Liebe Frau Do, Ostern steht vor der Tür, und es wird ganz anders als sonst – aber nicht notwendigerweise schlechter: Wir haben einige Experten gefragt, wie man das Beste aus dem Zwangsurlaub auf Balkonien macht. Es ist wichtig, sich die Stimmung nicht vermiesen zu lassen. Mallorca ist doch gar nicht so schön. Und die Zeitumstellung bei Fernreisen nervt doch eigentlich. „Tun Sie nicht das langweilige Übliche, sondern spaßige und verrückte Dinge“, rät ein Psychotherapeut, mit dem meine Kollegin Tanja Walter gesprochen hat. Am besten, Sie fangen gleich damit an. Aber lassen Sie uns vorher noch kurz über Freiheit reden. Virologen und Regierungsvertreter haben derzeit häufig das Wort: die einen, weil sie Corona am besten verstehen, die anderen, weil sie entscheiden müssen. Wie schwer das sein kann, berichtet NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann in einem Interview, das mein Kollege Maximilian Plück geführt hat. Selbst in exzellent geführten Pflegeheimen lasse sich eine Ausbreitung des Virus nicht immer verhindern, aber zugleich sei den Bewohnern ein Besuchsverbot für ein halbes oder ein ganzes Jahr „nicht zuzumuten“, sagt der CDU-Politiker. Es ist das Dilemma, das sich wie ein roter Faden durch die Corona-Krise zieht, nämlich der Gegensatz von Gesundheitsvorsorge und, eben, Freiheitsrechten. Dass es dabei um Leben und Tod geht, macht es nur auf den ersten Blick klarer. Denn auch die geltenden Einschränkungen bleiben ein Kompromiss. Weder verschwindet unsere Freiheit ganz, noch sind die Menschen vollständig vor Ansteckung geschützt. Dass in der Lösung des Dilemmas manches auf der Strecke bleibt, kritisiert der Deutsche Ethikrat, dessen unabhängige Beratungstätigkeit in einem eigenen Gesetz geregelt ist. Die erzwungene Vereinsamung ziehe „erhebliche psychische Kollateralschäden“ nach sich, sagt Peter Dabrock, Vorsitzender des Gremiums und Theologie-Professor. Eine Exit-Debatte darüber, wie wir aus den Einschränkungen wieder herausfinden, sei geboten, denn es sei „nie zu früh für eine öffentliche Diskussion über Öffnungsperspektiven“. Häufig wenden Gegner solcher Vorstöße ein, dann schwinde der Gemeinsinn, aber Dabrock behauptet das Gegenteil: Die Einigkeit über die Maßnahmen drohe verloren zu gehen, wenn nicht über deren Ende debattiert werden könne. Und da ist sie wieder: die Freiheit. Aber es geht nicht nur darum, wie wir aus der Krise rauskommen, sondern wie es danach eigentlich weitergeht, zum Beispiel in der Wirtschaft. Der Vorsitzende der baden-württembergischen FDP, Michael Theurer, warnt vor autoritären Tendenzen. „Es wäre fatal, die Logik der Krisenwirtschaft nach der Krise beizubehalten“, schreibt der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion in einem Gastbeitrag. „Die politische Linke mit ihrer Gemeinwirtschaft und die politische Rechte mit dem angeblichen Volkswillen stehen schon in den Startlöchern, genau dies als Folge der Krise wieder flächendeckend zu propagieren.“ Die Hufeisen-Rhetorik überzeugt mich nicht, aber ich wünsche mir die Geschlossenheit, die wir jetzt bei der Corona-Bekämpfung erleben, auch für die Zeit danach. Jenseits politischer Unterschiede muss es allen Demokraten darum gehen… ja, genau: die Freiheit wiederherzustellen. Und lernen sollten wir aus unseren Erfahrungen mit dieser Pandemie. Vor zwei Wochen hatte ich Sie auf einen Gastbeitrag des Düsseldorfer OB Thomas Geisel hingewiesen, der die Krisenmaßnahmen von Bund und Ländern kritisch beleuchtet hat. Jetzt schreibt Stephan Keller, sein Herausforderer von der CDU, ebenfalls über Corona. Aber keine Sorge, es geht nicht oder allenfalls im letzten Satz um Wahlkampf (ohnehin ist ja gar nicht sicher, ob die Kommunalwahl wie geplant im September stattfindet), sondern um konkrete Lehren. Keller leitet als Stadtdirektor den Corona-Krisenstab in Köln, der größten Stadt in NRW, und hat dazu einiges zu sagen. „Die aktuelle Situation zeigt schonungslos die Systemschwächen auf. Wichtige nationale Fähigkeiten sind nicht mehr vorhanden. Das Virus trifft hier auf ein ausgezehrtes System.“ Spannend zu lesen – auch wenn mir das Urteil etwas harsch erscheint, wenn ich in die USA blicke. Alles ist relativ, auch die gute Nachricht. Aber immerhin, davon folgen hier jetzt zwei: Die Kommunen in NRW haben gemeldet, dass 8500 Corona-Infizierte die Viruserkrankung überwunden haben. Und die Zahl der Infizierten verdoppelt sich laut Landesregierung nur noch in etwas mehr als elf Tagen. Das ist zum einen etwas besser als der Bundesdurchschnitt und liegt zum anderen nahe an der Zielmarke von zwölf bis 14 Tagen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel genannt hatte. Die Entwicklung der wichtigsten Statistiken rund um Corona können Sie in unserem ständig aktualisierten Datendossier verfolgen. Und natürlich halten wir weiterhin unseren Liveblog auf dem neuesten Stand, damit Sie jederzeit informiert sein können. Vielleicht klingt es seltsam, wenn ausgerechnet ich Ihnen empfehle, dabei auch Pausen einzulegen. Aber wir wollten ja über Freiheit reden. Und es gibt schließlich auch in diesen Zeiten mehr als Corona und die Krise. Sie wollten doch gleich spaßige und verrückte Dinge tun, oder? Herzlich Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |