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Tagesspiegel Checkpoint vom Mittwoch, 04.11.2020 | Bei bis zu 10 °C wechseln sich Sonne und Wolken ab, es bleibt trocken. | ||
+ Wahlkrimi zwischen Donald Trump und Joe Biden + Dietmar Woidke an Corona erkrankt, Michael Müller in Quarantäne + Berliner Künstler bangen um die Zukunft + |
von Robert Ide |
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Unsere Expertinnen und Experten in und für Amerika machen schon seit Nächten durch, um Sie rund um die Uhr zu informieren. Wie schätzen sie die Lage ein, was erwarten sie für das Land und seine Menschen? Hier ein Stand aus dieser Nacht gegen 5 Uhr: Juliane Schäuble, seit zwei Jahren US-Korrespondentin in Washington: „Egal, wie es ausgeht: Ich wünsche den Menschen in Amerika, dass sie wieder mehr mit politisch Andersdenkenden ins Gespräch kommen. Eine weitere Polarisierung, ein Verharren in der Sprachlosigkeit darf keine Option sein.“ Anna Sauerbrey, Mitglied der Chefredaktion und gerade in Pennsylvania unterwegs: „Um fünf Uhr morgens sieht es für Trump deutlich zu gut aus, um auch nur annähernd innerlich zu entspannen. Ein wichtiger Punkt, der für die Stabilität der amerikanischen Demokratie spricht: Trotz Trumps chiffrierten Aufrufen an seine Anhänger, die Stimmabgabe zu stören, ist es am Wahltag selbst vergleichsweise friedlich geblieben.“ Malte Lehming, Autor und zwischen 2000 und 2005 US-Korrespondent: „Mehr Spannung und Drama als in dieser Wahl-Nacht hat es seit Alfred Hitchcocks ,Psycho’ aus dem Jahre 1960 nur selten gegeben.“ Christoph von Marschall, Diplomatischer Korrespondent der Chefredaktion und von 2005 bis 2013 US-Korrespondent: „Ein erdrutschartiger Sieg für Joe Biden, wie ihn manche Demokraten auf Grund der Umfragen erhofft hatten, zeichnet sich nicht ab. Die Entscheidung wird wohl wie 2016 in den Staaten an den Großen Seen fallen: Michigan, Ohio, Pennsylvania, Wisconsin.“ Georg Ismar, Leiter der Parlamentsredaktion und gerade in Washington: „Was die Menschen sich wünschen und was man ihnen wünschen kann? Weniger Hass, mehr Respekt – aber auch eine Zähmung des Kapitalismus, der das Phänomen Trump erst ermöglicht hat.“ Elisabeth Binder, Gesellschaftsreporterin in Berlin mit einem Herz für Amerika: „Ich wünsche mir, dass das Land aus Krisen gestärkt hervorgehen kann, dass die USA die Werte wieder zum Leuchten bringen, die sie einst zum Vorbild für die westliche Welt gemacht haben.“ | |||||
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Am Ende zählen die Zahlen, und bei amerikanischen Wahlen sind dies die Stimmen der Wahlmänner, die auch Wahlfrauen sind, und alle für den Sieger in ihrem Bundestaat abstimmen, egal, wie knapp der dort gewonnen hat. Wichtige und umkämpfte Staaten wie Wisconsin, Iowa, Michigan und Pennsylvania erwarten vollends verlässliche Zahlen zu den Wahlen womöglich erst in einigen Tagen. An den Großen Seen entscheidet sich, welchen Sieger wir am Ende seh’n. Immerhin: Bereits 100 Millionen Amerikaner haben vor dem Wahltag ihre Stimme abgegeben, die Wahl leidet nicht an Beteiligung. Das zumindest ist ein einigendes Zeichen: Die Demokratie lebt. Lebe sie weiter hoch! Und so geht das Leben weiter: Alle aktuellen Zahlen und übersichtlichen Grafiken finden Sie hier, alle neuen Ereignisse hier im Blog, eine aktualisierte Ausgabe des Tagesspiegel-E-Papers gibt es ab 7 Uhr früh hier. Und unser Newsletter „TwentyTwenty“ mit aktuellen Updates aus den USA erscheint in den nächsten Tagen weiterhin täglich – Anmeldung hier. Auf die spannende Nacht folgen aufregende Tage. Für die ganze weite Welt. In der Grafik sind die aktuellen Zahlen von CNN mit Stand 6:14 Uhr abgebildet. | |||||
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In Amerika gibt es mehr als ein Dutzend Berlins zwischen Ost- und Westküste. Und was denkt unser Berlin über Amerika, dem es auch das Ende der Teilung zwischen Ost und West verdankt? Wir haben in der Nacht prominente Transatlantiker für den Checkpoint befragt. „Während die ersten Auszählungen herein tröpfeln, kann ich nur sagen, dass ich dankbar bin, dass nur wenige Unregelmäßigkeiten berichtet worden sind und dass ich erfreut bin über die riesige Wahlbeteiligung“, sagt Daniel Benjamin, der Präsident der American Academy. Der frühere außenpolitische Redenschreiber für Bill Clinton findet „die Demonstration von Bürgern, die möchten, dass ihre Stimme gehört wird, wirklich ermutigend“. Deidre Berger, die viele Jahre an der Spitze des American Jewish Committee in Berlin stand, gibt allerdings zu bedenken: „Es erschreckt mich, zu sehen, wie die aufgeladenen Auseinandersetzungen sich bis in die Familien, Freundschaften und unter Kollegen hinein ausgewirkt haben. Bei der Wahl drehte sich alles um Corona, die Wirtschaft, soziale Ungleichheit und Diskriminierung. Mir scheint, dass die Visionen der amerikanischen Identität dramatisch widersprüchlicher waren und vor allem viel heftiger aufeinander trafen.“ Berger, die in St. Louis aufgewachsen ist, sagt besorgt: „Wie immer das Ergebnis aussehen mag, befürchte ich, dass die Polarisierung und der tiefe Riss in der Gesellschaft nicht so bald vergehen werden.“ Das Bangen geht weiter, das Hoffen und Mitfühlen. Es zeigt auch eines: unser Gefühl für Amerika. | |||||
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Tja, und was bliebe Donald Trump nach einer womöglich verlorenen Wahl? „Niederlagen fallen schwer, vor allem mir“, gab er in der beginnenden Wahlnacht zu. Auch seine Wählerinnen und Wähler müssen nach einem neuen Glück suchen, vielleicht ja bei den Kennenlern-Apps „DonaldDaters“ und „Trump Singles“. Hier kann man bei der Partnerwahl sicher bloß nach rechts wischen. Aber einen wish hat jede und jeder for free: „Make Amerika Date again“. Unsere Tagesspiegel-Liebeskolumnistin Angie Pohlers hofft, dass nicht auch in Deutschland politische Wahlverwandtschaften neu auserwählten Bekanntschaften im Wege stehen. Und für welche App würde man sich leichten Herzens entscheiden: „OLoveScholz“ oder „HerzMerz“? | |||||
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Die Welt hält nicht still. Kommt nicht zur Ruhe. Nach dem offenbar islamistisch motivierten Terroranschlag in Wien, bei dem auch eine Deutsche ums Leben kam, muss auch Deutschland darüber nachdenken, wie die Demokratie wehrhafter wird gegen den mörderischen Terrorismus, dessen bewaffnete Täter unsere Innenstädte in Kriegszonen verwandeln wollen. Am Ende brauchen wir, so kommentiert es Terrorexperte Frank Jansen, weniger Furcht vor dem Staat, „der mit neuen Kompetenzen angeblich zum Überwachungsmonster mutiert, als vor den Feinden der Demokratie, die Anschläge planen“. Es wäre ein wichtiger Anfang. | |||||
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Und über allem liegt, zwischen uns allen steht Corona – als Thema, das nicht weggeht, als Virus, das nicht einfach vergeht. Mit Wucht erfasste der Lockdown gestern auch Berlins Landesregierung: Nachdem Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke positiv auf das Corona-Virus getestet worden war (Hintergründe hier), verließ Michael Müller schlagartig die Senatssitzung und begab sich in heimische Isolation. Denn gemeinsam mit Woidke, der offenbar seit Sonntag Symptome zeigte, und anderen Spitzenvertretern aus Politik und Wirtschaft inklusive Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), hatte er am Sonnabend den Flughafen BER eröffnet. Nun bleiben alle nicht nur am Boden, sondern gleich zu Hause. Lufthansa-Chef Carsten Spohr sagte einen Flug nach Berlin ab. Ist vielleicht auch besser so, am BER regnet’s schon durchs neue Dach (Foto hier). Ein echter Spreader-Airport. | |||||
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Und die Kultur? Sie muss still halten, soll ruhig sein in dieser unruhigen Zeit. Denn sie besteht aus Interaktion, geht gar nicht gut ohne Kontakte. So geht mit ihr viel verloren, was wir jetzt brauchen an Inspiration und Nachdenklichkeit über uns. „Manchmal sitze ich am Klavier und weiß nicht, ob es Sinn macht, weiterzuüben für Vorstellungen, die vielleicht gar nie stattfinden“, erzählt Alexandra von Röpke am Checkpoint-Telefon. Die junge Opernsängerin aus Berlin-Wedding wollte eigentlich gerade finnische Winterlieder für Weihnachtskonzerte einüben, als sie der zweite Lockdown erwischte. Nun fühlt sie sich vergessen und die ganze Kultur „in die Mülltonne geworfen“. Die Branche beheimate „anderthalb Millionen, die wir uns seit Jahren in größter Unsicherheit, in größter Prekarität einzelkämpferisch bewegen müssen“. Schon vor der Pandemie sei die Kultur kaputt gespart worden, nun warte man auf zugesagte Hilfen (Überblick aus der Szene hier) – und „jetzt ist die Sollbruchstelle gerissen“, glaubt von Röpke. Sie selbst schlägt sich jetzt mit digitalen Deutschkursen durch, mit denen sie ihren Lebensunterhalt verdient. Corona macht Angst, auch oft Existenzangst. Und was macht von Röpke Hoffnung? Ein klassisches „An die Musik“ von Schubert – „weil es in guten und schlechten Tagen meine tiefe Beziehung zum Medium Musik anspricht“. Und einen Schwung Swing: „Pick yourself up“ (Video hier). Bei allen Sorgen: Bleiben wir beswingt. | |||||
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In Berlin ist ja eigentlich nichts wegen Reichtum geschlossen. Nun aber ist die Reichtumsuhr, zu sehen am Schiffbauerdamm in Sichtweite des Reichstags, ausgefallen (Foto von Checkpoint-Leserin Anne Wäschle hier). Eigentlich stellt die Uhr den Anstieg des privaten Nettovermögens dar, um zu zeigen, dass wir nicht nur reich an Sorgen sind. Doch nun sind wir alle irgendwie arm dran, und die Uhr tickt nicht mehr richtig. „Aktuell ist die Reichtumsuhr außer Betrieb, da einer der drei aufwärts zählenden Kontroller ausgefallen ist“, sagt Charlotte Rosa Dick vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Dessen Bezirk Hessen-Thüringen dreht nun an der Uhr, die ohnehin neu gestellt werden muss: „Der Anstieg des privaten Nettovermögens hätte das Darstellungsformat sowieso bald überstiegen.“ So verstellt sind unsere Zeiten. | |||||
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Not macht erfinderisch. Darum wird am Montag in Berlin der „Tag der Erfinder“ gefeiert. „Alles rund um uns wurde von irgendwem erdacht“, erzählt Marijan Jordan vom Erfinderladen in Prenzlauer Berg am Checkpoint-Telefon. „Und in der Pandemie sind neue Ideen gefragter denn je.“ Ein italienischer Erfinder habe eine Tauchermaske zum Hilfsmittel für Beatmungsgeräte umgebaut. Ebenfalls entwickelt wurden sich selbst desinfizierende Türklinken, Armbänder mit integriertem Desinfektionsmittel sowie Spezialmasken für Brillenträger – und die ganze Welt tüftle am Impfstoff. „Es ist immer einfacher, etwas zu ändern, wenn man dazu gezwungen ist“, berichtet Gerhard Muthenthaler, der sich selbst Erfinderberater nennt. „Derzeit sehen wir mehr Erfindungen als in den 25 Jahren, die wir in diesem Bereich arbeiten." Für alle Menschen, die nebenbei Neues entdecken und so unser Leben leichter, schöner oder aufredender machen, wurde der Tag der Erfinder erdacht (Infos hier). Jordan, der selbst Blumentopf-Spardosen und einen eisernen Dusch-Vorhang (Foto hier) ersonnen hat, ist sich sicher: „Jeder von uns ist erfinderisch.“ Man muss ihn nur finden, den Erfinder in uns. | |||||
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