vor einem Jahr klang es noch wie eine Verschwörungstheorie. Und selbst heute noch trauen sich viele an dieses heiße Eisen nicht ran. An die Frage nämlich, ob das Corona-Virus womöglich doch nicht natürlichen Ursprungs ist. Sondern aus einem Labor in der chinesischen Stadt Wuhan stammt, von wo aus es – aus welchem Grund auch immer – in die Außenwelt gelangte. Tatsächlich häufen sich seit einiger Zeit die Hinweise darauf, dass die „Labor-These“ alles andere als abwegig ist. In der Juli-Ausgabe von Cicero, die von morgen an am Kiosk zu haben ist, gehen wir genau dieser Frage nach. Und das Ergebnis unserer Recherchen ist alles andere als beruhigend. Einen letztgültigen Beweis für die wahre Herkunft jenes Virus, das in den vergangenen anderthalb Jahren weltweit Millionen Menschenleben gekostet und wirtschaftliche Schäden in unermesslicher Höhe verursacht hat, wird es wahrscheinlich nie geben. Denn dafür wurde von Beginn der Pandemie an zu viel vertuscht, wurden Ermittlungen mit staatlicher Hilfe allzu eifrig behindert. Gleichwohl könnte China noch in schwere Erklärungsnöte kommen. Denn allem Anschein nach wird die amerikanische Regierung die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen. Und genau an diesem Punkt kommen massive geopolitische Interessen ins Spiel, die wir in der neuen Cicero-Ausgabe ebenfalls benennen. Heute um 21 Uhr ist Anpfiff für die EM-Fußballpartie zwischen Deutschland und Ungarn. Doch das Spiel ist überschattet vom Streit wegen der Regenbogen-Beleuchtung an der Münchener Arena, mit der ein Signal gesetzt werden sollte gegen ein vom ungarischen Parlament erlassenes Gesetz, das die Informationsrechte von Jugendlichen über Homosexualität und Transsexualität einschränken wird. Mein Kollege Ulrich Thiele kommentiert das Spektakel und findet die Empörung über die angeblich homophobe Politik der ungarischen Regierung grundsätzlich begrüßenswert. Und dennoch stellt er die Frage, ob die Festspiele der höheren Moral vielleicht auch mit etwas mehr Selbstkritik und ohne bigotte Überlegenheitsgesten über die Bühne gehen könnten. Ein letzter Lese-Tipp: Heute meldet sich auf www.cicero.de noch einmal Georg Thiel zu Wort, den wir Ihnen gestern vorgestellt haben. Der Mann sitzt seit knapp vier Monaten im Knast, weil er jahrelang keinen Rundfunkbeitrag gezahlt hat und sich weigert, seine Vermögensverhältnisse offenzulegen. Meine Kollegin Antje Hildebrandt hat ihn in der JVA Münster an die Strippe bekommen und ein Telefon-Interview mit ihm geführt. „Natürlich möchte ich hier nicht sitzen“, sagt Thiel. „Aber ich möchte, dass der Rundfunkstaatsvertrag reformiert wird.“ Mit diesem Wunsch steht der 54-Jährige ganz bestimmt nicht allein. Aber wohl nur die allerwenigsten würden dafür einen Gefängnisaufenthalt in Kauf nehmen. Erinnert sein Schicksal tatsächlich an „nordkoreanische Verhältnisse“, wie Thiel behauptet? Nun ja. Seinen Humor jedenfalls scheint der Mann auch hinter Gittern nicht verloren zu haben. Ob Georg Thiel die Begegnung zwischen Deutschland und Ungarn an diesem Abend am Gefängnis-Fernseher verfolgt, ist leider nicht überliefert. Ihr Alexander Marguier, Chefredakteur |