Das TOUR Tech-Briefing zur 1. Etappe |
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Fotograf: Getty Velo |
Vom 1. bis zum 23. Juli messen sich die besten Radsportler der Welt bei der Tour de France. Über Sieg und Niederlage entscheiden dabei nicht nur die Beine, sondern auch das Material. Das TOUR Tech-Briefing zur 1. Etappe. |
Tour de France 2023 - 1. Etappe: Bilbao - Bilbao | 182 Kilometer |
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Das Höhenprofil der 1. Etappe, Fotograf: A.S.O. |
Die 1. Etappe der Tour de France 2023 im Baskenland ist nicht leicht. Die Runde ist gespickt mit Hügeln, die zum Ende garstiger werden. Alle Fahrer sind frisch und motiviert, das wird es sehr schwer machen für Ausreißer, sich vom Feld abzusetzen. Der letzte giftige Anstieg im Profil passt perfekt ins Beuteschema von Fahrern wie Mathieu van der Poel, Wout van Aert oder Tom Pidcock: Die Cote de Pike bäumt sich zum Ende mit über 15 Prozent auf, von der Kuppe sind es noch knapp 10 Kilometer leicht fallend ins Ziel. Eine erfolgreiche Attacke würde mit dem Gelben Trikot belohnt. Die genannten Fahrer sind alle auch Cross-Spezialisten, sie haben die besondere Fähigkeit, das “Gas” für ein paar Minuten weit jenseits der Dauerleistungsgrenze stehen zu lassen. |
Was ist aus technischer Sicht das beste Setup für diesen Tag? Da die Abstände mutmaßlich klein sein werden, ist eine Top-Aerodynamik der Schlüssel, um einen Vorsprung von der Cote ins Ziel zu retten. Die Fahrer werden daher alles machen, was geht: Aero-Laufräder, ein möglichst aerodynamisches Rad, Aero-Einteiler, Aero Helm – das volle Programm. |
Tour de France 2023: Aero- wichtiger als Gewichtsoptimierung auf 1. Etappe |
Für die Attacke am Berg sollte das Rad natürlich auch leicht sein, so leicht wie es geht – das Mindestgewicht von 6,8 Kilogramm, das die UCI vorschreibt, erreichen die Profis in aller Regel nicht. Einen Einfach-Antrieb, wie ihn Jumbo-Visma gelegentlich zur Optimierung (weniger Gewicht, 3 Watt weniger Luftwiderstand) verwendet, werden wir wohl auch nicht sehen, dafür ist der letzte Stich zu steil. Rechnerisch ist die Sache klar: Die Aero-Optimierung trägt bei diesem Finale mehr Früchte als eine Gewichtsminimierung um jedem Preis. Die Leichträder werden daher in den LKWs bleiben. Bei den Reifen wird die Mehrheit auf Tubeless-Reifen setzen – vermutlich in 28 mm Breite, weil diese einen sehr guten Kompromiss aus Fahrdynamik/Komfort, Rollwiderstand und Aerodynamik bietet. |
Unsere Renn-Simulation für die 1. Etappe der Tour de France 2023 beginnt am Fuße der zwei Kilometer langen Cote de Pike, die im Schnitt 10 Prozent Steigung aufweist. Die ersten 500 Meter haben nur sieben Prozent, dann folgen “flache” 500 Meter mit 4,8 Prozent, bevor es richtig zur Sache geht: 500 Meter mit 12 Prozent gefolgt von 500 Metern mit 15,6 Prozent. |
Tritt ein Puncheur wie van der Poel einen Kilometer vor der Kuppe voll an, wo die Steigung zulegt, beträgt die Fahrzeit für diesen Kilometer, wenn er voll durchzieht, gut drei Minuten. Für die verbleibenden 9,6 Kilometer bis ins Ziel kalkulieren wir rund 12 Minuten zusätzliche Fahrzeit. |
Zahl des Tages: 25 Sekunden |
Spart das schnellste Rad in dem von uns simulierten Finale gegenüber dem langsamsten. Den ersten Platz für das schnellste Rad des Tages teilen sich das Canyon Aeroad und das Cervelo S5 – passend zum Talent und den Ambitionen von Mathieu van der Poel und Wout van Aert. In Schlagweite folgen diverse weitere Aero-Räder. Die Favoriten des Tages haben allesamt gutes Material zur Verfügung. |
Ein Allrounder wie das Colnago V4 RS von Tadej Pogacar fällt im Vergleich schon deutlich ab. |
Das (fast) gesamte Feld im Überblick |
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*, Fotograf: Robert Kühnen |
Sollte sich wider Erwarten ein Ausreißer schon früher absetzen können, würde auch in diesem Fall die Aero-Karte stechen. |
*) Die Berechnungen beruhen auf den von TOUR in Labor und Windkanal getesteten Rädern. Die Maschinen bei der Tour de France können in Details davon abweichen. Auch Last-Minute-Prototypen konnten wir natürlich noch nicht untersuchen. Hintergründe zur Simulation. |
Unser Experte |
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Fotograf: Robert Kühnen |
Robert Kühnen ist studierter Maschinenbauer und arbeitet bereits seit 1993 für TOUR. Schwerpunktthemen: Messtechnik und Entwicklung neuer Prüfmethoden. Motto: Geht nicht? Gibt’s nicht. Als Co-Gründer von 2PEAK arbeitete er sich zudem tief in Trainingsthemen ein und schreibt auch darüber. |
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