Liebe Frau Do, es gibt diese journalistische Tradition in Deutschland, dass Personen des öffentlichen Lebens, Politiker oder Wirtschaftsführer zum Beispiel, nach einem als Wortlaut-Interview geführten Gespräch mit Journalisten ihre Aussagen nochmal durchlesen dürfen, bevor sie in der Zeitung oder auf einer Online-Seite veröffentlicht werden. Das Interview wird von dem Interviewten „autorisiert“. Damit will man vermeiden, dass die Befragten von den Journalisten falsch wiedergegeben wurden und man kann das Gespräch dann in einer offenen, ungezwungenen Atmosphäre führen. Man kann ja schließlich später nochmal über das Gesagte schauen. So weit, so gut. Manche Prominente, wie die Bundeskanzlerin, sind eher zurückhaltend und korrigieren maßvoll. Manche schreiben ihre Antworten ordentlich um, damit sie besser, pointierter klingen. Manche kürzen sogar ganze Fragen und Antworten aus der Abschrift, was wir Journalisten gar nicht gerne sehen und entsprechend anmahnen. Vielfach sind die Pressesprecher das Problem, die mit der Axt durch das Interview gehen. Es wird dann gerungen und verhandelt zwischen Journalist und Interviewtem. Mit Friedrich Merz hatte ich ein solches Erlebnis, als er unserer Redaktion nach seiner Kandidatur zum CDU-Vorsitz das erste Interview gab und er entsprechend sorgfältig agieren wollte. Zuletzt musste ich mich mit übergriffigen Wünschen des russischen Außenministeriums herumschlagen, das seinen Minister in ein bestimmtes Licht rücken lassen wollte und auf langwierige Antworten pochte. Nun hatten mein Kollege Henning Rasche und ich unsere kleinen Probleme mit dem früheren Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen. Der Mann ist nach seinem Rauswurf und einer Bedenkzeit im vergangenen Jahr mit scharfen Positionen und offensiver Rhetorik zum Wortführer der Konservativen in der CDU geworden. Manch einer wähnt ihn gar jenseits des demokratischen Spektrums, was allerdings falsch ist und durch seine Äußerungen nicht belegt werden kann. Mit Hans-Georg Maaßen muss man also reden, ihm zuhören, als Journalist ohnehin. Doch so einfach ist das nicht, zumal das Gespräch ruppiger und der Ton lauter wurde, was je nach Perspektive unterschiedliche Ursachen hatte. Jedenfalls wollte Herr Maaßen das Interview zwischenzeitlich abbrechen – er war bereits aufgestanden und hatte das Sakko wieder angezogen. Doch wir überzeugten ihn zu bleiben, alle beruhigten sich und wir sprachen dann eine Stunde über den Zustand der CDU, die Rolle der Medien, über Ressentiments gegenüber Muslimen und den neuen rechten Terror in diesem Land. Ob es sich gelohnt hat, das Gespräch zu Ende zu führen, müssen Sie selbst entscheiden. Hier lesen Sie die gesamte Fassung. Nach diesem Interview (und auch schon in den redaktionellen Diskussionen darüber im Vorfeld) wurde mir wieder einmal bewusst, dass ein sachlicher und konstruktiver Diskurs über politische Themen im Sinne eines „argumentativen Dialogs“ (Jürgen Habermas) derzeit sehr schwer zu erleben ist. Jede neue Gewalttat, jeder Vorfall wird je nach ideologischer Perspektive ausgeschlachtet und für die eigenen Zwecke instrumentalisiert. Das Gefühl, dass der jeweils auf der anderen Seite des Absperrbands stehende Mensch irgendwie nur einen Funken Recht haben könnte, ist verkümmert. Dabei brauchen wir genau jetzt einen breiten und vorurteilsfreien Austausch, um etwa die Megathemen Klimaschutz und Migration wohlstandsfördernd und friedlich für unsere Gesellschaft voranzubringen. Dazu müssen wir aus meiner Sicht einen Schritt heraustreten aus unserem Meinungstunnel. „Habt Ehrfurcht vor dem Baum, er ist ein einziges großes Wunder“, hat der Naturforscher Alexander von Humboldt uns gemahnt, und die Liebe der Deutschen zum Wald zeigt, dass seine Worte Anklang finden. Doch der Waldbestand in Deutschland – immerhin ein Drittel der gesamten Fläche – ist durch die extreme Trockenheit in Gefahr. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) lädt nun zum Krisen-Gipfel, wie sie Kristina Dunz und Birgit Marschall gesagt hat. Herzlichst Ihr Michael Bröcker Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |