Wattenrat


Norderney: die volle Dröhnung

Posted: 25 Jul 2019 02:31 AM PDT

Screenshot-Bildzitat: Ostfriesischer Kurier, Norden, 24. Juli 2019

Schon Wilhelm Busch wusste: „Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden. (aus: „Der Maulwurf“, 1872).
Mit erheblichen Geräuschen ist in den nächsten Tagen auch im Großschutzgebiet Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und „Weltnaturerbe“ zu rechnen, die Tourismus-Bespaßungsindustrie läuft auf Hochtouren. Seit gestern wummern z.B. die Bässe über den Strand von Norderney, „Summertime#19“ heißt der fünftägige „Ausnahmezustand“ auf der Insel, mit „Party, Konzerten und Entertainment“; der Nationalpark wird zur „Kulisse“ degradiert.

Summertime #19
Fünf Tage Ausnahmezustand, fünf Tage Party, Konzerte und Entertainment für alle am Nordstrand: Vom 24. – 28. Juli findet das Sommerhighlight vor der einmaligen Strand-Meer-Kulisse statt. […]

Dabei findet die Veranstaltung in unmittelbarer Nähe zur Nationalparkgrenze statt, wird also formell nicht von den Verboten des Nationalparkgesetzes erfasst. Nur macht der erzeugte Lärm, der je nach Geschmack auch für Musik gehalten werden kann, vor den Grenzen des Nationalparks nicht halt. Auch bis weit in das Schutzgebiet wird die volle Dröhnung zu hören sein. Das sagt das Nationalparkgesetz, eigentlich eindeutig, ohne auf die Quellen des Lärms einzugehen:

Gesetz über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ , §15
(2) Es ist insbesondere verboten, […]
2. lärmintensive Veranstaltungen durchzuführen […]

Die verantwortlichen Veranstalter werden sich spitzfindig damit rechtfertigen, dass die lärmintensiven Veranstaltungen nicht im, sondern am Nationalpark stattfinden. Und das sieht die Nationalparkverwaltung auch so. Seit Jahren zieht sich die Verwaltung des Großschutzgebietes auf die Position zurück, man habe keine rechtliche Handhabe, weil der Lärm ja von außerhalb in den Nationalpark hineingetragen werde. Nur ist der Lärm auch im Nationalpark wahrnehmbar. Das Bundesnaturschutzgesetz sieht für Veranstaltungen dieser Art, die in ein europäisches Schutzgebiet wie den Nationalpark hineinwirken, eine Verträglichkeitsprüfung vor (§34). Die ist veranstalterfreundlich unterblieben. Genau so argumentiert die Nationalparkverwaltung, wenn sommerliche Feuerwerke direkt an der Grenze zum Nationalpark gezündet werden, auch in der Brut- oder Rastzeit zur Touristenunterhaltung. Auch die Feuerwerke wirken durch die Schall- und Lichteffekte kilometerweit in das Schutzgebiet hinein und führen zu Panikreaktionen bei den Brut- oder Rastvögeln; das ist gut untersucht und nach dem Bundesnaturschutzgesetz verboten. Und so geht alles seinen gewohnten Gang: Der Massentourismus mit allen negativen Begleiterscheinung ist ein erheblicher Störfaktor für heimische oder durchziehende Vögel und Seehunde in diesem „Weltnaturerbe“. Die Nationalparkverwaltung mit ihrem Leiter Peter Südbeck unterstützt die naturentfemdeten Tourismusmacher mit „Parterschafts-Zertifikaten“, statt sich „nachhaltig“ um Ruhe an der Naturschutzfront zu bemühen.

Die Selbstdarstellung

Norderney

Norderney ist die „Königin der Nordsee“ und geographisch zwischen den Inseln Juist im Westen und Baltrum im Osten positioniert. Die Insel ist in gut 45 Minuten vom Festland aus (Norden-Norddeich) mit der Fähre erreichbar. Ebenso verfügt Norderney über einen eigenen Flugplatz. Mit einer Gesamtfläche von 26,29 Quadratkilometern ist die Insel die zweitgrößte ostfriesische Insel. Fast 85 Prozent der Insel gehört zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, welches auf der Weltnaturerbeliste der Unesco steht.
Norderney ist die touristisch stärkste ostfriesische Insel. 2010 wurden 3,15 Millionen Übernachtungen gezählt. Seit dem Jahr 2002 konnten die Übernachtungszahlen kontinuierlich gesteigert werden. […]

Laut Statistik der Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg betrug die offizielle Übernachtungszahl auf Norderney 3.688.169 im Jahr 2018.

Der Beitrag Norderney: die volle Dröhnung erschien zuerst auf Wattenrat Ostfriesland.

Delfzjil: niederländisches Verwaltungsgericht kippt weitere Industrialisierungspläne an der Ems

Posted: 24 Jul 2019 08:07 AM PDT

Blick auf den „Chemie-Park“ (Ausschnitt) in Delfzijl/NL an der Ems, Natura-2000-Gebiet – Foto (C): Eilert Voß

Das oberste niederländische Verwaltungsgericht „Raad von State“ stoppte den Flächennutzungsplan (Bestemmingsplan) für die Erweiterung eines Industriegebietes in Delfzjil an der Ems. Der Rat der Stadt Delfzjil hatte den Plan 2017 verabschiedet. Dagegen geklagt hatten die Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland, die niederländische „Vereniging van Zuivere Energie Westerwolde“ und die „Gasunie Transport“. Wie die niederländische Zeitung „Dagblad van het Noorden“ aus Groningen am 17. Juli 2019 berichtet, liegt das geplante Industriegebiet „Oosterhorn“ südöstlich des Zentrums von Delfzijl an der Ems.

Das Industriegebiet grenzt nördlich an die Emsmündung an , das Ästuar gehört zum europäischen Natura-2000-Gebiet Wattenmeer. Mit dem Ausbau sollten vorhandene Unternehmen expandieren, zudem sollte Platz für neue Unternehmen und einen weiteren Windpark geschaffen werden. Der Raad von Staate-Beschluss ergibt sich aus einer früheren Entscheidung dieses Gerichts. Das oberste Verwaltungsgericht hatte kürzlich die Stickstoffemissionspolitik Nitrogen Approach Program (PAS) der Regierung verworfen. Die Regierung hatte daraufhin keine Umweltgenehmigungen für Projekte in gefährdeten Naturgebieten mehr erteilt. Hunderte von Plänen in den Niederlanden sind von der Entscheidung betroffen. Der industrielle Stickstoffeintrag in das Wattenmeer ist enorm und gefährdet das Natura-2000-Gebiet, dadurch wird die Überdüngung weiter gefördert. Die Wasserrahmenrichtlinie der EU fordert eine Verbesserung der Gewässerqualität, keine Verschlechterung.

Sperrgebiet vor Delfzjil: Einleitungen aus dem Chemie-Park – Archivfoto: Eilert Voß

Der aktuelle Gerichtsbeschluss führte zu heftigen Reaktionen aus Delfzjil: „Wir haben die Nase voll!“ zitierte die Zeitung den Delfzjiler Stadtrat Ijzebrand Rijzebol. „Es wird viel Mühe kosten, die Dinge wieder in Gang zu bringen“. Die Äußerungen des Stadtrates beziehen sich nicht nur auf den Ausbau des geplanten Delfzijler Gewerbegebiets. Viele Projekte, bei denen Stickstoff eine Rolle spielt, seien in Vorbereitung. Und das sei für Delfzijl ein ziemliches Problem, denn die Ökologisierung von Unternehmen sei ein heißes Thema. „Die Ablehnung des Oosterhorn-Plans ist eine direkte Folge dieser früheren Entscheidung“, wird Rijzebol zitiert. „Viele Flächennutzungspläne, die wie dieser noch nicht rechtskräftig waren, wurden durch die Entscheidung des Gerichts auf den Müllhaufen verwiesen.“ Rijzebol wird sich in Kürze mit Unternehmen wie Groninger Seaports treffen, um herauszufinden, wie sie mit dem Urteil umgehen sollen. „Wir müssen einen Weg finden, um aus diesem Stickstoff-Elend herauszukommen.“ Wie dem auch sei: Es bleibt zu hoffen, dass der Gerichtsbeschluss im Sinne des Schutzes der Emsmündung und des Wattenmeers Bestand haben wird. Auch in den Niederlanden werden verbindliche EU-Richtlinien von der Politik ignoriert.

Der Beitrag Delfzjil: niederländisches Verwaltungsgericht kippt weitere Industrialisierungspläne an der Ems erschien zuerst auf Wattenrat Ostfriesland.