Liebe/r Leser/in, wir sollten uns bitte noch einmal über Gefangene austauschen. Da ist etwa dieser russische Mörder, der auf einem nächtlichen Flugfeld in Moskau seinen Kumpel so rührend umarmte. Nein, ich meine nicht Putin. Ich meine den anderen Mörder. Wadim Nikolajewitsch Krassikow. Ein bescheidener Mann. In Berlin-Moabit fuhr er Fahrrad. Am 23. August 2019. Als er dort mit Schüssen in Kopf und Rücken einen georgischen Ex-Agenten tötete. So hatte es der Kumpel vom Flugfeld gewollt. Und so hat es Krassikow versprochen. Ein Mann also, der Wort hält. Und der den Mund hält, wenn er geschnappt, angeklagt und verurteilt wird. Solche Männer sind selten. Einen erfahrenen Auftragskiller lebenslang wegzusperren mag aus rechtsstaatlicher Perspektive nachvollziehbar sein. Nachhaltig aber ist es nicht. Spezialisten wie Krassikow sind teure und empfindliche Hochleistungs-Kriminelle. Im Gefängnis verkümmert ihr Talent. Nur in Freiheit können sie sich entfalten. Zum Glück erinnerte sich Putin an ein zwar verrostetes, aber durchaus noch funktionsfähiges Instrument des Kalten Krieges: den guten alten Gefangenenaustausch. Er ließ zwei, drei Dutzend Westbürger, die für seine Schergen erreichbar waren, als Spione, Verräter oder was auch immer verpacken und verschnüren. Dann ließ er im Kanzleramt und im Weißen Haus diskret anfragen, ob man an einem kleinen, schmutzigen Menschenhandel interessiert sei. Dort zierte man sich ein wenig, grübelte, beratschlagte, wiegte die Köpfe – und schlug dann ein. Deal! Das „Zelle, öffne dich!“ hat funktioniert. Das nächste Mal klappt es noch besser. Wenn ein paar Kniffe Beachtung finden. Hilfreich wäre es, wenn auch der Westen immer ein paar russische Gefangene im Vorrat hat. Das macht auf Putin einen guten Eindruck und beschleunigt, wenn’s drauf ankommt, die Verhandlungen. Ich weiß, mit dem Wegsperren tun wir uns schwer. Aber wir sollten uns wegen möglicherweise fehlender Haftgründe nicht den Kopf zerbrechen. Die Gefangenen sind bald wieder draußen und bekommen etwaige Unannehmlichkeiten ja mit dem vaterländischen Verdienstorden vergolten. Sollte allerdings mal wieder ein schwerer Moskauer Junge ins Netz gehen, so ist den Strafverfolgern nur zu raten, bei der Strafverfolgung Kosten und Kräfte zu schonen. Auch wäre es sinnvoll, wenn sich Polizei und Justiz in Zukunft mit der Veröffentlichung von Porträtbildern eines gefangenen russischen Auftragskillers zurückhalten. Von Krassikow etwa sind zu viele Fotos im Umlauf. Wie soll der Mann erfolgreich arbeiten, wenn seine Opfer ihn erkennen?
| Mit vielen Grüßen Markus Krischer, stellvertretender Chefredakteur FOCUS Magazin |
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