Berlin streitet über Flüchtlinge +++ Südkorea vor Regierungswechsel
● Syrien: Sigmar Gabriel warnt |
● Maschinenbau muss kämpfen |
● Rekord-Honorar im Baseball |
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Liebe Leserin, lieber Leser, heute vor genau einem Jahr wurde der Ökonom Javier Milei argentinischer Präsident. Wenn ich das Gros deutscher Medien richtig interpretiere, ist der 54-Jährige ein radikaler Irrer, der schon zum Frühstück zwei Beamte verspeist und auch sonst ganz schlimm ist für sein eigenes Land und das Weltklima sowieso. Mein Rat: Man sollte sich bei seiner Beurteilung auf Mileis Wirtschaftspolitik konzentrieren, nicht auf seine Koteletten oder schmiedeeisernen Manieren. Milei mag libertär sein, laut und knochenkonservativ. Aber mit seinem Wahlkampf-Accessoire Kettensäge illustrierte er immerhin klar, was er vorhatte: den überbordenden Staat stutzen und Argentiniens Hyperinflation auf Normalmaß zurechtschneiden. Dem selbsternannten „Anarchokapitalisten“ ist das bislang gut gelungen, muss ich sagen. Milei strich hunderte von Regulierungen. Den Staatshaushalt hat er zurechtgeschnitten wie andere Leute ihren Buchsbaum vorm Haus: minus 27 Prozent. Renten und Staatsgehälter steigen nicht mehr mit den Preisen. Die Hälfte seiner 18 Ministerien ließ er schließen, 30.000 öffentliche Bedienstete entlassen. |
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| Argentiniens Präsident Javier Milei (© dpa) |
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Das alles tut weh, klar. Aktuell bricht die Wirtschaft ein, die Armut wächst. Für das kommende Jahr prognostiziert der IWF aber schon wieder ein Wachstum von fünf Prozent. Erstmals seit Jahrzehnten verzeichnet Argentinien einen Haushaltsüberschuss. Die Börse boomt, und Mileis Umfragewerte sind stabil bei weit über 50 Prozent. Viele scheinen schon froh, dass ein Politiker sie wenigstens nicht mehr anlügt, sondern das tut, was versprochen war. Warum also verachten hiesige Medien Milei so? Angst? Neid? Den Fehler, den viele hierzulande machen: Sie bewerten den Rest der Welt mit deutschen Maßstäben. Argentinien hat viel größere Probleme als wir, ein Präsident dort also auch größere Aufgaben. Zugleich sind seine Rechte üppiger. Er wird direkt vom Volk gewählt und kann per Dekret dann ziemlich durchregieren. Das würde in Deutschland gar nicht gehen. Umso unbefangener könnte man sich doch fragen, was man trotzdem lernen kann von Mileis harter Tour. Deutschland torkelt immerhin ins dritte Rezessionsjahr. Durch die Bürokratie entgehen der Republik bis zu 146 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung, rechnete das ifo-Institut vor. Pro Jahr. Während bei uns seit fünf Jahren nichts mehr wächst, legten unsere EU-Nachbarn um 4 Prozent zu. Wohnungsbau, Arbeitsmarkt, Industrie, Klimaschutz – alles überreguliert. Als der FDP-Vorsitzende Christian Lindner jüngst vorschlug, man müsse „zumindest ein klein bisschen mehr Milei wagen“, ging ein Aufschrei der Empörung durchs Land. Ich kann das nicht verstehen – und zugleich nur zu gut: Vielleicht geht’s uns einfach noch nicht schlecht genug, um uns selbst zu hinterfragen? Lieber verwandeln wir uns allmählich in ein Volk von Schulterzuckern, das nichts gerissen kriegt, aber für andere stets gute Ratschläge parat hat. Wissen Sie, was so ziemlich das Einzige ist, das während der Ampel-Regierung wuchs? Die Zahl der Beamten. Um 11.500 Stellen. Oder bin ich zu streng? Schreiben Sie mir: feedback@focus-magazin.de |
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| Syrer feiern in Berlin das Ende des Assad-Regimes (© imago) |
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Syrien I: Berlin streitet über Flüchtlinge |
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Nach dem Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad beschäftigt die deutsche Politik vor allem die Frage, wie es mit den hiesigen Flüchtlingen weitergeht: CDU-Mann Jens Spahn schlug 1000 Euro Abschiedsgeld und ein Flugticket vor für jeden Rückreise-Willigen. Derlei Vorschläge nannte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) unseriös. Aktuell sei die Lage in dem bürgerkriegs-versehrten Land noch viel zu unübersichtlich. Das dem Innenministerium unterstellte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hatte am Montag einen vorübergehenden Entscheidungsstopp für aktuell noch laufende Asylverfahren syrischer Staatsbürger verhängt. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), forderte eine Widerrufung des Flüchtlingsstatus. Bei Grünen und Linken stießen solche Forderungen auf Ablehnung. „Die populistischen Töne aus der Union müssen ein Ende haben“, kritisierte Grünen-Co-Chef Felix Banaszak gegenüber FOCUS Briefing. AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel betonte, dass „bei vielen Personen aus Syrien der Fluchtgrund entfallen“ sei. |
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| Der frühere SPD-Außenminister Sigmar Gabriel (© dpa) |
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Syrien II: Sigmar Gabriel warnt vor „brisanter Mixtur“ |
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Er war für die SPD u.a. schon Vize-Kanzler, Wirtschafts- und Außenminister. Die Geschehnisse in Damaskus beurteilt Sigmar Gabriel, 65, im FOCUS-Briefing-Interview anders als viele andere. Herr Gabriel, teilen Sie den Optimismus über den Umsturz in Syrien? Natürlich freue ich mich über Assads Sturz. Vor allem verstehe ich den Jubel der Menschen, die unter dem Regime des alten und des jungen Assads jahrzehntelang unfassbar gelitten haben. Und auch dass Wladimir Putin offenbar durch seinen Krieg gegen die Ukraine so geschwächt ist, dass er nun tatenlos zusehen muss, wie sein einstiger Verbündeter die Flucht ergreift und Russland seinen einzigen Mittelmeerhafen verliert, ist ein gutes Ergebnis dieser Entwicklung. Aber dennoch weiß noch niemand, welche Art Herrschaft in Syrien entstehen wird. Nicht selten folgt dem einen Menschenschinder der nächste. Inwiefern? Syrien hat nach dieser vermutlich von den USA, Israel und der Türkei geduldeten oder vielleicht sogar aktiv geförderten Operation keine Chance mehr auf eine geordnete Wiedereingliederung als ganzer Staat in die Völkergemeinschaft. Ein fragmentiertes Syrien aber kann auch neue Unsicherheiten und Instabilitäten für die ganze Region mit sich bringen. Wir sollten nicht vergessen, dass die Anführer der Rebellen sich dem Islamischen Staat verbunden fühlen. Diese „Rebellen“ sind eine sehr brisante Mixtur aus Islamisten, Söldnern und gedungenen politischen Vagabunden. Sie haben keinerlei Interesse an einem geordneten Syrien demokratischen oder gar westlichen Zuschnitts. Offenbar bevorzugten die Mächte, die geholfen haben, Assad zu verjagen, die Destabilisierung Syriens als das kleinere Übel. Hoffentlich trügt diese Hoffnung am Ende nicht. Was steckt für Sie dahinter? Es ist wie so häufig: Die Feinde meines Feindes werden zu „Freunden“. Kurzfristig ist das ein Erfolg aus Sicht des Westens: Mit dem Islamischen Staat geht es gegen Russland und den Iran, um den naheliegenden Feind Syrien zu zertrümmern. Wie sehr das auch schiefgehen kann, haben wir in Afghanistan erlebt, wo die Mudschahedin zunächst Verbündete gegen die sowjetischen Besatzer waren – und später unsere erbittersten Feinde. Die USA kontrollieren mit ihren Truppen die Ölvorkommen Syriens und vermarkten sie vermutlich gemeinsam mit den Türken. Die wiederum hoffen, freie Hand gegen die Gründung eines kurdischen Staates zu bekommen. Das kann schnell blutig werden. |
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• Israels Luftwaffe griff mehr als hundert Ziele in Syrien an. Chemische Waffen und Langstreckenraketen sollten nicht in die Hände von Extremisten fallen, hieß es. • In New York tagte der UN-Sicherheitsrat. Man sei sich einig gewesen, „die territoriale Integrität und Einheit Syriens zu bewahren“, so der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja danach. • US-Außenminister Antony Blinken warnte laut „Handelsblatt“ vor einem Wiedererstarken des Islamischen Staats (IS) in Syrien. | |
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| Ein Mitarbeiter im Trumpf-Werk im sächsischen Neukirch (© imago) |
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Maschinenbau kämpft um Aufträge |
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Kurz vor Jahresende zeichnet sich eine düstere Bilanz für die deutsche Maschinenbaubranche ab: Nach Angaben des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagebau (VDMA) erhielt der Sektor im Oktober neun Prozent weniger Aufträge als im Vorjahr. „Für die ersten zehn Monate des laufenden Jahres errechnet sich nun ein Minus der Bestellungen von insgesamt acht Prozent“, so VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers. Ursache sei insbesondere die Investitions-Zurückhaltung vieler Kunden. Auch die trübe Wirtschaftslage in Deutschland macht der Branche zu schaffen, die allein in Deutschland 1,2 Millionen Menschen beschäftigt. Die schwache Nachfrage in wichtigen Absatzmärkten wie China oder den USA, befürchtete Handelskriege und die mangelnde deutsche Wettbewerbsfähigkeit wirken sich auf den Maschinenbau aus. Bei der heute stattfindenden Jahrespressekonferenz des VDMA wird erwartet, dass der Verband die düstere Bilanz für dieses Jahr bestätigt. Für 2025 geht der Verband bereits jetzt von einem Produktionsrückgang um zwei Prozent aus. |
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3500 Mitarbeiter will der Software-Riese SAP laut Medienberichten in Deutschland mit einem Abfindungs- und Vorruhestandsprogramm loswerden, vor allem in der Walldorfer Zentrale. Weltweit sollen bis zu 10.000 Jobs abgebaut werden. SAP ist mit einer Marktkapitalisierung von rund 300 Mrd. Euro die Nummer eins im Deutschen Aktienindex Dax. |
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| Besonders Limonaden und gesüßte Säfte schneiden schlecht ab (© dpa) |
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Wo Süßes wirklich problematisch wird |
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Zucker ist nicht gleich Zucker, wenn es um die Wirkung auf Herz und Kreislauf geht. Eine große Studie schwedischer und dänischer Epidemiologen und Mediziner stellt nun vor allem zucker- und kohlensäurehaltigen Limonaden, aber auch stark gesüßten Säften ein schlechtes Gesundheitszeugnis aus. Kuchen und Honig schneiden dagegen besser ab. Das Expertenteam sammelte Daten von rund 70.000 Studienteilnehmern, die Auskunft über ihre Ernährungsgewohnheiten gegeben hatten. Sie wurden zwischen 1997 und 2019 beobachtet. Knapp 26.000 von ihnen erkrankten in dieser Zeitspanne an Herz und Kreislauf. Den stärksten Zusammenhang fand die Studie zwischen dem Konsum von „flüssigem Zucker“ und Ereignissen wie Schlaganfall, Herzversagen und Vorhofflimmern. Als deutlich geringer stellte sich das Erkrankungsrisiko bei jenen Probanden dar, die ihren Appetit auf Süßes eher mit Aufstrichen oder Backwaren stillten. Forschungsleiterin Suzanne Janzi betont, dass gesüßte Getränke weniger satt machten als etwa Kuchen – möglicherweise tendierten Limonadenfreunde dazu, als Ausgleich zu viel zu essen. Zucker kann das Herz-Kreislauf-System durch Entzündungen und über erhöhte Werte bei Blutfetten, Blutzucker und Blutdruck schädigen. |
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Gewinner: Einer der bestbezahlten Spitzensportler der USA ist Juan Soto, 26, schon länger. Nun bricht der Baseball-Star einen Rekord: Mit den New York Mets hat Soto sich auf die höchste Vertragssumme in der Geschichte der Major League Baseball geeinigt. 765 Millionen US-Dollar soll der gebürtige Dominikaner in den nächsten 15 Jahren bekommen. Das dürfte selbst alle bisherigen Fußball-Dimensionen schlagen. | |
Verlierer: Es ist erst eine Woche her, dass Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol, 63, das Kriegsrecht ausgerufen hatte, weil er eine innenpolitische Blockade lösen wollte. Ein Putsch konnte verhindert werden. Aber seither ist Yoon ein Staatschef auf Abruf. Das Land darf er nicht mehr verlassen. Inzwischen wird gegen ihn wegen Hochverrats ermittelt. Und sein Volk demonstriert weiter – gegen ihn. | |
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… möchte ich Ihren Blick noch mal auf den syrischen Rebellenführer Abu Mohammed al-Dschulani von der Terrorgruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) lenken: Ist Ihnen aufgefallen, wie seine Anhänger nach dem Einmarsch in Damaskus Handy-Videos von ihrem Helden machten? Als sei’s ein Robbie-Williams-Konzert. Vielleicht für die Islamisten-Gattinnen zu Hause? | | Der syrische Rebellenführer Abu Mohammed al-Dschulani im Handy-Gewitter seiner Fans (© dpa) | Es erinnerte mich an den Hollywood-Actionfilm „True Lies”, wo ein Terrorist seine Erpresser-Forderungen mitfilmen ließ. Als Zuschauer sah man quasi durchs Video-Sucherfeld, dass der Akku gerade leerlief – und wie der arme Terroristen-Kameramann Blut und Wasser schwitzte, ob’s noch reicht. Technik verbindet eben die Welt – im Guten wie im Schlechten. Herzliche Grüße | | Thomas Tuma |
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