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Freitag, 10. April 2020
Guten Tag,

vor einigen Wochen hat der Bäcker bei mir um die Ecke seine Geschäftsräume ausgebaut. Ein stolzes Caféhaus ist dort entstanden, mit Stuck an der Decke und gemütlichen Sitzecken. In gewisser Weise hat er ein stadtbekanntes Café, das vor 120 Jahren in diesen Räumen ansässig war, wiederentstehen lassen. Der Ausbau muss ein Heidengeld gekostet haben. Doch jetzt, in Corona-Zeiten, trinkt dort niemand Kaffee.
 
Vorne an der Theke gibt es weiterhin Backwaren und Heißgetränke zum Mitnehmen. Aber die neuen Gasträume gleichen einem Museum. Und wie reagiert der Betreiber? Er hängt Zettel an die Fenster: Ärzte und Krankenhauspersonal bekommen hier Kaffee gratis.
 
Es sind Gesten wie diese, die mir in diesen Tagen nahegehen. Sie zeigen Größe im Kleinen, auch wenn es im Großen nicht gut läuft. Sollte man der Corona-Krise (oder Corona-Kacke, wie mein Chef manchmal sagt) überhaupt etwas abgewinnen können, dann sind es die vielen kleinen und großen Taten, die trotz virusgeladener Zeiten und zunehmender Vermummung von Mitmenschlichkeit zeugen.
 
Der Italiener liefert nicht nur Pizza, sondern auch Scaloppine und Calamaretti nach Hause, der Fahrradladen bietet Inspektionen auf dem Bürgersteig an. Wer in München welche Dienste anbietet, das tragen zurzeit viele meiner Kollegen auf sz.de zusammen. Sehen Sie mal nach bei München bringt's. Einen Buchladen, der komplett auf Lieferservice umgestellt hat, beschreibt Josef Wirnshofer auf der Seite Drei an diesem Osterwochenende. Manche bestellen „Die Pest“ von Albert Camus, andere das Bürgerliche Gesetzbuch. Und viele Menschen, so erzählt es die Buchhändlerin, rufen einfach nur an, um zu reden. Am Nachmittag liefert der Sohn die Bestellungen aus. Einige Kunden möchten, dass er sie im Treppenhaus ablegt. Es gehe schon, sagt die Buchhändlerin, wenn auch mühsam: „Wie unter Wasser laufen.“
 
Die Metapher passt vermutlich auch zum Lebensgefühl all jener Menschen, die ihren Job bewundernswert – und fast wollte ich sagen, „unerschrocken“, aber das ist ja vielleicht gar nicht so, sagen wir, gewissenhaft und hingebungsvoll – erfüllen. Sie lösen Partys auf, stapeln Klopapier, nehmen Abstriche, pflegen Alte und liefern Päckchen nach Hause, oft bis zur Erschöpfung. Acht Menschen, die „systemrelevant“ sind (systemrelevanter als jede Investmentbank, wie ich finde), haben wir gebeten, für das Buch Zwei an diesem Wochenende ihre Situation und ihre Gedanken zu schildern, stellvertretend für sehr viele Menschen, die derzeit dafür sorgen, dass uns diese ganze Corona-Sie-wissen-schon-wie-mein-Chef-sagt nicht komplett um die Ohren fliegt.
 
Einen erfreulichen Lichtblick für uns Daheimsitzer bieten an diesem Wochenende die Schlauköpfe aus der Feuilletonredaktion: Sie haben kleine Liebeserklärungen verfasst, an ein seltsam attraktiv gewordenes Reich namens Balkonien. Und Tanja Rest hat für das Ressort Gesellschaft einen wunderbaren Essay über die großen Gewinner der Krise geschrieben: Haustiere, die ihren Besitzern so nahe sind wie nie. Ein Paradies für Dackel, Möpse und Border Collies, aber auch Graupapageien, mit denen Tanja Rest zusammenlebt. Sie hat mir einmal ein Video gezeigt, ich hielt es für einen Zaubertrick, so gut kann Kalle, einer ihrer Papageien, quasseln. Und Wörter hat der drauf, hui, da kann die Corona-Kacke nicht mithalten. 

Herzlich
Patrick Illinger
Ressortleiter Wissen
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