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Liebe/r Leser/in,

der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk, dessen Talent zur Undiplomatie ich gelegentlich schätze, hat diese Woche den Vorwurf erhoben, viele seiner Landsleute würden Deutschland wieder verlassen, weil sie sich hier nicht willkommen fühlten. Bestimmt haben Flüchtlinge aus der von Russland überfallenen Ukraine in Deutschland auch schlechte Erfahrungen gemacht, haben erleben müssen, dass andere ihre Notlage auszunutzen versuchen. Für die deutsche Gesellschaft insgesamt und vor allem für den deutschen Staat kann ich den Vorwurf jedoch nicht gelten lassen.

Nur ein Beispiel: Seit dem 1. Juni haben registrierte Flüchtlinge aus der Ukraine hierzulande Anspruch auf Grundsicherung wie jeder einheimische Arbeitslose und anerkannte Asylbewerber statt auf Unterstützung nur nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Das hat Folgen für unser System der sozialen Sicherung: Die Bundesagentur für Arbeit schätzt, dass sich im Laufe des Jahres mehr als 700.000 Leistungsberechtigte aus der Ukraine in den Jobcentern melden werden – überwiegend Frauen, die mit ihren Kindern nach Deutschland gekommen sind, während ihre Männer die Heimat verteidigen. Zusammen mit dem ehrenamtlichen Engagement vieler Bürger kann man, wie ich finde, von gelebter Willkommenskultur sprechen.

Was gerne vergessen wird: Schon vor dem russischen Überfall auf die Ukraine und der daraus resultierenden Fluchtbewegung lag der Anteil der Hartz-IV-Berechtigten mit Migrationshintergrund bei etwas über 50 Prozent. Das ist in­sofern bemerkenswert, als der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung mit 27 Prozent (2021) deutlich niedriger ausfällt. Das sollte, das kann eine Gesellschaft mit erheblichen demografischen Proble­men nicht hinnehmen – allein schon mit Blick auf den akuten Mangel an Facharbeitern nicht, der sich immer stärker als entscheidendes Wachstumshemmnis erweist.

Und deshalb kann man mit Skepsis auf ein anderes Vorhaben der Ampel schauen: das „Chancen-Aufenthaltsrecht“ von Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Im Kern geht es darum, eigentlich ausreisepflichtigen Ausländern, die fünf Jahre oder länger geduldet in Deutschland leben, für ein Jahr eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe zu geben, damit sie sich in diesen zwölf Monaten für einen unbegrenzten Aufenthalt qualifizieren können. Wir reden also über Menschen, deren Antrag auf Asyl vom BAMF und häufig auch gerichtlich abgelehnt wurde und die ihrer Ausreisepflicht nicht nachkommen, auch wenn das in Einzelfällen berechtigt sein mag.

Ich bin immer dafür, Menschen eine Chance zu bieten. Gleichzeitig fällt mir ein, was der griechische Migrations­minister Notis Mitarakis im Oktober 2021 den westeuropäischen Industriestaaten ins Stammbuch schrieb: „Anerkannte Flüchtlinge bekommen hier dasselbe Sozialpaket wie griechische Bürger: weniger als 400 Euro pro Monat, keine kostenlose Unterkunft oder Mietübernahme.“ In Deutschland, Österreich oder Schweden aber hätten sie Anspruch auf Leistungen, die über den Gehältern der Griechen lägen.

Im Klartext: Solange es keinen einheitlichen Umgang in der EU mit Flüchtlingen gibt, wird es Flüchtlingsströme aus dem Süden in den Norden und Westen der Gemeinschaft geben. Ich frage mich, ob es wirklich klug ist, eine derart breite Brücke aus dem Asylverfahren in eine dauerhafte Einwanderung ohne Vorliegen politischer Verfolgung oder anderer Fluchtgründe zu bauen. Das wird sich schnell herumsprechen in der Welt.

Befürworter solcher Lockerungen argumentieren nicht zuletzt mit dem Mangel
an Facharbeitern und Arbeitskräften in Deutschland. Doch in den Jahren 2015/2016 sind gut eine Million Menschen zu uns gekommen, ohne dass sich daran spürbar etwas geändert hätte. Im Gegenteil: Viele Geschäfte, Handwerksbetriebe und Unternehmen müssen Aufträge ablehnen, Geschäftszeiten verkürzen oder die Produktion runterfahren, weil es an Personal fehlt. Aus Kriegsflüchtlingen und politisch Verfolgten werden nur in wenigen Fällen Facharbeiter. Die müssen wir schon gezielt anwerben, bevorzugt in anderen EU-Staaten.

Doch dazu hört man nichts von den Ampelparteien, nichts vom Wirtschafts- und Klimaminister, nichts vom Finanzminister und nichts vom Bundeskanzler – leider auch nichts von der Union. Dabei ist die Frage, wie künftig der Arbeitskräftebedarf ge­­deckt werden soll, um einiges wichtiger für die Zukunft des Landes als Tankrabatt oder Neun-Euro-Ticket.

mit vielen Grüßen,

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Robert Schneider,
Chefredakteur FOCUS-Magazin

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