung als Schmiermittel, für Bremsbeläge oder - wohl am bekanntesten - für Bleistifte. Das heißt: Die Verwendung für Lithium-Ionen-Batterien ist nur eine unter vielen Anwendungen und bisher nicht die wichtigste. Entsprechend ist es nicht sinnvoll aus der steigenden Nachfrage für diese Anwendung eine Knappheit des Angebots abzuleiten. Die Story zu Leading Edge Materials Welche Story wird uns nun aber speziell zu Leading Edge Materials verkauft? Nun, dem kanadischen Unternehmen gehört die Woxna-Grafitmine "tief in den Wäldern der mittelschwedischen Landschaft Gävleborg" wie es in diesem neuen Artikel aus der NZZ idyllisch formuliert wird. Der Dreh dabei: Nicht all zu weit von der Woxna-Mine entfernt, in der nordschwedischen Stadt Skelleftea soll die größte Batteriefabrik Europas entstehen, so eine Art europäische Gigafactory quasi. Da liegt es nahe, dass davon ausgegangen wird, dass irgendwann einmal das benötigte Graphit für die Batterien aus der Woxna-Mine angekarrt wird. Dass das Ganze auch von politischem Interesse ist (Der EU-Kommissar für Energiefragen, Marek Sefcovic, hat eine EU Battery Alliance gegründet, in der einige namhafte europäische Industriebetriebe Mitglied sind) lässt die Geschichte natürlich umso interessanter klingen. Für die EU Battery Alliance gibt es einen 20-Punkte-Aktionsplan mit einer Timeline bis 2023. Mit Northvolt gibt es seit 2015 bereits ein Unternehmen, das die Vision einer europäischen Gigafactory Realität werden lassen soll und Teil der EU Battery Alliance ist. Gegründet wurde Northvolt übrigens vom ehemaligen Tesla-Vorstand Peter Carlsson. Die Tesla-Vergangenheit macht natürlich das Bild der europäischen Gigafactory noch stimmiger. Vier Milliarden Euro will Northvolt insgesamt investieren. Von der Europäischen Investitionsbank gab es ein Darlehen über 52 Millionen Euro und der deutsche Energieversorger Vattenfall ist genauso mit von der Partie wie die lokal ansässigen Weltkonzerne ABB, Scania und Vestas. In Deutschland versucht der Ex-ThyssenKrupp-Manager Holger Gritzka derweil mit seinem Start-Up TerraE-Holding ein Konkurrenzprojekt hochzuziehen. Auch bei TerraE setzt man auf die Unterstützung der Europäischen Kommission. Der Zeitplan sieht eine Fertigstellung der Serienfertigung mit einer Kapazität von 34 Gigawattstunden (GWh) aber erst im Jahr 2028(!) vor. Das zeigt, wie aufwendig und umfangreich ein solches Projekt ist. Auch die Total-Tochter Saft hat ein Projekt im Bereich Batterieherstellung am Laufen. Das ist um einiges kleiner (skalierbare Produktionseinheit von einer GWh pro Jahr), dafür aber bereits viel konkreter: Das belgische Unternehmen Solvay soll die Chemikalien liefern, Manz (richtig, der deutsche Solarzulieferer) seine Expertise bei der Montage von Batterien und Siemens seine Automatisierungslösungen. Was hat aber nun das plötzliche Interesse an Leading Edge Materials ausgelöst? Ich vermute, das hat mit der Meldung zu tun, dass Northvolt nun mit dem Bau des Forschungszentrums Northvolt Labs begonnen hat. Ab 2019 sollen dort Lithium-Ionen-Batteriezellen entwickelt, getestet und industrialisiert werden. Allerdings ist das nur die Vorstufe zur Errichtung der geplanten Batteriefabrik in Skelleftea. Dort soll mit dem Bau im zweiten Halbjahr 2018 begonnen werden. Im Gegensatz zu TerraE will Northvolt eine ähnlich hohe Kapazität (32 GWh) bereits 2023 aufgebaut haben. Trotz der prominenten Partnerschaften ist die Finanzierung der Gigafactory alles andere als gesichert. Noch in 2018 ist eine weitere Finanzierungsrunde geplant. Hinsichtlich der Rohstoffbeschaffung hat Northvolt nun vorläufige Lithiumhydroxid-Lieferverträge mit Nemaska Lithium vereinbart. Nemaska arbeitet in Quebec/Kanada an einer Spodumen Lithium-Lagerstätte. Leading Edge Materials: Keine Erfolgsgeschichte Hier lässt sich nun ein Bogen zu Leading Edge schlagen. Eventuell hat dieser Deal den Anlegern in Erinnerung gerufen, dass ja Leading Edge hier via Graphit-Kooperation mit Northvolt auch involviert ist. Da kann man schon mal in Euphorie verfallen. Als ich mich dann allerdings näher mit dem Unternehmen beschäftigt habe wurde mir schnell klar, dass jegliche Euphorie fehl am Platz ist. Es gibt nämlich eine Meldung aus dem Juli 2014, in der Flinders Resources (so hieß Leading Edge früher) sich in der finalen Arbeitsstufe für den Neustart der Graphit-Produktion in der Woxna-Mine befinde. Inzwischen sind fast vier Jahr vergangen und Leading Edge scheint keinen echten Schritt weiter zu sein. Nach wie vor ist nicht absehbar wann in der Mine tatsächlich produziert werden wird. Der Grund ist simpel: Man hätte offenbar gar keine Abnehmer für das Graphit. In der Meldung zum ersten Quartal 2018 heißt es nämlich unter anderem, man arbeite mit potenziellen Kunden zusammen, um Produkte zu finden, die von Woxna geliefert werden könnten. Das Unternehmen arbeite weiter daran sich als Zulieferer für den europäischen Graphit-Markt zu etablieren. Höchst wahrscheinlich liegt das daran, dass die Graphitpreise im Moment nicht hoch genug sind, damit eine Exploration der Mine tatsächlich wirtschaftlich Sinn machen würde. Damit aber nicht genug gibt es bisher noch nicht mal eine Machbarkeitsstudie, in deren Rahmen die vorhandenen Graphit-Reserven überprüft worden wären oder die wirtschaftliche und technische Durchführbarkeit demonstriert worden wären. Mit anderen Worten würde man quasi ins Blaue hinein mit der Produktion beginnen. Das wiederum führe "zu einem weit höheren Risiko für einen wirtschaftlichen und technischen Fehlschlag", wie das Unternehmen selber zugibt. Eine solche Machbarkeitsstudie wäre für jeden Rohstoffexplorer, der wirklich ernsthaft agiert, eine Selbstverständlichkeit. Genauso wäre eine solche eine absolute Notwendigkeit für potenzielle Investoren, um überhaupt abschätzen zu können, wie hoch zukünftige Umsätze und Gewinne theoretisch sein könnten. Stattdessen versucht sich Leading Edge als eine Art "Hans Dampf in allen heißen Rohstoffgassen". Zuletzt meldete man den Abschluss einer so genannten Explorations-Allianz in Rumänien. In deren Rahmen sucht man nach Kobalt- und Lithium-Explorationsprojekten mit lokalen Partnern. Bezahlen will man mögliche Lizenzen mit eigenen Aktien. Das klingt in meinen Augen alles reichlich nebulös. Seit dem Merger mit Tasman Metals hat man zudem noch das Norra Karr Seltene Erden-Projekt im Portfolio. Auch hier geht es aber eher langsam voran. Das sieht wohl auch die zuständige schwedische Behörde so, die deshalb Informationen über den Fortschritt bei dem Projekt von Leading Edge eingefordert hat. Die Explorationslizenz ist hier eigentlich schon seit 31. August 2015 abgelaufen und wurde immer wieder temporär befristet verlängert. Die Kanadier berichteten darauf hin, man habe signifikante technologische Meilensteine im Rahmen des Prozess-Entwicklungs-Researchs erreicht. Diese seien vom EURARE-Projekt der EU-Kommission finanziert worden. Leading Edge Materials (ISIN: CA52171T1003) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 18e/19e | Kurs | A2AQ0U / 7FL | 45 Mio. EUR | neg. / neg. | 0,511 EUR | MEIN FAZIT: Je mehr ich über das Unternehmen lese, umso mehr beschleicht mich das Gefühl, dass es bei Leading Edge gar nicht vordergründig darum geht, eines der Projekte tatsächlich zur Produktion bringen zu wollen. Eher scheint der Schwerpunkt darauf zu liegen, die eigene Aktie zu vermarkten und den Anlegern gut klingende Stories zu erzählen. Das ist leider kein Einzelfall sondern sehr häufig bei Rohstoff-Explorern. Finden sich keine institutionellen Investoren bleibt nur der ständige Verkauf eigener Aktien, um Geld in die Kasse zu bekommen. Das funktioniert natürlich entsprechend, wenn man Kleinanlegern eine griffige Story auftischt. Übrigens: Der extreme Anstieg der Aktie, durch den ich überhaupt erst auf Leading Edge aufmerksam geworden bin, fand nur an der schwedischen Nasdaq First North-Börse statt, einer alternativen Handelsplattform, die auf kleinere Unternehmen spezialisiert ist. Dort ist Leading Edge erst seit Anfang des Jahres gelistet. Möglicherweise gab es in Schweden ein entsprechendes Covering in den Nachrichten oder von einem Börsenbrief. In Deutschland, wo die Aktie unter der WKN: A2AQ0U gehandelt wird, zog der Kurs zunächst überhaupt nicht mit. Ich hatte darauf hin zu 0,492 und zu 0,513 Euro einige Stücke gekauft und darauf spekuliert, dass der Kurs in Frankfurt nachzieht (Wechselkursverhältnis Euro/SEK im Moment bei ca. 10,65) oder später in Kanada. Diese Spekulation ging aber nicht wirklich auf. Stattdessen kam der Kurs in Schweden deutlich zurück, notiert aber immer noch über pari im Vergleich zur Notiz in Deutschland, Kanada oder den USA. Daraufhin habe ich die Position am Freitag mit einem kleinen Gewinn zu 0,511 Euro wieder abgestoßen. Hinweispflicht nach §34b WpHG: Die Geldanlage-Report-Redaktion ist in den genannten Wertpapieren / Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels nicht investiert: Es kann daher kein Interessenskonflikt vorliegen. 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