Liebe/r Leser/in, Die Tage werden länger, die Haare auch. Es ist Sommerzeit, meine Corona-Positiv-Quarantäne endet – ich darf also wieder raus, allerdings nicht zum Friseur, denn der hat, wie viele andere Geschäfte auch, ja bekanntermaßen geschlossen. Wenn mir die vergangenen 14 Tage in der Wohnung, im Home-Office, eines gezeigt haben, dann dass es verführerisch ist, den ganzen Tag im Pyjama herumzulaufen, sich nicht zu rasieren oder sich großartig zu bewegen. Dabei ist Körperpflege gerade in Zeiten der Isolation wichtiger denn je, denn wenn das Leben keine Zeugen hat, ist die Gefahr zu verlottern ziemlich groß. Mein Kollege Markus Götting kümmert sich schon aus privatem Interesse immer wieder für FOCUS um Fitnessthemen. In dieser Woche schreibt er in seiner Titelgeschichte, dass Körperpflege eben mehr bedeutet als nur duschen und Zähne putzen. Es geht in seinem Text um Hygiene für Geist und Körper – um ein Gegenprogramm also zum faulen Aussitzen der Krise auf dem Sofa, vollgestopft mit den Nudeln, die seit Wochen gehortet werden. Gerade jetzt sollten wir körperlich und geistig in Bewegung bleiben, um unser Immunsystem zu stärken und Depressionen vorzubeugen. Die Gelegenheit ist auch günstig: Noch nie konnten wir unsere Zeit so frei einteilen wie im Moment, die Digitalisierung bringt uns Fitnesskurse und das Wissen der Welt gratis und in Echtzeit nach Hause. Wer also diese gewonnene Zeit effektiv nutzt, wird gestärkt aus der Corona-Phase hervorgehen. Bleiben Sie gesund, wir helfen Ihnen dabei ab Seite 52. Die Zeit nach Corona. Wir wissen nicht, wann sie anbricht, wann wir wieder durchstarten können, unsere alte Welt zurückerobern, die sicher eine neue ist. Wie gesund oder krank wird unser Land nach der Zeit des Stillstands sein? Wer überlebt diesen wirtschaftlichen Totalschaden – und wenn ja, wie? Wie verteilen wir auf gerechte Weise die ungeheuren Lasten und Kosten, die Virus und Shutdown verursachen? Wie lässt sich aushalten, dass die einen profitieren, während andere in den Ruin geraten? Das Virus selbst macht keinen Unterschied zwischen Arm und Reich, anstecken kann sich jeder. Und doch könnte es die Gesellschaft noch mehr zerreißen. Händler treiben Wucher mit Atemmasken und Schutzkleidung. Der größte Hedgefonds der Welt, Bridgewater Associates von Ray Dalio, hat 14 Milliarden Dollar auf den Niedergang großer europäischer Firmen gewettet. Dax-Primus Adidas strudelt nach Rekordergebnis-Jahren in einen Shitstorm, weil der Konzern glaubte, einfach keine Mieten mehr für seine Läden zahlen zu müssen, nur weil wenige Tage die Laufkundschaft ausblieb. Wie soll sich ein Kleinunternehmer verhalten, dem für die nächsten Monate die Aufträge wegfallen, der keine Kredite bekommt, dem Kurzarbeit nicht hilft und der aus Stolz und Ehre auch dem Staat nicht auf der Tasche liegen will? Soll die Bundesregierung jetzt alle Firmen entlasten, oder soll sie gezielt fördern? Sollen Unternehmen gestützt werden, die schlecht gewirtschaftet und nicht vorgesorgt haben? Steuern wir auf einen neuen Staatskapitalismus zu? Nassim Nicholas Taleb, der Autor des Bestsellers „Der schwarze Schwan“, erinnert daran, dass von der Finanzkrise 2008 oft diejenigen profitiert haben, die sie verursacht haben, und mahnt, die Gesellschaft solle nicht fragen: Was haben jetzt Firmen nötig? Sondern: Welche Firmen haben wir nötig? Und dann sind da noch die vielen Divergenzen im Alltäglichen: In einem großen Haus mit Garten sind die Ausgangsbeschränkungen leichter zu ertragen als in einer engen Wohnung ohne Balkon. Im Glasfasernetz der Städte lässt sich besser teilhaben am digitalen Leben als im Funkloch auf dem Land. Viele arbeiten schlecht bezahlt am Limit – Kurierfahrer, Pfleger, Kassierer etwa. Andere haben bei hohem Lohn und in sicherer Position derzeit vielleicht weniger zu tun. Die einen müssen sich um Kinder oder pflegebedürftige Eltern kümmern, andere können ihren Hobbys nachgehen. Auch Freiberufler leiden unterschiedlich. Ein Anwalt kann ohne große Probleme von zu Hause aus arbeiten, ein Zahnarzt oder eine Ballerina nicht. Wir werden in den nächsten Tagen eine Diskussion über die Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft erleben. Weil ich seit jeher glaube, dass der Staat niemals der bessere Unternehmer ist, vertraue ich auf die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft und die Eigenverantwortung der Bürger. Dazu gehört Optimismus. Bleiben Sie gesund, bleiben Sie positiv! |