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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Freitag, 25.11.2022 | Schauer und Wolken bei bis zu 6°C. | ||
+ Nach dem Wahldesaster: Immer noch keine Entschuldigung seitens der Verantwortlichen + Ein CDU-Abgeordneter namens Juhnke mit zweifelhafter Doktorarbeit + Grünen-Sprecher Storch zeigt FDP-Chef Czaja an + |
von Lorenz Maroldt |
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Das Verfassungsgericht hat sich zur Verantwortung für das Wahldesaster dagegen sehr klar geäußert: „Verantwortlich für die Vorbereitung der Wahlen sind die Landeswahlleitung und ergänzend die Senatsverwaltung für Inneres. Die Vorbereitung der Wahl muss darauf ausgerichtet sein, die Grundsätze der Allgemeinheit, Gleichheit und Öffentlichkeit der Wahl zu gewährleisten. Dem sind die Landeswahlleitung und die Senatsverwaltung für Inneres nicht gerecht geworden.“ Nur ein einziges Mal, am 21. Mai 2021, also fünf Monate vor der Wahl, fragte der Innensenator bei den Bezirken nach dem Stand der Vorbereitung. Am 6. Juli 2021 wurden die Antworten erfasst. „Weitere Maßnahmen zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich“, schreibt das Gericht. Aber eine Stellungnahme des damaligen Innensenators ist dokumentiert: „Wir sind sehr gut vorbereitet auf alles, was geschehen kann.“ Andreas Geisel ist, Stand heute früh, weiter Mitglied des Senats. Seine Haltung: „Ich habe mich entschlossen zu arbeiten. Was würde es besser machen, wenn ich zurücktrete?“ Wer und was das Demokratiedesaster in der Hauptstadt verursacht hat und warum es politisch folgenlos bleibt, habe ich in einem Essay für die aktuelle Ausgabe der „Zeit“ beschrieben – mit einem Digital-Abo der Wochenzeitung können Sie es auch hier unter diesem Link lesen (Abo). | |||||
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Auch der mächtige Hauptpersonalrat des Berliner Öffentlichen Dienstes ist mit dem Unschuldssenat noch längst nicht fertig. In einer wütenden Mail an die Beschäftigten schreibt der Vorstand: „Dieses Debakel ist ohne Beispiel in der Geschichte des Landes und stellt den beschämenden Höhepunkt einer Entwicklung dar, die seitens des Hauptpersonalrats (…) seit vielen Jahren angeprangert wurde.“ Schuld daran ist, davon ist der Personalrat überzeugt, „ein struktureller Fehler im (Wahl)System, den nur und ausschließlich die politische Ebene zu verantworten hat. Hierzu gab es in der Vergangenheit eine unselige quasi ‚Allparteienallianz‘, insofern kann sich aus Sicht des HPR dafür auch niemand aus der Verantwortung stehlen!“ | |||||
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Das Mehrheitsverhältnis im Abgeordnetenhaus könnte durch die Wiederholungswahl ordentlich durchgeschüttelt werden – darauf weisen die Ergebnisse unserer Checkpoint-Umfrage hin: + Nur knapp 45% werden sicher wieder für dieselbe Partei wie vor einem Jahre stimmen. + Mehr als 12% wollen diesmal in jedem Fall eine andere Partei wählen. + Fast 36% sind noch unentschlossen. Das zeigt: Für die Parteien ist im Wahlkampf noch einiges drin. Vielleicht erreichen sie ja auch noch diejenigen, die sich jetzt abwenden, denn: + Fast 10% sind noch unsicher, ob sie zur Wiederholungswahl gehen. + Und mehr als 8% wollen diesmal ihre Stimme auf keinen Fall abgeben. Eine deutliche Mehrheit begrüßt die Entscheidung des Verfassungsgerichts, nur gut 13% halten sie definitiv für falsch, weitere 10% für eher falsch. Direkt betroffen von den Pannen waren nach eigenen Angaben fast 14%. | |||||
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Bereits nach der Ankündigung des Verfassungsgerichts, dass eine komplette Wahlwiederholung möglich sei, brach bei einigen Wackelkandidaten in der Koalition Panik aus: Ein Staatssekretär der Bildungsverwaltung erkundigte sich sogleich in der Behörde, wie es um seine Versorgung steht – gut möglich auch, dass Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse nach einem guten Jahr in den wohlverdienten Ruhestand geht. Und dass Gesundheitssenatorin Ulrike Gote, deren größtes Geheimnis es ist, dass sie nebenbei für Wissenschaft zuständig ist, im Frühjahr noch so oft zwischen Kassel und Berlin Signalstörungen zählt und Zug um Zug Termine absagt, ist so wahrscheinlich wie eine skandalfreie Documenta. | |||||
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Am kommenden Mittwoch will das Verfassungsgericht nach Checkpoint-Informationen darüber entscheiden, ob das Abgeordnetenhaus in der aktuellen Zusammensetzung überhaupt noch einmal zusammentreten kann. Der früherer Abgeordnete Marcel Luthe hatte in einer Organklage beantragt, unverzüglich das alte Parlament wieder einzusetzen. In seiner Wiederholungsentscheidung hatte das Gericht im Sinne der kontinuierlichen Arbeitsfähigkeit für einen Bestandsschutz des jetzigen Parlaments entschieden. | |||||
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Nach der Desasterwahl hatte die neue Regierende Bürgermeisterin fast die komplette SPD-Senatsriege ausgetauscht, die Grünen wechselten ebenfalls durch, Veränderungen gab es auch bei der Linken. Die meisten sind weitgehend abgetaucht – schauen wir doch mal, ob wir ein paar der früheren Mitglieder des Senats irgendwo entdecken können… Ach ja, hier zum Beispiel radelt Frank Nägele, Ex-Reformstaatssekretär in der Senatskanzlei, auf seinem Klapprad gerade zum Antrittsbesuch in die Saarländische Landesvertretung. Nach einem kurzen Zwischenstopp beim Immobilienentwickler UTB von Thomas Bestgen (u.a. Insel Gartenfeld) beginnt er am 1. Dezember seinen neuen Job als Beauftragter für den Strukturwandel im Saarland. Nur kurz in der Immobilienbranche ausgehalten hat es auch Ex-Wirtschaftsstaatssekretär Christian Rickerts von den Grünen – seit Anfang des Monats ist er nicht mehr, was er unter kritischer Begleitung seiner Parteifreunde wurde: Leiter des Vonovia-Hauptstadtbüros. Nicht aufs Glatteis, aber auf Schnee führt Ex-Sportstaatssekretär und Rütli-Retter Aleksander Dzembritzki Schülerinnen und Schüler: Er begleitet Ski-Reisen für Jugendliche. Ex-Staatssekretärin Sawsan Chebli schreibt Kolumnen für den Tagesspiegel, zum Beispiel diese hier über Rassismus – und wird bei Twitter dafür übelst rassistisch beleidigt (hier zu sehen). Free-Speech-Fan und Twitter-Eigner Elon Musk gefällt das. Und was macht Ex-Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel? Dem Checkpoint teilte er gestern mit: „Die Entscheidung, das Mandat niederzulegen ist mir im letzten Jahr nicht leichtgefallen. Ich wollte nach den Jahren in der Politik einmal durchatmen und mehr Zeit für meine Kinder haben. Die letzten Monate habe ich insofern gut genutzt. Für den damals nicht absehbaren Fall, dass ich erneut vor die Frage einer Parlamentszugehörigkeit gestellt werde, bin ich bereit, diese Verantwortung wahrzunehmen.“ Das klingt doch mal eindeutig nach einem Comeback. | |||||
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Nach dem Motto „Lassen Sie mich durch, ich bin Doktor“ haben es ja schon einige Politiker nach ganz oben geschafft. Der Berliner CDU-Abgeordnete Robbin Juhnke… Pardon: „Dr. Robbin Juhnke“ist noch unterwegs, aber seinen Abschlussorden von 1995 hat er immer dabei: „Nach dem erfolgreichen Abschluss als Diplom-Kaufmann habe ich an der Freien Universität promoviert und damit den akademischen Titel ‚Doctor rerum politicarum‘ erworben“, schreibt er auf seiner Website. Bei uns im Tagesspiegel hat‘s ja leider nur zu „rerum cognoscere causas“ gereicht, aber gehen wir der Sache doch mal auf den Grund: Wie ist die Dissertation über „Die Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt in der deutschen Publikumsaktiengesellschaft und der Funktionswandel ihrer Organe“ damals eigentlich in der Wissenschaft rezipiert worden? Na, mal schauen… Aha, hier: ein Beitrag in der renommierten Vierteljahres-Fachzeitschrift „Management Revue“, verfasst von einem Dr. Wolfgang Salzberger von der Uni Mannheim. Lesen wir doch mal rein… „Juhnke bemüht sich“ … „stark erläuterungsbedürftige Zielsetzung“ … „Die Ausführungen erschöpfen sich in einer Wiedergabe“… „bereits hinreichend bekannt“ … „ungewichtete Aufzählung“… „zumeist ältere Studien“ … „keine neuen Erkenntnisse“ … „Ausführungen erreichen nicht immer das Mindestniveau für eine wissenschaftliche Arbeit“ … „ohne systematische, rechtliche wie betriebswirtschaftliche Analyse“ … puh, noch was? Oha, leider ja: „Aus der in einem flapsigen Stil verfassten und zudem sorglos erstellten Arbeit kann Theoretikern wie Praktikern lediglich das umfassende Literaturverzeichnis als potenzielle Fundstelle empfohlen werden.“ Hm, das klingt ja wie ein Leserbeschwerdebrief an den Checkpoint aus der CDU-Fraktion! Es kommentiert Harald Juhnke (nicht verwandt oder verschwägert): „Die wenigsten Fehltritte begeht man mit den Füßen.“ | |||||
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