#trending // Politik Kommen wir also zum verrückten Polit-Sonntag, dem bisherigen Höhepunkt des Streits zwischen Horst Seehofer, sowie großen Teilen der CSU und Angela Merkel, sowie großen Teilen der CDU. Was am Sonntagabend geschah, hatte schon surreale Züge und war bezeichnend dafür, wie Medien im Jahr 2018 ticken, wie mitteilungsbedürftig CSU-Vorstände sind und wie sich auch Politiker anderer Parteien mittlerweile vom zu schnellen Tempo in sozialen Netzwerken anstecken lassen. Gegen 22.45 Uhr kamen also die ersten Tweets von Korrespondenten großer Medien. Melanie Amann vom Spiegel war eine der ersten mit "Seehofer erklärt offenbar Rücktritt als Minister und @CSU Chef". Auch zu "Anne Will", die für einen Abend aus ihrem Urlaub zurück gekehrt war, gelangte die Meldung. Sofort gaben auch Politiker anderer Parteien ihren Senf dazu, obwohl die Rücktrittsgerüchte noch längst nicht bestätigt waren: "Das Domino beginnt. #Seehofer macht den Anfang. #Merkel folgt", twitterte AfD-Chef Jörg Meuthen um 22.56 Uhr, "Bis zuletzt blieb Horst #Seehofer seinen #Masterplan schuldig. Offenkundig war alles nur (rechte) heiße Luft. Ich begrüße seinen Rücktritt ausdrücklich", ergänzte Linken-Vorsitzender Bernd Riexinger eine Minute später. Und auch Thomas Oppermann von der SPD nahm die Berichte schon als gegeben hin und schrieb um 23.17 Uhr: "Im Rücktritt von Horst #Seehofer kulminiert das ganze Desaster von 13 Jahren Innenpolitik der Union. Eine Demokratie braucht Ordnung, auch an den Grenzen. Aber sie lebt ebenso davon, dass Regierungen/Minister ihre Arbeit machen, statt immer nur neuen Streit anzuzetteln." Doch im Verlauf der nächsten Stunden wurden die Meldungen weicher. Seehofer habe seinen Rücktritt nur angeboten, aber noch nicht vollzogen. Führende CSU-Kräfte wollen ihn überreden, doch nicht zurück zu treten. Ständig gab es neue Wasserstandmeldungen. Nüchtern betrachtet war der Abend ein Armutszeugnis für die CSU-Führungsriege, aus deren Sitzungen zahlreiche Journalisten offenbar live mit Infos versorgt wurden, die sie direkt und ungefiltert an die Öffentlichkeit weiter gaben. Ob das so klug ist und ob sie sich damit nicht auch zu Helfern bestimmter Meinungen innerhalb solcher Führungszirkel machen, sollten sie sich in einer ruhigen Minute auf jeden Fall wieder einmal fragen. Die Durchlässigkeit von CSU-Vorstandssitzungen fasste der Grüne Konstantin von Notz am besten zusammen: "Interne CSU-Sitzungen = Intrigantenstadel mit LiveTicker." Das Glück für die Reporter: Völlig falsch lagen sie nicht. Nachdem CDU und CSU ihre Pressekonferenzen schon abgesagt hatten, trat Horst Seehofer in München doch noch kurz vor die Kameras und sagte: "Ja, ich habe gesagt, dass ich beide Ämter zur Verfügung stelle, dass ich das in den nächsten drei Tagen vollziehe, dass wir aber nochmal einen Zwischenschritt einlegen, zu einer Verständigung mit der CDU." Mit anderen Worten: Eine Rücktrittsdrohung als Druckmittel. Ein sehr neues taktisches Mittel in der Politik. Nicht. Spannend aber auch hier wieder die Rolle der sozialen Medien. Seehofers Statement kam kurz vor 2 Uhr zustande, als auch Sender wie Phoenix sich schon in die Nacht verabschiedet hatten, "heute journal" und "Tagesschau" längst gemeldet hatten, dass es in der Nacht nichts Neues mehr geben würde. Unter die Leute brachte die CSU das Statement daher via Periscope-Stream, der u.a. auf Twitter verbreitet wurde. Und am Montag geht die ganze absurde Show wieder von vorn los. Mit einem erneuten Treffen zwischen Seehofer und Merkel. |