Heribert Prantl beleuchtet ein Thema, das Politik und Gesellschaft (nicht nur) in dieser Woche beschäftigt.
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5. Mai 2024
Prantls Blick
Die politische Wochenschau
Prof. Dr. Heribert Prantl
Kolumnist und Autor
SZ Mail
Guten Tag,
Eure Rede aber sei: Ja! Ja! Nein! Nein! Was darüber ist, das ist vom Übel. Rüdiger Schuch, der neue Chef der Diakonie, hat sich an diese Anweisung aus der Bergpredigt gehalten. Die Diakonie ist der Wohlfahrtsverband der evangelischen Kirche, der in seinen Altenheimen, Kindergärten, Krankenhäusern und Behinderten-Werkstätten 627 000 Menschen beschäftigt. Und die Bergpredigt, in der gefordert wird, sich mit „Ja, Ja“ und „Nein, Nein“ klar und unmissverständlich zu äußern, zählt zu den zentralen Stellen der christlichen Botschaft. Der Diakonie-Vorsitzende Schuch hat sich nun klar und unmissverständlich geäußert: „Wer sich für die AfD einsetzt, muss gehen“, sagte er in einem Interview. Das heißt: Wenn AfD-Funktionäre und bekennende AfD-Sympathisanten bei der Diakonie arbeiten, müssen sie mit der Kündigung rechnen. Und, so setzte Schuch fort: „Diese Leute können sich im Grunde auch nicht mehr zur Kirche zählen, denn das menschenfeindliche Weltbild der AfD widerspricht dem christlichen Menschenbild.“ 

Daran gibt es keinen Zweifel: Die AfD will Menschen mit Migrationshintergrund, sie will Menschen mit Behinderung, sie will geflüchtete Menschen absondern, aussondern oder abschieben. Die Würde des Menschen ist unantastbar? Nicht bei der AfD. Sie versieht den Fundamentalartikel 1 des Grundgesetzes mit einer bösartig-gefährlichen Einschränkung: „Die Würde des Menschen ist unantastbar - aber nur, wenn wir, die AfD, diesen Menschen für würdig erachten.“ Die Klarheit, mit der der Diakonie-Chef das geißelt und den Anhängern und Vertretern der AfD Konsequenzen androht, hat nicht allen gefallen.

Wer Hass sät, ist kein verlorenes Schaf, sondern ein Verfassungsfeind

Es wurde dem Chef der Diakonie „Populismus“ vorgeworfen. Populismus? Was soll populistisch daran sein, wenn man den Anhänger einer Partei, die die Migranten hasst, nicht in einem Flüchtlingsheim arbeiten lassen will? Was soll populistisch daran sein, wenn ein Anhänger Björn Höckes, der Inklusion zum Ideologieprojekt und Belastungsfaktor erklärt, nicht in einer Einrichtung arbeiten darf, die sich für Inklusion einsetzt? Wenn hier ein Ausschluss nicht statthaft sein soll, dann müsste man künftig auch den Anhänger einer frauenfeindlichen Partei in einem Frauenhaus beschäftigen. Die Kritiker des Diakoniepräsidenten haben ihn zur Nächstenliebe gemahnt und von ihm die Geduld gefordert, „verlorene Schafe“ zurückzuholen. Indes: Wer für eine Partei kandidiert oder wirbt, die Hunderttausende Bürger mit Migrationsgeschichte aus dem Land schaffen will, ist kein Schaf, sondern ein Verfassungsfeind. Und ein schutzbedürftiger Nächster ist nicht der AfD-Funktionär oder der AfD-Sympathisant, sondern der Mensch, der in einer Einrichtung der Diakonie betreut wird.

Leute, die bei der Wahl ihr Kreuz einmal bei der AfD gemacht haben oder machen (und dies öffentlich bekennen), müssen allein deswegen noch nicht das Arbeitsrecht fürchten. Aber die Kirchen und ihre Verbände können, dürfen und müssen durch die Kündigung von AfD-Funktionären und AfD-Kandidaten zeigen, was sie von der AfD und deren Aktivitäten halten. Nämlich: Grundrechte sind nicht dafür da, um mit ihnen die Grundrechte zu bekämpfen. Parlamente sind nicht dafür da, um von dort aus den Sturz der rechtsstaatlichen Grundordnung vorzubereiten. Und soziale Einrichtungen sind nicht dafür da, dass die Menschen, die dort betreut und geschützt werden, von den Beschäftigten missachtet werden.

Die katholische und die evangelische Kirche haben schon vor Monaten glasklare Erklärungen abgegeben. „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar“, lautet die Überschrift einer gemeinsamen Erklärung der katholischen Bischöfe, die dann durchbuchstabieren, was das bedeutet: „Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, können für Christinnen und Christen daher kein Ort ihrer politischen Betätigung sein. Die Verbreitung rechtsextremer Parolen – dazu gehören insbesondere Rassismus und Antisemitismus – ist überdies mit einem haupt- und ehrenamtlichen Dienst in der Kirche unvereinbar.“  Die Synode der Evangelischen Kirche und die Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs haben sich genauso deutlich geäußert und betont, dass die menschenverachtende Politik, für die die AfD steht, dem christlichen Verständnis von Nächstenliebe und Barmherzigkeit widerspreche; solch eine Gesinnung sei nicht mit Kirchenämtern vereinbar. Das ist für den kirchlichen Bereich das Verbot, das man sich auch für den politischen Bereich wünscht.
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Ihr
Heribert Prantl
Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung
SZ Mail
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Prantls Leseempfehlungen
Ein Mosaik, ein Wimmelbild, eine späte Entdeckung
Manchmal mache ich um die Bücher, die in den Feuilletons gefeiert werden, erst einmal einen großen Bogen. Vielleicht hat das mit einer alten Messdiener-Weisheit zu tun, die da lautet: „Zu viel Weihrauch schwärzt den Heiligen“. Bei Saša Stanišić, dem deutsch-bosnischen Schriftsteller, wäre diese Vorsicht nicht nötig gewesen. Sein Buch „Herkunft“ ist vor fünf Jahren, im Jahr 2019, im Verlag Luchterhand erschienen, dem Hardcover folgten eine Fülle von Preisen und die Taschenbuchausgabe bei btb – und bei mir, aus welchen Gründen auch immer, eine längere Liegezeit des Buches im Regal. Ich habe mich so fünf Jahre lang um ein großes Vergnügen gebracht.

„Herkunft“ ist ein Mosaik-Buch, ein literarisches Wimmelbild, eine fiktionale Autobiographie. Stanišić erzählt in vielen kleinen Geschichten davon, wie unser Geburtsort, unsere Eltern und Großeltern, die Zeitgeschichte, die Schulfreunde und Nachbarn Spuren und Eindrücke in uns hinterlassen. Sein Vater war Serbe, seine Mutter aus einer bosniakisch-muslimischen Familie: „Ich war ein Kind des Vielvölkerstaates, Ertrag und Bekenntnis zweier einander zugeneigter Menschen, die der jugoslawische Melting Pot befreit hatte von den Zwängen unterschiedlicher Herkunft und Religion.“ Stanišić erzählt wie beiläufig, manchmal blitzt in nur einem Satz etwas auf von den Schmerzen, den Freuden und den Verwirrungen des Lebens. „Herkunft“ ist ein Buch über Abschied und Ankunft – ein Buch über den Abschied von seiner dementen Großmutter, die die Erinnerung an ihre Heimat verliert, und ein Buch über seine Ankunft in Deutschland, wo er bei der Ausländerbehörde einen handgeschriebenen Lebenslauf einzureichen hat. Stanišić schreibt und verwirft und verwirft und schreibt – und dieser kreativen Mühsal für die Behörde ist wohl das fabelhafte Buch „Herkunft“ zu verdanken.

Das neueste Buch von Stanišić, ein Band mit Erzählungen, heißt „Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne“ und ist 2024 im Luchterhand-Verlag erschienen. Diesmal werde ich mit der Lektüre nicht so lange warten wie bei der „Herkunft“.

Saša Stanišić: Herkunft. Das Buch ist 2020 bei btb als Taschenbuch erschienen, hat 368 Seiten und kostet 12 Euro.
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Rose ohne Dornen
Mehr an feuerfarbener Pracht gibt es nicht. Die Pfingstrose ist das Paradies auf einem Stängel. Sie blüht nur kurz, aber prächtiger kann eine Blüte nicht sein. Die Kollegin Eva Dignös erzählt in der SZ vom Wochenende viel Wissenswertes von einer Blume, die als Einzelgängerin am schönsten ist.
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