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5 nach 12 - Was ist heute wichtig? Das Mittags-Update von WELT-Chefredakteur Ulf Poschardt
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Scheitern der Humanität: Heute droht die dringend benötigte internationale Hilfe für Syrien auszulaufen. Im UN-Sicherheitsrat verhinderten Russland und China diese Woche eine deutsch-belgische Resolution zur Fortsetzung der Hilfslieferungen. Ihr Ziel: Humanitäre Güter sollen nur noch über einen Grenzübergang und damit über das Assad-Regime ins Land gehen. Das aber behält in der Regel den Hauptteil für sich. Es wäre eine Katastrophe, sollte es dabei bleiben. Während die Diplomatie zu scheitern droht, setzt die Türkei ihre stille Annektion syrischer Gebiete fort (siehe Foto): Ankara rüstet nicht nur in Idlib auf, sondern auch in drei weiteren Gebieten, die sie zwischen 2016 und 2019 eroberte. Die Kurdenregion Afrin, und der Teil des Aleppo Gouvernements von Azaz bis Dscharablus. Hinzu kommt ein 30 Kilometer tiefer und 150 Kilometer langer Streifen in der kurdischen Autonomiezone im Nordosten Syriens. Erdogans Regierung rechtfertigt die Besetzung mit dem „Kampf gegen Terrorismus“. Er richtet sich gegen die kurdische YPG-Miliz in Syrien, die Verbindungen zu der in der Türkei verbotenen Arbeiterpartei PKK hat.
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„Der Kampf gegen Terrorismus ist nur ein Vorwand“, schreibt unser Korrespondent Alfred Hackensberger. Tatsächlich gehe es um eine Annexion auf allen Ebenen: Verwaltung, Wirtschaft, Bildungs- und Gesundheitswesen. Die staatliche Post und türkische Universitäten haben bereits Ableger in Nordsyrien. Kinder lernen in den Schulen Türkisch. Die Lehrpläne stammen vom türkischen Ministerium für Erziehung. Auf renovierten Krankenhäusern weht nun die türkische Nationalflagge. Die lokale Verwaltung steht unter Kontrolle der Türkei. Nächster Schritt: Im vergangenen Monat wurde nun die türkische Lira als Zahlungsmittel eingeführt. Offiziell, weil das syrische Pfund (SP) auf ein Rekordtief abgestürzt ist. Für die Türkei war das eher ein willkommener Anlass. Wo mit türkischem Geld bezahlt wird, könnte auch bald die Türkei sein.
 
Ausgebremst: Wegen eines Formfehlers in der Eingangsformel der neuen Straßenverkehrsordnung (StVO) sind schärfere Regeln für Fahrverbote bei zu schnellem Fahren von den Ländern vorerst außer Vollzug gesetzt worden. Dabei ging es um die neue Regelung, dass 21 Kilometer pro Stunde mehr als erlaubt reichen, um einen Monat Fahrverbot zu kassieren – außerorts sind es 26 Kilometer pro Stunde. „Verantwortlich dafür ist Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). In seinem Haus wurde der Formfehler gemacht. Nur er kann ihn beheben“, analysiert WELT-Redakteur Matthias Kamann. Allerdings will Scheuer die Korrektur der juristischen Formalie damit verbinden, den Bußgeld-Katalog auch inhaltlich wieder zu ändern. Dabei müssen die Länder mitmachen. Das wird lange dauern. Und so lange wird in den meisten Bundesländern wieder der alte, bis April gültige Katalog mit seinen milderen Strafen angewandt.

Es ist ein Ire: Mitten in der Corona-Wirtschaftskrise übernimmt der irische Finanzminister Paschal Donohoe den Vorsitz der Eurogruppe. Die 19 Staaten der Gemeinschaftswährung wählten den bürgerlichen Politiker am Donnerstag in einer Videokonferenz für zweieinhalb Jahre. Donohoe erklärte anschließend die wirtschaftliche Erholung von der Rezession zur Priorität. Viele Menschen in Europa hätten Angst um ihre Jobs und ihre Einkommen, sagte er. Der 45 Jahre alte Ire setzte sich überraschend gegen zwei Mitbewerber durch: die Spanierin Nadia Calviño und den Luxemburger Pierre Gramegna. Calviño galt als Favoritin. Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte Sympathie für die Sozialistin erkennen lassen. Nach der Wahl lobte Scholz aber, Donohoe habe bisher gute Arbeit geleistet. Er sei sicher, dass sich die Eurogruppe nun aufs Wesentliche konzentrieren werde, nämlich die wirtschaftliche Erholung. Na, dann.
 
Einsicht und Aussicht: Donald Trump hat vor dem Obersten Gerichtshof der USA einen Sieg und eine Niederlage eingefahren. Der Supreme Court urteilte 117 Tage vor der Präsidentschaftswahl, dass die New Yorker Staatsanwaltschaft  Einsicht in Trumps Steuererklärungen erhalten soll. Der Kongress hingegen, mithin das von den Demokraten dominierte Repräsentantenhaus, bekommt dieses Recht nicht. In der Sache geht es unter anderem um Schweigegeldzahlungen an die Pornofilmschauspielerin Stormy Daniels, die behauptete, eine Affäre mit Trump gehabt zu haben, was dieser bestreitet. Hat Trumps Unternehmen Unterlagen gefälscht, um die Zahlungen an Daniels und eine weitere Frau zu verschleiern? „In den USA ist es gute Tradition, dass Spitzenpolitiker, inklusive aller Präsidenten seit Jimmy Carter, ihre Steuererklärungen freiwillig veröffentlichen“, schreibt unser Washington-Korrespondent Daniel Friedrich Sturm. Es ist eines der ungeschriebenen Gesetze, die die politische Kultur des Landes lange prägen. Jeder Bürger soll sich ein Bild machen können von der finanziellen Lage derer, die ihn vertreten – oder sich um ein solches Mandat bewerben. "Wenn Trump für eine Tradition steht, dann die, noch jede bewährte Praxis über den Haufen zu werfen", so Sturm.
 
Während für Trump der Wahlkampf heiß läuft, beginnt im politischen Berlin die Sommerpause – und auch dieser Newsletter geht in die Ferien. Ich freue mich schon jetzt, Sie im September wieder Ihnen täglich Nachrichten, Reportagen und Analysen aus der WELT-Redaktion zu präsentieren. 
Bis dahin wünsche ich Ihnen einen Sommer, der seinem Namen alle Ehre macht.
Bleiben Sie gesund,

Ihr



Ulf Poschardt

 
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