bekanntlich soll man nicht die Rattenfängerlieder mitsingen. Schon Franz Josef Degenhardt hat davor gewarnt – in seinem vielleicht berühmtesten Bänkellied „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“. Damals waren die, die „den Mädchen unter Röcke schielten“ und die „nach Kaninchenstall rochen“ vornehmlich bei der politisch Linken zu Hause. Heute indes stehen diese Typen vor allem rechts. Im schlimmsten Falle sitzen sie sogar dort, manchmal sogar ganz rechts außen. Das gilt zum Beispiel für den Thüringer Landtag, wo die AfD unter Björn Höcke seit der Wahl von 2019 auf 23,4 Prozent der Stimmen kommen konnte und wo sie das Koalieren wie das Regieren der anderen Parteien extrem schwer gemacht hat. Denn mit Schmuddelkindern spielt man nicht. Also hatte man sich nach der Wahl von Ministerpräsident Ramelow (Die Linke) 2020 zwischen Rot-Rot-Grün und der CDU darauf geeinigt, den Landtag in diesem Jahr aufzulösen, um so den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Heute sollte es eigentlich soweit sein. Doch daraus wurde nichts. In einem Interview mit cicero.de erklärt Madeleine Henfling, Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen und Vizepräsidentin des Thüringer Landtags, wie es in dem Bundesland zukünftig weitergehen kann und wo die Probleme bei der Auflösung lagen: „Wir mussten einfach feststellen, dass wir ohne die Stimmen der AfD nicht auf die benötigte Mehrheit kämen“, so Henfling, die die Arbeit im Parlament unter den aktuellen Bedingungen als extrem anstrengend und zermürbend empfindet. „Aber wir mussten die Reißleine ziehen, um ein AfD-gestütztes Ergebnis zu verhindern.“ Thüringen scheint damit endgültig zu einem schwer zu regierenden Bundesland geworden zu sein. „Ein Land im Verfall“, wie ein anderer Artikel auf cicero.de heute überschrieben ist. In diesem geht es ebenfalls um eine Regierung in der Abwärtsspirale. Die sitzt allerdings nicht in Erfurt, sondern in Kapstadt. Seit den Zerstörungsorgien und Unruhen der vergangenen Tage ist dort die Regierung von Cyril Ramaphosa extrem unter Druck geraten: Korruption, Misswirtschaft, Corona, Kriminalität, Energieknappheit – die Liste der Bedrohungen für den einstigen afrikanischen Hoffnungsträger ist lang. Und längst ist nicht ausgemacht, ob sich das Land nicht am Ende sogar zu einem gescheiterten Staat entwickeln wird. „Die Geschwindigkeit, mit der Südafrika in die Gewalt gedriftet ist, und der eklatante Mangel an Gegenwehr lassen wenig Gutes erwarten“, schreibt Südafrika-Korrespondent Wolfgang Drechsler. „Leicht wird die Wende zum Besseren nicht werden. Denn ein zweiter Mandela ist nirgendwo in Sicht.“ Thüringens Mandela hieß übrigens einst Bernhard Vogel. Auch den gibt es kein zweites Mal. Umso wichtiger wird es sein, dass die jetzige Minderheitsregierung aus Rot-Rot-Grün endlich Ruhe in die Sache bringt. Ihr Ralf Hanselle, stellvertretender Chefredakteur |