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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Montag, 28.02.2022 | Gleich zehn Sonnenstunden bei frischen 6°C. | ||
+ Kiew und Moskau wollen ab Montagmorgen verhandeln + Erste Geflüchtete in Berlin – wie es mit der Aufnahme läuft + Berlin hat nicht genug funktionierende Notwasserbrunnen + |
von Nina Breher |
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Guten Morgen, mit dem heutigen Morgen beginnt der fünfte Tag der Invasion der Ukraine. Noch immer überfällt die russische Armee ukrainische Städte, kurz: In Europa herrscht weiterhin Krieg. Was ist in der Nacht geschehen? +++ In diesen Morgenstunden sollen Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland beginnen, melden russische und ukrainische Nachrichtendienste übereinstimmend. Das Treffen soll bei Tschernobyl stattfinden, nahe der belarussischen Grenze. „Ich glaube nicht an ein Ergebnis dieses Treffens, aber lasst es uns versuchen“, sagte der ukrainische Präsident Selenskyj in einer Stellungnahme. +++ Laut einem US-Regierungsoffizier könnte Belarus noch am Montag in den Krieg Russlands gegen die Ukraine einsteigen. Das berichtet die „Washington Post“. +++ EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat sich für einen EU-Beitritt der Ukraine ausgesprochen. „Sie sind einer von uns und wir wollen sie drin haben“, sagte sie „Euronews“. Selenskyj hatte das Thema am Samstag auf die Agenda gebracht. +++ Der russische Diplomat und Leiter der Delegation seines Landen bei einem UN-Klimatreffen in Paris soll sich für den Ukraine-Krieg entschuldigt haben. Es gebe keine Rechtfertigung für den Angriff, soll er laut AFP gesagt haben. Die Nachrichtenagentur beruft sich auf drei Zuhörer der Rede. Außerdem trifft sich US-Präsident Biden am heutigen Morgen mit Verbündeten zu einer Schaltkonferenz. Alle Ereignisse in unserem Newsblog. | |||||
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Am Sonntag haben die Berliner*innen gezeigt, auf welcher Seite der Geschichte sie stehen möchten: Mehr als 100.000 demonstrierten zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor ihre Solidarität mit der Ukraine und zeigten, dass sie nicht nur verstanden haben, wie nah dieser Krieg ausgefochten wird („Berlin–Freiburg 680 km, Berlin–Front 670 km“ – ein Transparent auf der Demo; Q: Morgenpost), sondern auch, wie man darauf antworten möchte. Zwar macht die Teilnahme an einer Anti-Kriegs-Demo im sicheren Berlin bekanntlich keinen Frieden. Und auch „Imagine“ von John Lennon, das dort gespielt wurde, hat sich historisch als eher wirkungslos erwiesen. Die Menschenmasse kreiert zunächst einmal nur eines: Bilder. Aber dass die wirken, haben die letzten Tage einmal mehr gezeigt. Immerhin ist der Ukraine-Konflikt der erste Krieg auf europäischem Boden, in dem Social Media fester Bestandteil des Kampf-Repertoires ist – der russischen Seite mit ihren Bots, aber auch der ukrainischen Verteidigungs-Seite, die eine David-gegen-Goliath-Heldengeschichte erzählt. Selenskyj, Präsident und Social-Media-Star, schickt kämpferische Selfie-Videos in die Welt. Dank der Handykameras von Soldaten und Zivilisten gehen Videos von liegengebliebenen russischen Panzern (Youtube/Guardian) und Schiffen (Twitter/Fatima Tlis) viral. Diese Dynamik macht auch die Bilder der Hunderttausend in Berlin umso relevanter. Dennoch ist das nicht der entscheidende Moment. Der kommt erst, wenn Alltag einkehrt. Sobald die blau-gelben Flaggen-Emojis wieder aus den Profilbildern und Namen bei Whatsapp und Co. verschwunden sind und die Fassaden aller möglichen Gebäude nicht mehr emphatisch in den ukrainischen Nationalfarben bestrahlt werden, wird sich zeigen, wie ernst Berlin es mit der Solidarität wirklich meint. | |||||
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Rund 400 Geflüchtete aus der Ukraine sind am Wochenende in Berlin angekommen. Nur 45 von ihnen sind im Aufnahmezentrum geblieben und haben Asylanträge gestellt, 350 kamen privat unter. Wartezeiten vor dem Aufnahmezentrum (Oranienburger Straße 285 in Reinickendorf) gab es laut Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales keine. Berlin rechnet damit, in den kommenden Tagen und Wochen ausreichend Unterkünfte zu haben. Derzeit gibt es 1300 Plätze. „In Kürze“ werde die erste Unterkunft für Ukraine-Kriegsflüchtlinge eröffnen, weitere sollen folgen. Am Dienstag will der Senat sich mit dem Thema befassen. Bisher also alles unter Kontrolle. Aber Berlin wäre nicht Berlin, wenn nicht auch die Geflüchteten erst einmal auf eine bürokratische Unebenheit stoßen würden: Ihnen wird in der Aufnahmestelle empfohlen, noch kein Asyl zu beantragen. Der Kriegsflüchtlings-Status ist „besser“, denn er kommt mit Arbeitserlaubnis, Bewegungsfreiheit. Mit weniger Bürokratie und mehr Teilhabe also. Dass er angewandt wird, ist allerdings noch nicht beschlossen. Also sollen die Geflüchteten warten. Nur wie lange? „Wir warten dringend auf eine Entscheidung der EU und des Bundes, damit wir Klarheit haben, welchen aufenthaltsrechtlichen Status diese Menschen bekommen.“ Und so empfiehlt die Senatsverwaltung, obwohl ausreichend Unterkünfte vorhanden sind, den ankommenden Menschen „bis zu einer Bundesentscheidung bei Freunden und Bekannten unterzukommen, wenn das möglich ist“. In dem Sinne: Welcome to Berlin! | |||||
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Im letzten Checkpoint haben wir aufgerufen, Hilfsgesuche und -angebote entgegenzunehmen – und sind überwältigt von der Warmherzigkeit, Kreativität und Menge der Zuschriften: Vans und Reisebusse zum Transport von der Grenze, Schlafplätze von der Couch bis zur 900-Quadratmeter-Bürofläche, Unterkünfte von Berlin bis Bayern, ehrenamtliche Übersetzungs- und Transport-Angebote sowie vieles mehr haben uns erreicht. Es sind so viele, dass wir noch am Sortieren sind – bis morgen früh sind wir damit fertig. Schreiben Sie uns bis dahin gern weiter an checkpoint@tagesspiegel.de – auch, wenn Sie jemanden kennen, der Hilfe benötigt. Allgemeine Hilfsmöglichkeiten listen wir hier auf – und ergänzen um weitere: Möglichkeiten, in Berlin zu unterstützen: +++ elinor.network/gastfreundschaft-ukraine (Bettenbörse für ganz Deutschland, hier kann man sich eintragen, wenn man eine Unterkunft in Berlin oder anderswo hat; auch der Senat verweist auf das Angebot) +++ Das polnische Pilecki-Institut nimmt am Pariser Platz 4A jeden Tag zwischen 10 und 18 Uhr Hilfsgüter entgegen. Derzeit besonders gebraucht: Powerbanks, Kleidung, Lebensmittel-Konserven, Hand- und Kopflampen, Erste-Hilfe-Kästen, Camping-Öfen zum Heizen) +++ Unterkunft-Angebote speziell für nicht-weiße und/oder queere Menschen, die aus der Ukraine flüchten, können in dieses Googledoc eingetragen werden (ganz Europa) +++ Telegram-Gruppen: @ukrainehelpberlin, @ukraineberlinarrivalsupport Weitere Hilfsmöglichkeiten: +++ United Help Ukraine (Hilfe für Binnenflüchtlinge) +++ Dopomoha.ro (Informationen für Menschen, die aus der Ukraine nach Rumänien flüchten, eine Bettenbörse wird via Facebook organisiert) +++ Uno-Flüchtlingshilfe (Spenden) +++ Phoenix Wings (Spenden für nicht-tödlichen Kriegsbedarf wie Westen und Helme, Behandlung von Wunden, Reparatur von Armeegebäuden) Während viele noch organisieren, haben einige schon gehandelt und Sachspenden-Aktionen organisiert. Von einer in Mahlsdorf berichtet Kollege Roman Seidelsohn. Die Menschen hätten kofferraumweise Hilfsgüter ausgeladen, „viele ernste Gesichter und fast keine Worte“ habe er gesehen; die Hilfsbereitschaft sei riesig gewesen. Groß war die Hilfsbereitschaft auch an der Frankfurter Allee – vielleicht ein bisschen zu groß: Nachdem ein Aufruf, am Sonntag Sachspenden vorbeizubringen, sich auf Whatsapp, Telegram und Co. rasant verbreitet hatte, berichteten Augenzeugen von einem „unglaublich hohen Spendenaufkommen“, zeitweilig habe die Straße gesperrt werden müssen, weil so viele Autos Spenden abluden (Tagesspiegel-Blog). Andrang befürchtet auch „Mission Lifeline“ an der polnisch-ukrainischen Grenze: Der Flüchtlingshilfe-Verein rät wegen der belasteten Infrastruktur im Grenzgebiet davon ab, mit kleinen Pkw loszufahren. Besser sei es, mit großen Fahrzeugen zu fahren, am besten in organisierten Korsos (Twitter). Weiterhin gilt also: Informieren Sie sich, was wirklich gebraucht wird, damit die Logistik funktioniert. | |||||
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Mehr über den Krieg in der Ukraine können Sie mit einem Tagesspiegel-Digital-Abo lesen – zum Beispiel folgende Hintergrund-Geschichten: Putins Propaganda bröckelt: Kippt jetzt die Stimmung in Russland? Die Fakten des Kriegs in der Ukraine erreichen nun Russland, und die Bevölkerung beginnt, die Folgen zu spüren. Werden noch mehr Menschen aufbegehren? Ein Report von Alexander Kauschanski, Sidney Gennies und Cornelius Dieckmann. Ukrainer auf der Flucht gen Westen: „Wir wollen hier bleiben, wir wollen hier arbeiten“ 100.000 Menschen sind bisher aus der Ukraine geflohen. Einige haben es bereits nach Deutschland geschafft. Eine Zukunft in der Ukraine sehen viele nicht mehr. Von Jan Vollmer und Armin Lehmann. Der gutgläubige Blick auf Putin: Wenn die Politik Russland unterschätzt hat, was unterschätzt sie noch? „Wir waren naiv“, heißt es jetzt lapidar in Berlin. Diese Selbstkritik führt zu dem unschönen Verdacht, dass auch andere gefährliche Probleme derart unangemessen gehandhabt werden. Ein Kommentar von Ariane Bemmer. Osteuropa-Historiker Karl Schlögel: „Putin will auch den Westen in die Knie zwingen“ Der Historiker Karl Schlögel erklärt die Motive des russischen Präsidenten und warnt die Deutschen vor einer „Flucht“ in die Vergangenheit. Von Claudia von Salzen. Angebliche Demütigung des eigenen Landes: Wo Putins Strategie Parallelen zu Hitler aufweist In den 1930er Jahren wurde eine imperiale Gewalt- und Aggressionspolitik verfolgt. Ebenso wie seit Beginn der Herrschaft Putins. Ein Kommentar von Eckart Conze. Von Größenwahn gezeichnet: So sehen Comiczeichner Putin und sein Regime Politische Comics analysieren Putins Werdegang und die russische Gesellschaft – und ein bizarrer Manga glorifiziert den Kremlchef als Fantasy-Helden. Von Lars von Törne. | |||||
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