Liebe/r Leser/in, wenn sich Friedrich Merz in Rage redet, ist er nicht so leicht zu bremsen. Am Montag holte er zu einem Rundumschlag aus. Den wegen Corona verschobenen CDU-Parteitag nahm er zum Anlass für eine Generalabrechnung mit dem sogenannten Partei-Establishment. Merz’ Deutung: Seine Konkurrenten Armin Laschet und Norbert Röttgen nähmen die Pandemie zum Anlass, eine baldige Wahl des Parteichefs zu verhindern, um die verbleibende Zeit zur eigenen Profilierung zu nutzen. So deutete er es im ARD-Morgenmagazin an, führte es in einem Zeitungsinterview aus und krönte den Wut-Tag mit abendlichen Fernsehauftritten – erstaunlicherweise sagte Merz der sichtlich verwunderten ZDF-Moderatorin Bettina Schausten mehrmals, es ginge bei alledem nicht um seine Person. Dass Profi-Politiker wie Friedrich Merz oder auch Olaf Scholz manchmal ziemlich amateurhaft agieren, haben wir bei der Frage erlebt, ob die beiden Spitzenverdiener sich selbst zu den Reichen zählen würden. Jetzt eiert Merz wieder. Warum stellt er sich in der Parteitagsdiskussion nicht einfach vor die Kamera und sagt selbstbewusst: Ich bin der richtige Mann an der Spitze der CDU, egal ob im Dezember, im Januar oder im April gewählt wird? Merz wirkt nun angeschlagen, getrieben und leicht verzweifelt. Selbstbewusst jedenfalls nicht. Ob der Termin für den CDU-Parteitag im Dezember zu halten sei, darüber wurde am Freitagabend der vergangenen Woche schon in Frankfurt spekuliert – ein besonderer Abend an einem besonderen Ort, an dem einige wichtige CDU-Politiker teilnahmen. Bei einem Festakt in der Frankfurter Paulskirche, dem Kreißsaal der Demokratie, wurde Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer von der Steuben-Schurz-Gesellschaft für ihr Engagement in der Pflege der deutsch-amerikanischen Freundschaft ausgezeichnet. Die Steuben-Schurz-Gesellschaft, gegründet 1930, ist die älteste transatlantische Freundschaftsorganisation. Ich hatte die Ehre, die Laudatio auf Annegret Kramp-Karrenbauer zu halten, deren ganz persönliche transatlantische Beziehung mit einer dramatischen Geschichte beginnt – der Geschichte ihres Vaters. Hans Kramp wurde im Zweiten Weltkrieg von US-Soldaten verwundet und in Kriegsgefangenschaft genommen. Als er wieder zu Hause war, erzählte er, dass es sein wahres Glück gewesen sei, von Amerikanern gefangen genommen worden zu sein. Denn die Soldaten hätten Menschlichkeit gezeigt, Anstand, Vergebung – und sie haben ihm das Leben gerettet. Vater Kramp hat in dieser schweren Zeit erfahren, welch großen Wert Nächstenliebe und Demokratie doch haben. Warum Annegret Kramp-Karrenbauer aus tiefem Herzen Transatlantikerin ist, warum sie besonders in diesen Tagen, wo in den USA der Wahlkampf tobt, fest an der Seite Amerikas steht, lesen Sie auf Seite 46. Es tut gut, eine Stimme zu hören, die sich nicht von schrillen Tönen provozieren lässt und nicht der weltweiten Trump-oder-Biden-Hysterie verfällt. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle noch eine interessante Stimme empfehlen. Auf Seite 68 spricht Corinne Flick, Gründerin der Convoco Stiftung, mit Stefan Oschmann, Vorsitzender der Geschäftsleitung des Wissenschafts- und Technologiekonzerns Merck, über die Folgen der Corona-Pandemie und die Herausforderungen für das weltweite Gesundheitssystem. Oschmann spricht auch über die Entwicklung eines Impfstoffs und über den zu erwartenden Kampf um die Verteilung. Absolut lesenswert! Zum Schluss ein Lob in eigener Sache: Vergangene Woche wurden mein Kollege Helmut Broeg und die freie Autorin Susanne Donner für ihre FOCUS-Titelgeschichte „Operation Knie“ mit dem Deutschen Journalistenpreis Orthopädie und Unfallchirurgie 2020 ausgezeichnet. „Der Text nähert sich umfassend einem Thema, das viele Patienten interessiert: Welche nichtoperativen Möglichkeiten gibt es bei Knieschmerzen? Er fußt auf einer umfassenden Recherche und gibt die Ergebnisse laienverständlich und spannend wieder. Damit kann er für viele Betroffene eine hilfreiche Orientierung sein“, lobte die Jury den aus ihrer Sicht hervorragenden Beitrag. Herzlichen Glückwunsch! |