Es fehlen Räume, in denen durch Krisen hervorgerufene Sorgen und Nöte, aber auch Wege zu Lösungen bewegt und besprochen werden können. Das ist ein genereller Mangel unserer deutschen Demokratie, in der Entscheidungen zu 99,9 Prozent von Parlamenten und Regierungen getroffen werden. In den vergangenen Jahren kamen immer weniger Menschen in großen Organisationen wie Kirchen und Parteien zusammen; eine Entwicklung, die durch die Coronapandemie noch verschärft wurde. Die Sozialen Medien können das nicht ersetzen. Wir müssen uns sehen, zuhören, erleben, riechen, gegenseitig Raum geben – nur so gelingen Debatten und Begegnung. Nur so gelingt Demokratie. In der Begegnung entsteht eine neue Wirklichkeit.
Mit unseren kommunalen Dialogräumen und Gesprächsformaten wie
Sprechen & Zuhören sind wir 2024 auf riesige Resonanz gestoßen. Deswegen werden wir das ausweiten. Um mehr Menschen zu erreichen. Wir haben begonnen, Moderatorinnen und Moderatoren auszubilden. Sie lernen in unserem neuen Bildungswerk das Handwerkszeug dazu. Aus Dutzenden von Veranstaltungen werden so Hunderte. In diesen Dialogen stellen wir die Beziehungsebene zwischen Menschen wieder her, dann erst geht es um Inhalte und Politik.
Wir haben nicht damit gerechnet, dass 2025 mit einer Bundestagswahl beginnt. Die vorgezogene Wahl fordert uns bei Mehr Demokratie: Sonst planen wir ein Jahr im Voraus, welche öffentlichkeitswirksamen Aktionen wir machen, welche politischen Forderungen wir stellen. Wir bauen schon lange vor den Wahlen Kontakte zu den wesentlichen Entscheidungsträgerinnen und -trägern auf. Das muss dieses Mal alles schneller gehen.
Dabei hilft uns, dass wir in 2024 unsere Themen so nahe an viele Abgeordnete herangetragen haben wie nie zuvor. Der Bürgerrat Ernährung, den wir im Auftrag des Bundestags gemeinsam mit anderen organisiert haben, war auch in dieser Hinsicht ein Highlight des Jahres. Das war so ein Raum, in dem unterschiedlichste Menschen einander zugehört und miteinander gearbeitet haben, selbstwirksam und gemeinsam kreativ waren. So stellen wir uns Demokratie vor.
Die SPD hat soeben die wichtigste Forderung des Bürgerrates Ernährung – gesunde und kostenlose Mittagessen für alle Kinder – in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Das ist keine Forderung von uns, aber es zeigt: Bürgerräte haben reale Konsequenzen!
Wir haben es durch unsere jahrelange Arbeit geschafft, Bürgerräte als Instrument der Beteiligung auf Bundesebene einzuführen. Im nächsten Schritt sollte losbasierte, dialogische Beteiligung institutionalisiert werden.
Durch das Ampel-Aus bleiben einige Vorhaben auf der Strecke: Ein Transparenzgesetz sollte kommen, damit Bürgerinnen und Bürger Einsicht in das Verwaltungshandeln erhalten. Und das nicht erst auf Antrag. Hürdenfrei. Für alle.
Auch Petitionsverfahren sollten verbessert werden. Ab 50.000 Unterschriften hätten sich Ausschüsse, eventuell sogar das Bundestagsplenum mit einer Petition befassen müssen – so der Plan. Es wäre ein allererster Einstieg in die direkte Demokratie gewesen. Doch daraus wird jetzt nichts.
Auch der Corona-Bürgerrat ist wohl am Zerbrechen der Regierung gescheitert. Dabei darf die Aufarbeitung der Coronazeit nicht ins Hintertreffen geraten. Viele wollen damit nichts mehr zu tun haben, doch zu viele Menschen haben in dieser Zeit das Vertrauen in Staat und Medien verloren. Wir müssen uns dem als Gesellschaft stellen und für die Zukunft lernen.
Was steht 2025 für Mehr Demokratie noch an? Mindestens drei weitere Themen: 2024 haben mehrere Landesregierungen versucht, Bürgerentscheide einzuschränken. In Bayern verhandeln wir darüber am Runden Tisch mit der CSU. In Hessen versuchen wir alles, um geplante Einschnitte noch zu verhindern. In Schleswig-Holstein ist es bereits gelungen, einen Rückbau der Demokratie abzuwenden. Mittlerweile können wir belegen, dass Beteiligung zu schnelleren und besseren Lösungen führt.
Die Debatte um das Bundestagswahlrecht wird weitergehen. 2024 waren wir mit unserer Verfassungsbeschwerde gegen die Sperrklausel erfolgreich. Auch, weil CDU und CSU mit dem neuen Wahlrecht nicht zufrieden sind, wird diese Diskussion weiter gehen. Wir sind mit unseren konstruktiven Vorschlägen dabei.
Viele Menschen sind mangels Einkommen, Bildung und mit einer schwierigen Lebenssituation kaum in der Lage, am politischen Leben teilzunehmen. So wird aus sozialer Ungleichheit eine demokratische Ungleichheit. Andere Menschen sind so reich, dass sie gleich ganze Zeitungen und Social Media-Plattformen kaufen, um die Politik zu beeinflussen. Extreme Ungleichheit ist ein Problem und zerstört die Demokratie. Muss Ungleichheit abgebaut werden, um die Demokratie weiterzuentwickeln? Dazu werden wir 2025 eine öffentliche Debatte anzetteln.
Sie sehen: Es gibt viel zu tun. Doch es gibt etwas, dass uns bei Mehr Demokratie in unruhigen Zeiten beruhigt: Wir können auf Sie zählen! Sie haben uns als Mitglied oder mit Spenden in diesem Jahr unterstützt, haben unsere Aufrufe unterschrieben, waren auf den Veranstaltungen, haben sogar selbst in Ihrem Umfeld unsere Themen weiter getragen. Dafür unseren herzlichsten Dank! Gemeinsam können wir auch 2025 einen Beitrag zur Stärkung der Demokratie leisten.