Liebe Leserinnen, liebe Leser,  die Börsen stürmen auf neue Rekordhochs und Aktien-Splits scheinen wieder in Mode zu kommen. Das ist keine neue Erscheinung, sondern begleitet die Börsen schon seit Jahrzehnten. Nur die Darsteller in diesem Theaterstück wechseln. Da stellt sich doch die Frage, was es mit diesem Hype auf sich hat. Zunächst einmal gaukelt einem die Bezeichnung âAktien-Splitâ vor, dass Aktien aufgeteilt werden. Und er wirkt sich auf die Altaktionäre auch in etwa so aus. Doch die zugrundeliegenden Vorgänge sind schon etwas komplizierter. Denn ein Aktien-Split ist eigentlich eine Kapitalerhöhung, nur eben aus Gesellschaftsmitteln und nicht, wie ansonsten üblich, durch externe Kapitalzufuhr. Beim Aktien-Split werden Rücklagen in Grundkapital umgewandelt und diese dann in Form von sog. Berichtigungsaktien an die bisherigen Aktionäre ausgegeben und zwar im Verhältnis ihres bestehenden Anteils am Grundkapital. Bei diesem Vorgang ändern sich also weder das Vermögen noch die Kapitalausstattung der Gesellschaft. Bilanzrechtlich handelt es sich um einen Passivtausch innerhalb des Eigenkapitals. Für den Aktionär ändert sich an seiner Vermögensposition nichts: Wem vor dem Aktien-Split 1% an der Firma gehörte, dem gehören auch nach dem Aktien-Split 1% an der Firma. Bei einem Aktien-Split im Verhältnis 1:10 hätte man also statt 100 Aktien zuvor nach dem Aktien-Split 1.000 Aktien im Depot. Da sich der Wert der Firma durch den Split nicht geändert hat, verteilt sich der Firmenwert damit auf die 10-fache Zahl an Aktien â und der Aktienkurs fällt dementsprechend. So gerade geschehen bei NVIDIA. Unter diesem Gesichtspunkt ist das ganze also ein Nullsummenspiel. Aktien-Splits sind vor allem in Hausse-Phasen beliebt bei den Unternehmen. Nach einem jahrelangen Bullen-Markt ist der Aktienkurs optisch (zu) teuer geworden. Wer hat schon die Möglichkeit, sich eine einzige Aktie für 600.000 US-Dollar zu kaufen? Daher werden die Aktien gesplittet und ihr Kurs auf diese Weise verringert. Es können sich dann wieder viel mehr Anleger, vor allem Kleinanleger, den Kauf der Aktien leisten. Das erweitert den Interessentenkreis und sorgt für etwas mehr Nachfrage nach den Aktien. Allerdings wurde dieses früher so gewichtige Argument in den letzten Jahren kräftig entwertet. Denn immer mehr Broker bieten Sparpläne an, mit denen man Bruchstücke von Aktien kaufen kann. Völlig ohne Sinn sind Aktien-Splits aber dennoch nicht. Zunächst sorgt ein niedriger Aktienkurs für höhere Börsenumsätze. So können sich mehr Kleinanleger die Aktie leisten und auch die Hemmungen beim Handeln sind geringer. Denn ein einprozentiger Spread sieht bei einer 100 US-Dollar-Aktie mit 99,50 zu 100,50 US-Dollar nicht so abstoÃend aus wie bei einer 1.000-Aktie mit Kursstellung 995 zu 1.005 US-Dollar. Rechnerisch und finanziell macht es keinen Unterschied, aber es schreckt halt psychologisch stärker ab. Und dann ist da noch der monetäre Aspekt. Denn Jared Woodard von der Bank of America hat in langjährigen Untersuchungen herausgefunden, dass Aktien, die einen Split angekündigt haben, in den folgenden 12 Monaten rund 25% zulegen, während der S&P 500 es durchschnittlich auf 12% bringt. Zudem kommt es auch insgesamt häufiger zu Kurszuwächsen als zu Kursverlusten und der durchschnittliche Gewinn ist gröÃer als der durchschnittliche Verlust. Wie bei jeder empirischen Erhebung ist auch hier festzuhalten, dass keine Kausalität nachgewiesen wurde. Das heiÃt, man kann nicht belegen, dass der Aktien-Split für die Ãberperformance verantwortlich ist, aber sehr wohl, dass dieser Effekt eintritt. Und das sollte für Anleger gut genug sein... Und ewig lockt der Dow  In den USA kommt noch ein weiteres gewichtiges Argument hinzu, das für Aktien-Splits sprechen kann, jedenfalls bei den gröÃten Unternehmen: Der Dow Jones-Index ist ein Anachronismus, was seine Berechnung angeht, denn er ist ein kursgewichteter Index. Während bei so gut wie jedem bedeutenden Aktien-Index, ob nun S&P 500, DAX, Nikkei oder NASDAQ, die Unternehmen nach ihrer Marktkapitalisierung in den Index einflieÃen, zählt diese beim Dow Jones-Index nichts. Hier geht es allein um den Preis einer einzelnen Aktie, die das Gewicht im Index bestimmt. Stellen wir uns mal vor, die A-Aktie notiert bei 50 US-Dollar und die B-Aktie bei 100 US-Dollar. Das A-Unternehmen ist 1 Bio. US-Dollar schwer, das B-Unternehmen 100 Mrd. Bei "normalen" Indizes würde die A-Aktie damit im Index eine 10-mal so hohe Gewichtung aufweisen (wegen des Börsenwerts) und damit die Entwicklung des Börsenindex 10-mal so stark beeinflussen wie die B-Aktie. Beim Dow Jones-Index hingegen kommt es auf den Aktienkurs der einzelnen Aktie an. Die B-Aktie ist mit 100 US-Dollar doppelt so teuer wie die A-Aktie und daher würde sie im Dow Jones-Index auch doppelt so viel Gewicht haben. Obwohl das A-Unternehmen 10-mal so wertvoll ist wie das B-Unternehmen (1 Billion gegen 100 Milliarden). Wer das für völlig absurd hält, empfindet richtig. Doch die Realität ist nun einmal so und führt zu dem unschönen Effekt, dass nicht jede Aktie für den Dow Jones-Index geeignet ist. Ziehen wir mal Berkshire Hathaway heran. Mit gut 600.000 US-Dollar ist dessen A-Aktie die teuerste Aktie der Welt und auch nach der Börsenkapitalisierung eines der zehn wertvollsten US-Unternehmen. Das schreit geradezu danach, in den Dow Jones-Index aufgenommen zu werden. Doch das geht nicht. Apple und Microsoft weisen jeweils Börsenkapitalisierungen von über 3 Bio. US-Dollar auf, während Berkshire etwa ein Drittel auf die Waagschale bringt. Doch würde die Berkshire-A-Aktie in den Dow Jones-Index aufgenommen, würden alle anderen 29 Aktien zusammen überhaupt keine Rolle mehr spielen. Das Gewicht von Berkshire würde 99,9999% des Dow Jones-Index ausmachen, die anderen Aktien fänden nur im Nachkommastellenbereich Berücksichtigung. Nun kann man Berkshire Hathaway natürlich als Extrembeispiel abtun, aber das ändert nichts am Prinzip bzw. am Grundproblem. Charles Dow, der Erfinder des Dow Jones-Index, hat ihn nun einmal als Kursindex konzipiert und daran wurde seitdem nicht gerüttelt. Da diese Systematik bekannt ist, flieÃt sie bei manchen Unternehmen in ihre strategischen Ãberlegungen mit ein, um sich für eine Aufnahme in den Dow Jones-Index zu qualifizieren. |