| | | | | 8. Januar 2023 | | Prantls Blick | | Die politische Wochenschau | | | |
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| | | Prof. Dr. Heribert Prantl | | | |
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| | | der gewalttätige Furor in der Berliner Silvesternacht hat ein politisches Nachbeben â es wird all das heftig diskutiert, was nach Gewalttätigkeiten immer heftig diskutiert wird: Verbote und Strafverschärfungen, Strafverschärfungen und Verbote. Die Strafverschärfungsdebatte bringt nichts, weil das Strafrecht scharf genug ist. Es ist aber nicht schnell genug. Die Strafe muss der Tat nicht irgendwann, sondern auf dem Fuà folgen, ein paar Tage später â gerade bei solchen Straftaten wie in der Silvesternacht, gerade nach den testosterongeschwängerten Angriffen auf Rettungskräfte. Jedenfalls die in der Tatnacht Festgenommenen sollten umgehend abgeurteilt werden. Tat â Festnahme â Urteil. Das ist der effektive Dreiklang. Das geltende Strafrecht hat mehr Zähne, als man landläufig meint. Diese Zähne müssten aber viel schneller gezeigt werden. Die Paragrafen, die so etwas möglich machen, stehen längst im Gesetzbuch; sie stehen aber nur auf dem Papier, weil es in der Praxis das Personal dafür nicht gibt. Von Engpässen der Polizei wird viel geredet, von denen bei der Justiz nicht. Das ist nicht gut. Wie gesagt: Die gesetzlichen Möglichkeiten für beschleunigte Verfahren gibt es längst, aber die Staatsanwälte und Richterinnen, um diese Möglichkeiten zu nutzen, gibt es nicht. Das Instrumentarium, um auf die Taten schnell und effektiv zu reagieren, ist vorhanden; es gibt aber zu wenig Leute, um diese Instrumente virtuos zu handhaben. Und die Virtuosität der Politik, man muss es zornig beklagen, beschränkt sich leider darauf, die Silvesterrandale in eine Migrationsdebatte mit rassistischen Untertönen umzufunktionieren. Und was ist mit den geforderten Böllerverboten? Sie gehören in die Kategorie der nutzlosen âMachen-wir-schnell-mal-was-Gesetzeâ. Ein Böllerverbot kostet nix, es bringt auch nix. Verbote, die man nicht kontrollieren kann, sind sinnlos. Ich konnte die Böllerei auch ohne die gewalttätigen Exzesse nie besonders leiden. Aber es ist kein Grund dafür, ein Verbotsgesetz zu fordern, wenn man etwas nicht leiden kann. Wenn der Jahresschluss und der Anfang des neuen Jahres so gefeiert werden, als handele es sich um die exzessive Generalprobe für den Rosenmontag, empfand ich das schon in meiner Kindheit als Störung des Festlichen und des Feierlichen. Aber die krachende Gaudi zum Jahreswechsel ist keine Erfindung der Moderne oder der Postmoderne, sondern gehört durchaus zum Brauchtum. Im Voralpenland heiÃen die lärmenden Gestalten, wenn sie maskiert sind und wie wild Glocken schwingen, âPerchtenâ. Wenn sie unmaskiert, aber gleichwohl laut sind, heiÃen sie CSU und treffen sich zur Jahresauftakt-Klausur. Und wenn sie nicht in Oberbayern zusammenkommen, sondern in Stuttgart, wenn sie ihre Veranstaltung dort âDreikönigstreffenâ nennen und dort danach trachten, Aufmerksamkeit und Anerkennung zu finden, dann handelt es sich um die FDP. | |
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| | Ich wünsche Ihnen ein Jahr, das zu guten Hoffnungen berechtigt. Ich wünsche uns ein Jahr, an dessen Ende wir sagen können: Es war manierlich. | |
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| Heribert Prantl | | Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung |
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| | | | Gegenwart begreifen. Zukunft verstehen. | |
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| | | | | | | | Der Geist des Konzils und die Steine des AnstoÃes | | Um Papst Franziskus zu verstehen, muss man wissen, was das Zweite Vatikanische Konzil wollte, was es brachte und was sein Erbe ist. Papst Franziskus versteht sich nämlich als Testamentsverwalter und Testamentsvollstrecker dieses Konzils, das vor gut 60 Jahren, im Oktober 1962, begann. Dieses Konzil war ein gewaltiger Aufbruch, es war der Versuch der katholischen Kirche, Anschluss an die Moderne zu finden. Zu den Beratern dieses Konzils gehörten der damals ganz junge Joseph Ratzinger und der damals auch ganz junge Hans Küng. "Teenagers des Konzils" nannte man sie. Beide waren kluge Köpfe, beide waren liberal â und haben sich dann ganz verschieden entwickelt. Küng blieb der progressive Theologe, Ratzinger wurde zum orthodoxen Theologen. Ratzinger stieg in der Kirche auf, maÃregelte seinen Weggefährten Küng und wurde zum Anti-Modernisten. Wie ging das zu, wo geht das hin? Wer das genauer wissen will, der lese das wohlinformierte Buch des Jesuiten Andreas R. Batlogg, das vor ein paar Monaten zum 60. Jahrestag der Konzilseröffnung erschienen ist. Es heiÃt: "Aus dem Konzil geboren. Wie das II. Vatikanische Konzil der Kirche den Weg in die Zukunft weisen kann". Es ist dies das kluge Werk eines Theologen, der so alt ist wie das Konzil. Es ist zu seinem Lebensthema geworden â als Mitherausgeber der Werke des groÃen Theologen Karl Rahner, als jahrelanger Chefredakteur der Jesuitenzeitschrift Stimmen der Zeit, als Prediger in der Münchner Jesuitenkirche St. Michael. Das Geleitwort zum Buch hat der 94-jährige Jesuit Wolfgang Seibel geschrieben, der einst als junger Journalist für die Katholische Nachrichtenagentur vom Konzil berichtete. Zur Lese-Anregung noch ein Witz aus den Nachkonzilsjahren, der die ecclesialen Rivalitäten schön auf den Punkt bringt: Karl Rahner, Hans Küng und Joseph Ratzinger sehen am See Genezareth Jesus am anderen Ufer stehen, der sie zu sich herwinkt. Der alte Jesuit Rahner geht als erster vor - und kommt, wenn er auch einmal fast stolpert, trocken bei Jesus an. Der junge Ratzinger folgt ihm leichtfüÃig; und auch er ist recht bald drüben. Nur Küng, am selbstsichersten angetreten, droht zu versinken - bis ihn die rettende Hand Jesu hochzieht. Raunt Rahner Ratzinger zu: "Wir hätten ihm doch verraten sollen, wo die Steine liegen." Darauf Ratzinger: "Wie - da waren Steine?" Andreas R. Batlogg: Aus dem Konzil geboren. Wie das II. Vatikanische Konzil der Kirche den Weg in die Zukunft weisen kann. Das Buch ist 2022 im Tyrolia-Verlag Innsbruck-Wien erschienen, hat 224 Seiten und kostet 22 Euro. | | | | |
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| | | | | Die Geige der Arbeiter | | Bei dem Wort "Mandoline" fallen mir Antonio Vivaldi ein, Domenico Scarlatti, der Zupfgeigenhansl und Willy Brandt. Das Foto von Brandt im Jeanshemd, eine Zigarette im Mundwinkel, auf einer Mandoline zupfend wurde Hunderttausende Male auf Plakate gedruckt. Brandt war zwar unmusikalisch, trotzdem ist das kräftig retuschierte Bild ikonografisch. Es entstand auf einer Wanderung im Sommer 1976 in der Nähe von Bielefeld. Brandt hatte sich das Instrument einer Frau geschnappt, die Mitglied in einem Arbeitermandolinenverein war. Was man sonst noch alles über die Mandoline wissen muss, steht in einem Stück von Michael Stallknecht im SZ-Feuilleton. Die Mandoline ist nämlich das Instrument des Jahres 2023. "Eine exzellente Wahl", wie der Kollege findet. | | | |
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