Liebe/r Leser/in, Als Sohn einer Familie, die zu DDR-Zeiten die Stasi grundsätzlich als Feind denn als Sicherheitsorgan verstand, habe ich schon seit meiner Kindheit ein Problem mit Institutionen, die Bürger ausspionieren. Die Spione des Internetzeitalters heißen Siri oder Alexa. Ihre Stimmen säuseln verständnisvoll und ergeben aus Lautsprechern – doch wenn ich sie höre, spüre ich nur Unwohlsein und Misstrauen.
So wie vergangene Woche. Ich hatte mich gegen 12 Uhr mündlich mit einem Freund für 14 Uhr verabredet. Er kam zehn nach zwei zum Treffpunkt, hatte unser Treffen nicht im Kalender eingetragen, aber sein Handy wusste trotzdem Bescheid. Um 13.52 Uhr meldete sich Siri bei ihm auf dem Homescreen und erinnerte: „Schreib Robert eine Nachricht, dass du dich verspätest.“ Woher weiß die das, fragte sich mein Freund. Die weiß mehr, als du denkst, sagte ich. Ein zweiter Spionagefall aus dieser Woche: Eine Kollegin schwärmte von der Heilwirkung eines Hanföls, ich sagte ihr, dass ich jeden Morgen einen Teelöffel Leinöl zu mir nehme. Kurz darauf erhielt sie eine Mail mit Leinöl-Werbung und sagte zu mir, wie unglaublich das doch sei und dass ihr Handy mitgehört haben müsse. Meine zwei Anekdoten sind nur kleine Puzzleteile eines globalen Spieles um die Macht im Internet und über uns Konsumenten. „Wer kontrolliert das Internet? Das wird in der Gegenwart zu verhandeln sein. Mit oder gegen Google. Mit oder gegen Facebook. Mit oder gegen die Wall Street. In Berlin, Peking und in Washington. Mit Sicherheit auch in unserem Magazin“, schrieb mein Kollege Jörg Harlan Rohleder vergangene Woche in seinem Editorial an dieser Stelle. Er behält recht! Denn auch in Deutschland versucht Google, sein Monopol auszubauen – irrerweise auch noch mithilfe der Bundesregierung. Ausgerechnet in der Corona-Krise schloss das Bundesgesundheitsministerium einen Pakt mit Google, damit wir Bürger bei Suchanfragen immer als Erstes Informationen des Ministeriums zu sehen bekommen. Da sind wir übrigens wieder bei den eingangs erwähnten DDR-Zeiten … Einem wegweisenden Gerichtsurteil sei Dank, dass dieser Deal am vergangenen Mittwoch gestoppt wurde: Die auf Kartellrecht spezialisierte 37. Zivilkammer des Landgerichts München I gab zwei Anträgen der NetDoktor.de GmbH (gehört wie FOCUS zu Hubert Burda Media) in einstweiligen Verfügungsverfahren gegen die Bundesrepublik sowie die Google Ireland Ltd. im Wesentlichen statt. Die Kammer hat dem Bundesministerium vorläufig eine Zusammenarbeit untersagt, die darauf gerichtet ist, bei der Google-Suche nach Krankheiten prominent hervorgehobene Infoboxen des Ministeriums anzuzeigen. Die Kammer bewertete dies als Kartellverstoß. Philipp Welte, Vorstand von Hubert Burda Media, dazu: „Die Entscheidung des Landgerichts München ist ein erster wichtiger Schritt in einem grundsätzlichen Verfahren, in dem nichts weniger als die Freiheit der Presse verhandelt wird. Denn indirekt subventioniert das Gesundheitsministerium mit Steuergeldern die Vermarktung des Suchmonopolisten Google, der neben dem staatlichen Medienangebot ungerührt Werbung verkauft.“ Lesen Sie dazu auch ab Seite 44 dieser Ausgabe einen Report über Googles Kampf gegen die klassischen Medien. In Australien z. B. lässt der Tech-Konzern derzeit die Muskeln spielen und blockierte lokale Nachrichtenanbieter. Grund: Ein neuer Gesetzesentwurf sieht dort vor, das US-Datenkartell für die Verlinkung von Inhalten zur Kasse zu bitten. Und auch deshalb möchte ich mich an dieser Stelle bei Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, bedanken, dass Ihnen unsere Inhalte schon immer etwas wert waren. |
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