Von Thomas Tuma
● Im Interview: Markus Söder |
● Im Gipfelrausch: Olaf Scholz |
● Im Aufwind: das Konsumklima |
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Liebe Leserin, lieber Leser, das letzte Auto, das mein Vater fuhr, war ein Passat mit Fließheck in der 70er-Jahre-Trendfarbe Goldmetallic. Das erste Auto, das ich besaß: ein gebrauchter Polo, farblich irgendwo zwischen Heftpflaster und Hornhaut. Zu Volkswagen haben die meisten von uns irgendeine Beziehung. Es ist nicht nur ein sehr großes Unternehmen, sondern ein Stück unseres Lebens, unserer DNA. VW, das war schon deutsche Geschichte, als man sich an die Firmen-Anfänge schnell nicht mehr so genau erinnern wollte. Dann stand die Markem für Wirtschaftswunder-Käfer und dessen Kino-Bruder „Herbie“. VW – das sind bis heute die Bullis T 1 und T 2, die schon über die Äcker von Woodstock rumpelten. Das ist Florian Illies' „Generation Golf“. Und es ist leider auch der Abgasskandal, der uns 2015 erstmals vor Augen führte, dass Made in Germany auch bedeuten kann, dass mal der Wurm drin ist. In diesem deutschen Gencode waren früher Fleiß und Ingenieurskunst gespeichert. Die Autos und wir galten als eher nüchtern und humorlos, aber vertrauenswürdig. Effizient eben. Pragmatisch. Erfolgreich auch. Damit ist seit dieser Woche Schluss. Endgültig. Offenbar will der Vorstand mindestens drei von zehn deutschen Werken schließen. Autoverbands-Lobbyistin Hildegard Müller rechnete gestern vor, dass bis 2035 in der ganzen Branche 190.000 Jobs verlorengehen könnten. Das sei nicht mal Ausdruck von Krise, sondern der längst laufenden Transformation, die nicht nur VW zu bewältigen hat. |
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| VW-Hauptquartier in Wolfsburg (© dpa) |
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Elektromobilität ist halt einfacher zu starten, wenn man wie Tesla oder BYD nicht schon Zehntausende von Menschen beschäftigt, die komplexere Verbrennermotoren bauen. Trotzdem haben die Deutschen den technischen Wechsel ganz gut hingekriegt. Manchmal fast zu gut wie VW, dessen E-Auto-Hype schneller war als die Begeisterung der Kundschaft. Klar wurden Managementfehler gemacht. Klar ist die Konkurrenz aus China rasanter gewachsen, als manche dachten. Aber es ist schon bizarr, dass ausgerechnet hier in Deutschland so viel über die „Fossil-Mafia“ geschimpft wird. VW und die anderen, ebenfalls leidenden Autoriesen wissen von je her, was Transformation bedeutet. Am heutigen Mittwoch werden die VW-Geschäftszahlen fürs dritte Quartal verkündet. Zugleich beginnt die zweite Verhandlungsrunde um den Haustarifvertrag für 120.000 Beschäftigte. Zuletzt hatte die IG Metall ein Lohnplus von sieben Prozent gefordert. Das klingt schon wie das Echo aus einer anderen Ära, als die Republik viel lieber über Work-Life-Balance und Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich diskutierte, während wir längst über unsere Verhältnisse lebten. Der VW-Vorstand hat selbst jenen, die nicht entlassen werden müssen, nur noch Lohnsenkungen von mindestens zehn Prozent zu bieten. Man müsse wieder wettbewerbsfähig werden, heißt es. Als Beispiel gern genannt: Der weltgrößte Autobauer Toyota produziert mit nur gut halb so viel Beschäftigten zwei Millionen Autos mehr als VW, das noch die Nummer zwei ist. Noch. Der Weckruf aus Wolfsburg gilt nicht nur dem eigenen Unternehmen, sondern uns allen, oder? feedback@focus-magazin.de |
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| Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck (© dpa) |
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Deutsche wünschen sich GroKo zurück |
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Eine Große Koalition aus Union und SPD (GroKo) ist auf Bundesebene das bevorzugte Regierungsbündnis der Deutschen. Das zeigt eine exklusive FOCUS-Umfrage von Insa. Danach sprechen sich 30 Prozent der Befragten dafür aus, dass die Union nach der Bundestagswahl 2025 mit der SPD koaliert. Der Bremer Politologe Lothar Probst hält es dennoch für unwahrscheinlich, dass eine GroKo auf Bundesebene zustande kommt, „außer es bleibt keine andere Möglichkeit“. Viele Probleme von heute seien „Restposten aus zwölf Jahren GroKo“, so Probst. Auf Platz zwei der bevorzugten Unions-Koalitionspartner landet die AfD (14 Prozent). Diese Partnerschaft hat CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz aber ausgeschlossen. Elf Prozent der Befragten wollen, dass die Union mit der FDP koaliert, zehn Prozent plädieren für das BSW als Regierungspartner. Nur neun Prozent sind für eine schwarz-grüne Koalition. Das ist nicht die einzige Hiobsbotschaft für die Grünen: Einer aktuellen Forsa-Umfrage zufolge würden nur noch neun Prozent ihnen ihre Stimme geben – der schlechteste Wert seit der Bundestagswahl 2017. |
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„Temperamentsfragen spielen am Ende eine zentrale Rolle“ |
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In knapp einer Woche wird in den USA gewählt. Bis dahin sprechen wir jeden Tag mit prominenten Köpfen über ihre Erwartungen an die US-Wahl. Den Auftakt macht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der scharfe Kritik an den deutschen Verteidigungsausgaben übt („Da lacht die Welt“) und US-Marschflugkörper auf bayerischem Boden begrüßt. Sehen Sie hier das gesamte Interview auf LinkedIn | |
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| Markus Steilemann, Covestro-Chef und Präsident des Chemieverbandes, am Dienstag mit Kollegen auf dem Weg ins Kanzleramt (© Getty) |
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Regierung im Gipfelfieber |
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Gleich zwei große Treffen von Wirtschaft und Vertretern der Ampel-Regierung fanden am Dienstag in Berlin statt. SPD-Kanzler Olaf Scholz lud am Nachmittag Vertreter von Industrieverbänden, Gewerkschaften und großen Unternehmen zu einem Treffen ins Kanzleramt. Mit dabei u.a. VW-Chef OIiver Blume. Weil Scholz vorher seine Koalitionspartner nicht informiert hatte, traf sich FDP-Finanzminister Christian Lindner bereits am Vormittag mit Vertretern von Mittelstand und Handwerk. Man müsse aus dem „politischen Schaulaufen ins Handeln kommen”, sagte der eher entnervt wirkende Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger nach dem Date mit Lindner. Aber auch beim Kanzlergipfel wurde es nicht konkreter. Scholz hatte sich zwar bewusst gegen Auftaktbilder und eine abschließende Pressekonferenz entschieden. Er wolle weg von den „Theaterbühnen”. Aber das einzige Fazit des Tages blieb: Die Ampel ist zerstrittener denn je. |
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EU setzt Zölle auf chinesische E-Autos endgültig in Kraft |
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Trotz Widerstands aus Deutschland treten die EU-Zusatzzölle auf die Einfuhr von Elektroautos aus China ab morgigem Donnerstag in Kraft. Für E-Autos des Herstellers BYD gilt dann eine Extra-Abgabe in Höhe von 17 Prozent, für Geely sind 18,8 Prozent fällig. Der (theoretische) Höchstsatz: 35,3 Prozent. Die EU will damit langfristig die Zukunft ihrer Autoindustrie sichern. Sie kam bei einer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass chinesische Hersteller von unfairen Staatssubventionen profitieren. Für die deutsche Industrie ist der Handelsstreit ein ambivalentes Thema, weil China der größte Automarkt der Welt ist und hiesige Hersteller um einen ihrer wichtigsten Absatzmärkte fürchten. Wie die Volksrepublik reagieren wird, ist noch unklar. Die Regierung in Peking drohte in der Vergangenheit mit höheren Zöllen bei der Einfuhr von Verbrennern mit großem Hubraum aus der EU. |
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2,7 Punkte legte der Konsumklimaindex zu: Zum zweiten Mal in Folge ist die Konsumlaune der deutschen Verbraucher gestiegen. Dennoch bleibt die Stimmung insgesamt pessimistisch. Der aktuelle Wert von Minus 18,3 Punkten ist immerhin der beste seit April 2022. |
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| Zinkbatterien (© Grafik ETH Zürich / Xin Zou) |
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Revolution in der Batterie-Technologie |
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Forscher der Technischen Universität München (TUM) haben die Lebensdauer von Zink-Batterien um mehr als das Hundertfache verlängert. Sie könnten demnach künftig mehrere Hunderttausend Lade-Zyklen überstehen. Clou der Innovation ist offenbar eine poröse und hauchdünne Schutzschicht für die Zink-Anoden der Batterien. Derzeit kommen im Haushalt, aber auch in Elektroautos meist Lithium-Batterien zu Einsatz. Zink könnte als günstiger Ersatz für das seltene und teure Alkalimetall dienen. Für besonders geeignet halten die TUM-Forscher ihre Technologie, um große Mengen von Energie zu speichern, etwa im Zusammenspiel mit Solar- und Windkraftanlagen. |
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Gewinner: Gerade erst ist der frühere TV-Entertainer Stefan Raab, 58, wieder aus der selbstgewählten Frühverrentung zurückgekehrt. Beim Streamingdienst RTL+ feierte er jüngst sein Comeback. Nun soll er gemeinsam mit der ARD auch den Eurovision Song Contest wiederbeleben. Mit der Sängerin Lena Meyer-Landrut hat er den Gesangswettbewerb 2010 gewonnen. Details sollen am Donnerstag verkündet werden. | |
Verlierer: 200.000 Abonnenten soll es die „Washington Post“ gekostet haben, dass Zeitungs-Eigentümer Jeff Bezos, 60, ihr die traditionelle Wahlempfehlung im US-Wahlkampf untersagte. Der Amazon-Gründer verteidigte den Schritt mit dem eh gesunkenen Vertrauen der amerikanischen Öffentlichkeit in die Medien. Die Zeitung selbst beschäftigte sich wie schon bei ähnlichen Anlässen, kritisch mit der internen Entscheidung. | |
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… ein Hinweis in eigener Sache: Auch wenn Sie in einer Region leben, wo morgen oder am Freitag Feiertag ist – unser aktuelles Briefing werden Sie an beiden Tagen trotzdem in Ihrer Mailbox finden. Am Donnerstag ist übrigens nicht Halloween – na ja, jedenfalls nicht nur –, sondern Reformationstag, ein Festtag der Protestanten. Überwiegend katholisch geprägte Regionen feiern tags darauf dann Allerheiligen. Zwei Bundesländer begehen keinen der beiden Feiertage. Wer mir die Namen heute früh zuerst mailt, kriegt ein kleines Dankeschön. Versprochen! | | Herzliche Grüße | | Thomas Tuma |
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