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Guten Tag Herr Do, als VW seine Pläne zur Partnerschaft mit Rivian und zu einem gemeinsamen Unternehmen Mitte der Woche bekannt gab, dauert es nicht lange, bis einige über VW und Cariad spotteten. Andere sehen in dem geplanten Einstieg Volkswagens ein zu hohes Risiko und denken dabei an das teuer gescheiterte Projekt mit Argo AI. Bei Rivian geht es um eine E/E-Architektur, die in Zonen aufgeteilt ist, inklusive Software. Ein Konzept, an dem nahezu alle großen Autohersteller arbeiten. So auch Cariad seit es vor gut vier Jahren gegründet wurde. Auf der Unternehmensseite wird als Ziel dieser neuen Architektur eine reduzierte Anzahl Steuergeräte genannt. Das spare „mehr als einen Kilometer Kabelbaum pro Auto“. Außerdem sollen Hardware und Software voneinander entkoppelt werden, weil es für beide Bereiche unterschiedliche Entwicklungszyklen gibt. Neue Funktionen soll es künftig innerhalb von Wochen geben können, statt vier bis sechs Jahre auf neue Hardware warten zu müssen. Offenbar hat es Cariad bis heute nicht geschafft, so eine E/E-Architektur für den Serieneinsatz zu entwickeln. Stattdessen nutzt VW für Klein- und Kompaktwagen in China künftig die Technik von Xpeng. In den anderen Regionen will der VW-Konzern Rivians Konzept in seinen Modellen nutzen. In der noch jungen Historie der VW-Tochter ist das ein sehr großer Strategieschwenk. Maßgeblich eingeleitet hat ihn Oliver Blume , nachdem er den Vorstandsvorsitz des Konzerns übernommen hatte. Vor vier Jahren waren die Ambitionen bei Cariad astronomisch. Getrieben vom Transformationseifer von Herbert Diess wurden Ziele formuliert, die Deutschlands größter Industriekonzern wohl nie erreichen wird. 10.000 Entwickler bis Mitte der 2020er Jahre 60 Prozent Eigenleistung bei Software Cariad sollte nach SAP zum zweitgrößten Software-Unternehmen des Landes werden eigene Halbleiter entwickeln Bei diesen Ansprüchen bekam die ausgegründete „Car Software Organisation“ gleich mehrere Konstruktionsfehler: Konzernstrukturen bei gleichzeitig agilen Projekten, Wechsel von Entwicklern aus den Marken zu Cariad, ungeklärte Kompetenzen zwischen Cariad und den Marken. Während Diess zwei Jahre lang vergeblich versuchte, das Unternehmen auf die richtige Bahn zu bringen, berichteten Insider regelmäßig von Querelen im Konzern. Zu Cariad abgewanderte Entwickler müssten nebenbei noch Serienprojekte ihrer vorherigen Arbeitgeber betreuen, statt sich um die neuen Themen zu kümmern, lautet ein Vorwurf. Cariad sei zu langsam ein anderer. Die Folgen sind bekannt: OTA-Update-Desaster beim ID 3 (12-Volt-Batterie zu schwach); Verzögerte Verkaufsstarts einiger Modelle, insbesondere Audi Q6 E-Tron und Porsche Macan. Laut Timo Kronen, Partner bei Berylls, kostet jede Woche, die ein Premiummodell verzögert auf den Markt kommt, den Hersteller zwischen 35 und 100 Millionen Euro. Die Verluste seien kaum bis nicht mehr aufzuholen. Bei zwei Jahren Verzug für Q6 und Macan sind das schnell zweistellige Milliardenbeträge. Kein Wunder, dass Blume sehr schnell Entwicklungskosten sparen und die Lieferzeit dramatisch steigern will. Seine Idee: Weniger neu entwickeln und stattdessen fertige Technik über Partnerschaften ins Haus holen. Für diesen Ansatz muss Peter Bosch nun Cariad neu aufstellen. Im März dieses Jahres schrieb Bosch gemeinsam mit Thomas Günther einen offenen Brief an seine Beschäftigten. Es gibt große Fortschritte und die Ergebnisse sind gut, lautete die Botschaft. Mit Sanjay Lal hat Bosch einen erfahrenen Manager als Chief Software Officer gewinnen können. Lal war zuvor gut zwei Jahre für die Architektur bei Rivian verantwortlich, davor ebenso lange bei Google für Android Automotive und früher Chef-Entwickler von Tesla. Lal bringt den Tech-Spirit mit, der Cariad von Beginn an gefehlt hat. Die Zukunft von Cariad ist dennoch offen, denn bis heute scheint es ein Kompetenzgerangel zwischen den Konzerntöchtern zu geben. „Audi und Porsche machen, was sie wollen“, äußern sich Brancheninsider zur Konstellation. Entscheidungen der Entwickler in Weissach und Ingolstadt würden zu Inkompatibilitäten führen, hieß es vor wenigen Wochen in Medienberichten. Die Cariad-Mitarbeiter müssten diese Probleme ausbügeln – und offenbar ausbaden. Peter Bosch hat eine ungünstige Konstellation übernommen, die er schnell verbessern muss. Gelingt ihm das nicht, muss Blume die Hardware- und Software-Architekturentwicklung für den Konzern grundlegend überdenken. Denkbar, dass er dann seinen Joker ausspielt: Mit Sajjad Khan hat Porsche einen Software-Vorstand, dessen Expertise branchenweit anerkannt ist. Es sagt viel aus über die Machtverhältnisse im VW-Konzern, wenn respektierte Software- und Entwicklungs-Manager wie Khan oder Geoffrey Bouquot zu den Konzernmarken wechseln, statt zu Cariad. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und eine spannende Lektüre der fünf Top-Meldungen der vergangenen Woche. Sven Prawitz Redakteur Automobil Industrie Sie vermissen Themen bei uns? Schreiben Sie uns! |
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