Können sich betroffene Personen nur noch auf die in der Datenschutz-Grundverordnung selbst normierten Rechte stützen? Ist eine Unterlassungsklage zur Verfolgung eines Anspruchs nach §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB im Anwendungsbereich der DSGVO noch zulässig? Unter anderem diesen Fragen ist das VG Regensburg in seinem Gerichtsbescheid nachgegangen. Wir beschäftigen uns nun damit, ob bei fehlender Möglichkeit die Unterlassung einer rechtswidrigen Datenverarbeitung einzuklagen, noch ein effektiver Rechtsschutz gegeben ist. Hintergrund und Ergebnis der Klage Der Kläger klagte vor dem Verwaltungsgericht auf Unterlassung einer von der Stadt eingeführten Videoüberwachung des öffentlichen Raumes. Da die konkreten Umstände des Sachverhaltes keinerlei Relevanz für das Problem haben, welches im Beitrag betrachtet werden soll, möchte die Verfasserin Sie diesbezüglich auf den Bescheid des VG Regensburg vom 06.08.2020 – RN 9 K 19.1061 verweisen. Für uns soll vor allem das Ergebnis der gerichtlichen Entscheidung von Interesse sein, denn nach Ansicht des VG Regensburg schließt Art. 79 DSGVO weitere gerichtliche Rechtsbehelfe gegen Verantwortliche und Auftragsverarbeiter aus. Daher sollen Unterlassungsklagen nach §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB im Bereich des Datenschutzes grundsätzlich nicht mehr möglich seien. Falls Sie ähnlich wie auch die Verfasserin dem Art. 79 DSGVO eher weniger Aufmerksamkeit geschenkt haben, sei Absatz 1 hier nochmal abgebildet, um die rechtlichen Bewertungen des Verwaltungsgerichtes vielleicht nicht verstehen, aber doch zumindest nachvollziehen zu können. „Jede betroffene Person hat unbeschadet eines verfügbaren verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfs einschließlich des Rechts auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde gemäß Artikel 77 das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf, wenn sie der Ansicht ist, dass die ihr aufgrund dieser Verordnung zustehenden Rechte infolge einer nicht im Einklang mit dieser Verordnung stehenden Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verletzt wurden.“ Begründung des Gerichtes Das VG geht zunächst auf den Wortlaut des Art. 79 Abs. 1 DSGVO ein. Danach würden nur andere verwaltungsrechtliche oder außergerichtliche Rechtsbehelfe „unbeschadet“ bleiben, nicht aber gerichtliche Rechtsbehelfe. Gerichtliche Rechtsbehelfe bestünden nach dem Wortlaut nur bei einer Verletzung der aufgrund der DSGVO zustehenden Rechte. „Jenseits der oben genannten Normen (Ergänzung durch Verfasserin: genannt wurden hier Art. 12 bis 22 DSGVO) gewährt die Datenschutz-Grundverordnung keine Rechte, zu deren Durchsetzung ein wirksamer Rechtsbehelf nach Art. 79 DSGVO zur Verfügung gestellt werden muss. In Betracht käme insbesondere ein Anspruch auf Unterlassung einer verordnungswidrigen Verarbeitung personenbezogener Daten, da gemäß Art. 8 Abs. 1 EU-GRCh, Art. 16 Abs. 1 AEUV jede natürliche Person Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten hat, wobei Inhalt des Schutzes auch das Erfordernis der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung ist. Es müsste in einem solchen Fall daher die Möglichkeit bestehen, eine solche Verarbeitung für die Zukunft zu unterbinden, andernfalls der Grundrechtsschutz und der europarechtliche Effektivitätsgrundsatz nach Art. 4 Abs. 3 EUV beeinträchtigt wären. Allerdings ist das Recht auf Unterlassung rechtswidriger Datenverarbeitung nicht als solches in der Datenschutz-Grundverordnung verankert. Diese konkretisiert zwar das primärrechtlich verbürgte Recht auf Schutz persönlicher Daten, aber eben nur, soweit sie die Ausprägungen dieses Rechts normiert. Dies spricht gegen die Annahme eines auf der Datenschutz-Grundverordnung basierenden Unterlassungsanspruchs bezüglich einer verordnungswidrigen Verarbeitung personenbezogener Daten.“ (Rn. 17) Das VG verweist letztlich auf den Verwaltungsweg. Dass hieße das zunächst bei einer rechtswidrigen Verarbeitung, Beschwerde bei der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde nach Art. 77 DSGVO eingereicht werden müsste. Erst nach einem rechtsverbindlichen Beschluss der Aufsichtsbehörde könnte dann gem. Art. 78 Abs. 1 DSGVO vorgegangen werden, da aufgrund dieser Norm ein gerichtlicher Rechtsbehelf gegeben sei. Bei der Begründung, dass Art. 79 DSGVO weitere gerichtliche Rechtsbehelfe gegen Verantwortliche und Auftragsverarbeiter ausschließt, wird in dem Gerichtsbescheid wie auch teilweise in der Kommentarliteratur auf den ehemals vorgesehenen Art. 76 Abs. 5 des Kommissionsvorschlags zur Datenschutz-Grundverordnung verwiesen, der nicht Bestandteil der DSGVO wurde. In diesem sollte folgendes geregelt werden: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass mit den nach innerstaatlichem Recht verfügbaren Klagemöglichkeiten rasch Maßnahmen einschließlich einstweilige Maßnahmen erwirkt werden können, um mutmaßliche Rechtsverletzungen abzustellen und zu verhindern, dass dem Betroffenen weiterer Schaden entsteht.“ Aushölung von Rechten und Freiheiten als Folge? Auf die genauen Gründe, warum Art. 79 DSGVO hinsichtlich gerichtlicher Rechtsbehelfe abschließend sei, geht das VG nicht ein. Insbesondere verhält es sich nicht zu Rechtsbehelfen nach Art. 47 Abs. 1 GRCh (EU-Grundrechte-Charta) der das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei Verletzungen von durch das Recht der Union garantierten Rechten oder Freiheiten, vorsieht. Zu diesen Rechten dürfte auch das Recht auf Schutz personenbezogener Daten gem. Art. 8 Abs. 1 GRCh gehören. Auch eine etwaige Möglichkeit der Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs zur Geltendmachung von Verletzungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts neben Art. 79 DSGVO wird nicht thematisiert, wenngleich das Gericht in den zusätzlichen Ausführungen zur Unbegründetheit auf eben dieses Grundrecht eingeht. Im Ergebnis könnte aus diesem Bescheid eine Aushöhlung verfassungsrechtlich und europarechtlich statuierter Grundrechte folgen, da in einem solch weitgehenden Verweis auf den Verwaltungsweg eine Beeinträchtigung des Effektivitätsgrundsatz nach Art. 4 Abs. 3 EUV gesehen werden könnte. Die Berufung gegen die Entscheidung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es darf bezweifelt werden, ob die weitreichende Rechtsansicht des VG Regensburg von höheren Gerichten so geteilt werden wird. Beitrag hier kommentieren |